RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung: Deutlicher Preisanstieg belastet deutsche Konjunktur
Das RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung erwartet für dieses Jahr einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 1,1 Prozent, nachdem es im Juni noch von 1,9 Prozent ausgegangen war.
Für das Jahr 2023 senke das RWI seine Prognose von 2,7 auf 0,8 Prozent, teilte das Institut in Essen mit. Für das Jahr 2024 geht es demnach von 2,6 Prozent Wirtschaftswachstum aus. Die Gründe für die niedrigeren Prognosen für dieses und nächstes Jahr seien vor allem die Belastungen durch die hohe Inflation und die großen Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg.
Die Inflationsrate dürfte nach der Prognose im Durchschnitt dieses Jahres 7,3 Prozent betragen und in den kommenden beiden Jahren auf 3,5 Prozent respektive 1,6 Prozent zurückgehen. Der deutsche Arbeitsmarkt dürfte relativ stabil bleiben, die Arbeitslosenquote dürfte dieses Jahr bei 5,3 Prozent liegen, im nächsten Jahr leicht auf 5,5 Prozent steigen und im Jahr 2024 erneut bei 5,3 Prozent liegen.
Größtes Risiko für die deutsche Konjunktur ist nach Einschätzung des RWI die Verfügbarkeit von Gas während des kommenden Winters. "Bei einem vollständigen Stopp der Gaslieferungen aus Russland kommt es darauf an, dass Unternehmen und insbesondere auch die privaten Haushalte ihren Gasverbrauch deutlich reduzieren", sagte RWI-Konjunkturchef Torsten Schmidt. "Gelingt das nicht, würde eine spürbare Rationierung von Gas zu weiteren deutlichen Einschränkungen der wirtschaftlichen Produktion führen."
Zudem stelle auch die weitere Entwicklung der Coronavirus-Pandemie nach wie vor ein Risiko dar. Neue Varianten, die zu schweren Verläufen führten, könnten erneut Einschränkungen des Wirtschaftslebens notwendig machen. Ein weiteres realwirtschaftliches Risiko sei die aktuelle Geldpolitik. Hätten die Zinserhöhungen geringere Effekte auf die Inflation als erwartet, müssten diese verstärkt werden. Dies würde sich wiederum negativ auf die deutsche Wirtschaft auswirken.
Der kräftige Anstieg der Gaspreise und seine Auswirkungen durch die Produktionsketten würden die Inflationsraten wohl bis zum Ende des Jahres anziehen lassen. Mit dem Ende der Heizperiode dürfte der Rückgang der Nachfrage dann für eine gewisse Entlastung sorgen. Zudem dürfte die sich abschwächende Konjunktur den Preisauftrieb dämpfen. Das Defizit der öffentlichen Haushalte dürfte nach der Prognose 2022 mit gut 45 Milliarden Euro deutlich geringer ausfallen als im Vorjahr mit 134 Milliarden Euro, trotz einer Reihe einnahmemindernder Maßnahmen und einmaliger Transfers zur Abfederung der steigenden Gaspreise. 2023 dürfte das Finanzierungsdefizit geringfügig auf gut 49 Milliarden Euro steigen und im Jahr 2024 dann auf knapp 28 Milliarden Euro sinken.
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Von Andreas Kißler
ESSEN (Dow Jones)
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