China in Deflation gerutscht: So könnte sich die Preis-Abwärtsspirale auf die deutsche Wirtschaft auswirken
Im Juli gingen die Verbraucherpreise in China um 0,3 Prozent zurück. Damit herrscht in der Volksrepublik nun eine Deflation. Diese Auswirkungen dürfte der Preisrückgang auf die Wirtschaft in Deutschland haben.
• Im Juli Deflation in China
• Risiko einer Abwärtsspirale
• Niedrigeres Wirtschaftswachstum in Deutschland
Deflation: Verbraucherpreise in China sinken
Seit Monaten liegt bei der Betrachtung von Konjunkturdaten der Fokus auf den Verbraucherpreisen, schließlich sind hohe Inflationsraten der Grund für die Leitzinserhöhungen, die seit Sommer 2022 von der EZB, der Fed und anderen Notenbanken umgesetzt wurden. Während die Teuerung in vielen Ländern wieder zurückgeht, sich aber trotzdem noch auf einem hohen Niveau befindet, vermeldete China Anfang August gar sinkende Preise. So teilte das Statistikamt der Volksrepublik mit, dass die Verbraucherpreise im Juli im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 0,3 Prozent nachgaben. Im Juni 2023 stagnierten die Preise, während im Mai noch ein Zuwachs um 0,2 Prozent vermeldet wurde. Damit rutschte die chinesische Wirtschaft im vergangenen Monat in die Deflation.
Preis-Abwärtsspirale droht
Von einer Deflation ist die Rede, wenn die Inflationsrate unter null Prozent fällt. So sinkt das allgemeine Preisniveau. Was auf den ersten Blick wie eine positive Entwicklung wirken mag, bringt jedoch einige Tücken mit sich. So erwarten Verbraucher in einer Deflation weitere Preissenkungen und verschieben Käufe auf einen späteren Zeitpunkt, was die Wirtschaft ausbremst. Darüber hinaus senken Unternehmen zwar ihre Preise, die Kosten sind aber meist vertraglich gesichert, wodurch es zu einem Gewinnrückgang kommt. Bei früheren Deflationen, etwa der Weltwirtschaftskrise 1929, stieg infolge des Preisrückgangs außerdem die Arbeitslosigkeit, während die Aktienkurse deutlich nachgaben. Damit ist die Gefahr einer Abwärtsspirale gegeben.
Erzeugerpreise in den letzten zehn Monaten gesunken
Diese Entwicklung zeichnete sich in China in den vergangenen Monaten bereits ab. So fielen die Erzeugerpreise im Reich der Mitte - bereits den zehnten Monat in Folge - im Juli um 4,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Der Deutschen Presseagentur zufolge sanken im vergangenen Monat erstmals seit November 2020 sowohl die Erzeuger- als auch die Verbraucherpreise. Wirtschaftsexperten sehen die Preisentwicklung als Folge der schwachen Verbrauchernachfrage sowie der herausfordernden Situation des Immobilienmarkts. Da China außerdem Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus nicht nur länger durchsetzte als westliche Länder, sondern die Einschränkungen auch deutlich strenger ausfielen, gestaltete sich die wirtschaftliche Erholung der Volksrepublik auch deutlich langsamer.
Immobiliensektor unter Druck
Der "WirtschaftsWoche" zufolge sanken die Verkäufe im Immobiliensektor im Juni um fast 30 Prozent, was unter anderem daran liege, dass sich bisherige Großinvestoren vom Markt zurückziehen, aber keine neuen folgen. Stattdessen befinden sich viele Immobilien in Privatbesitz, wodurch Konsumenten aber oftmals verschuldet sind und ihren Konsum auf einem niedrigen Niveau halten, so das Wirtschaftsmagazin. Im Deflationsszenario bleibe außerdem die Belastung der Verbraucher durch Kreditzahlungen vom Nennwert her gleich hoch, nehme jedoch tatsächlich zu. Wirtschaftswissenschaftler Max Zenglein vom China-Institut Merics in Berlin erklärte gegenüber der WirtschaftsWoche dazu: "Sollte die konjunkturelle Schwäche anhalten, dürften die Preise in den kommenden Monaten weiter fallen und den Druck auf die Regierung erhöhen".
Kein Ende des Rückgangs abzusehen
Experten rechnen nicht mit einem einmaligen Rückgang, wie der "Deutschlandfunk" berichtete. Verbraucher dürften sich auch zukünftig mit Ausgaben zurückhalten, aus Furcht vor dem Verlust des eigenen Einkommens. Damit werde sich die Deflation in China noch über einen längeren Zeitraum ziehen. Aus diesem Grund halten viele Haushalte auch ihre Ersparnisse aus Coronazeiten zusammen, so das "Handelsblatt". Für einen anhaltenden Preisrückgang spreche laut dem Deutschlandfunk auch, dass der chinesische Außenhandel im Juli bereits um über 14 Prozent nachgab - der schlechteste Wert seit Beginn der Pandemie. Außerdem sei die generelle Richtigkeit der chinesischen Konjunkturdaten unklar, wie das Handelsblatt weiter schrieb. So sei der Zugang zu unabhängigen Zahlen durch Gesetze und Einschränkungen weiter erschwert. Möglicherweise könnten die veröffentlichten Informationen also sogar noch geschönt sein.
China will mit Konjunkturpaketen gegensteuern
Damit könnte China also direkt auf eine Krise zusteuern. Um das Katastrophenszenario abzuwenden, will die Republik nun mit Konjunkturpaketen entgegenwirken. So hat die Regierung in Peking bereits Ende Juli verschiedene Maßnahmen angekündigt, die zum Konsum motivieren sollen. Dazu gehören etwa attraktive Prämien beim Kauf von E-Autos und niedrigere Wohnungsmieten, wie Eva Lamby-Schmitt vom ARD-Hörfunkstudio Shanghai erklärte. Auch Touristen sollen außerdem mehr Geld im Land lassen, etwa durch günstigere oder sogar kostenlose Eintritte in Naturschutzparks. Insgesamt solle der Konsum in China angetrieben werden. "Wir haben gesehen, dass sich der inländische Verbrauchermarkt in der ersten Jahreshälfte insgesamt erholt hat. Wir haben jedoch auch festgestellt, dass die Wachstumsdynamik bei einigen Konsumgütern noch nicht stabil ist", so der stellvertretende Direktor der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission Li Chunlin laut der "Tagesschau" in einer Konferenz des Staatsrats.
Auch deutsches Wirtschaftswachstum bedroht
Aber was bedeutet die Deflation in China für Europa? Besonders in Deutschland dürften die Folgen des Preisrückgangs spürbar sein, wie Romanus Otte von "Business Insider" nach der Vorlage der Preisdaten erklärte. So sei China - gemeinsam mit den USA - der wichtigste Handelspartner der Bundesrepublik, der kein Mitglied der Europäischen Union ist. Ungefähr acht Prozent des gesamten Außenhandels entfallen auf China. In den vergangenen Monaten exportierte Deutschland aber immer weniger Güter nach China, was auch das Wirtschaftswachstum im Land der Dichter und Denker drossle, so Otte.
Geschäftsaussichten deutscher Unternehmen trüben sich ein
Darüber hinaus dürften die wirtschaftlichen Herausforderungen auch Auswirkungen auf die Geschäftsaussichten von deutschen Unternehmen haben, die Niederlassungen in China betreiben. So warnte VDMA-Präsident Karl Haeusgen im Juli gegenüber dem Handelsblatt vor einem Wachstumsschwund bei deutschen Maschinenbauern. Statt einer Steigerung von sechs Prozent wie bisher veranschlagt, dürfte die Wachstumsrate vielmehr zwischen null und drei Prozent liegen. Ein bereits jetzt spürbares Symptom dieser Prognose sei eine generelle Unsicherheit was Investitionen angehe. Konkret sei eine niedrigere Nachfrage nach Maschinen durch die Bauindustrie zu erkennen.
Redaktion finanzen.net
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