EZB-Direktorin Schnabel: EZB muss auf Erwartungen der Menschen eingehen
Die Europäische Zentralbank (EZB) muss nach den Worten von EZB-Direktorin Isabel Schnabel auf Erwartungen der Menschen eingehen, zugleich aber ihr Preisstabilitätsmandat erfüllen.
Schnabel wies bei einem Workshop des Forum New Economy darauf hin, dass sich die Erwartungen der Gesellschaften an Zentralbanken schon oft geändert hätten, und dass vielen Menschen heute ein Einsatz der Zentralbank für Klimaschutz oder gegen finanzielle Ungleichheit mindestens ebenso wichtig sei wie der für Preisstabilität.
"Die Herausforderungen, vor denen die Zentralbanken heute stehen, unterscheiden sich grundlegend von denen, die relevant waren, als sie weitgehende politische Unabhängigkeit erlangten", sagte Schnabel. Inflation bereite vielen Menschen heute weniger Sorgen, was zu einem großen Teil auf die Erfolge der Zentralbanken bei ihrer Bekämpfung zurückzuführen sei.
Viele Menschen erwarten Einsatz der EZB für Klimaschutz
"Viele fordern, dass die Zentralbanken eine aktivere Rolle bei der Bewältigung breiterer gesellschaftlicher Herausforderungen, insbesondere des Klimawandels, spielen sollten", sagte Schnabel. Solche Verschiebungen fielen mit einem breiten Misstrauen gegenüber den weitreichenden und komplexen geldpolitischen Maßnahmen zusammen, die von den Zentralbanken in den letzten Jahren ergriffen worden seien, um die Wirtschaft vor einer gefährlichen Spirale aus fallenden Preisen und Löhnen zu schützen.
Auf der einen Seite muss die EZB laut Schnabel Deflationsrisiken bekämpfen und dies ebenso entschlossen, wie Fed-Chairman Paul Volcker dies Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre getan habe. Sie müsse um Verständnis für diese Maßnahmen werben und deren Nebenwirkungen stets im Auge behalten.
Auf der anderen Seite müsse sich die EZB ihre Unabhängigkeit von politischem Einfluss quasi "verdienen", indem sie auf die Bedenken der Öffentlichkeit eingeht und sorgfältig prüft, ob und wie sie im Rahmen ihres Mandats auf diese Bedenken reagieren kann. Kann sie es beim Umweltschutz? Isabel Schnabel bejaht diese Frage zumindest mit Blick auf die Forderung an die EZB, die "sonstige Wirtschaftspolitik" der EU zu unterstützen, wenn dadurch die Erfüllung des Primärmandats nicht beeinträchtigt wird.
Direkte Relevanz des Klimawandels für Preisstabilität noch unklar
Kann sie es auch in Erfüllung ihres Primärmandats - ist der Klimawandel ein Risiko für die Preisstabilität selbst? Hier fällt Schnabels Antwort vorsichtiger aus. "Das Ausmaß der Risiken für die Preisstabilität durch den Klimawandel ist Gegenstand einer intensiven und zunehmenden Debatte, und die Frage ist noch lange nicht geklärt", sagte sie.
Kritiker argumentieren laut Schnabel, dass die Risiken des Klimawandels für die Preisstabilität weit in der Zukunft lägen und dass es für eine Zentralbank höchst ungewöhnlich wäre, präventive Maßnahmen gegen künftige Schocks zu ergreifen. Die Befürworter hingegen argumentierten, dass die globale Erwärmung ungewöhnlich starke und teilweise unumkehrbare Veränderungen in den Volkswirtschaften verursachen werde."
Es wird prognostiziert, dass die globalen Emissionen in den nächsten 40 Jahren nicht sinken werden, selbst wenn alle derzeit geplanten klimapolitischen Maßnahmen umgesetzt werden", sagte Schnabel.
Gegenwärtig diskutiert auch der EZB-Rat im Rahmen seiner Strategieprüfung darüber. Die Ergebnisse der Diskussion sollen im Herbst bekannt gemacht werden.
Zu den Befürworterinnen eines Einsatzes der EZB für klimapolitische Belange zählt neben Isabel Schnabel vor allem EZB-Präsidentin Christine Lagarde. Auch Chefvolkswirt Philip Lane kann zu den "grünen" Geldpolitikern gezählt werden. Tendenziell kritisch äußert sich dagegen das deutsche EZB-Ratsmitglied Jens Weidmann.
FRANKFURT (Dow Jones)
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