Führende Volkswirte immer zuversichtlicher
Die deutsche Wirtschaft hat nach Einschätzung führender Ökonomen die Finanzkrise hinter sich gebracht. Das geht aus dem Ökonomen-Barometer April von €uro am Sonntag und dem Nachrichtensender n-tv hervor.
von Thomas Schmidtutz, Euro am Sonntag
Danach stieg die Beurteilung der aktuellen Lage zuletzt um zehn Prozent auf 43 Punkte. Das ist der höchste Stand seit dem Ausbruch der Finanzkrise im September 2008. Auch der Erwartungswert machte mit einem Plus um 15 Prozent auf 46 Punkte einen großen Satz nach vorn und notiert damit inzwischen auf dem höchsten Wert seit Mai 2008.
Der anhaltende Optimismus dürfte auf die überwiegend positiven Konjunkturindikatoren zurückzuführen sein. So legte der wichtige Export im Februar saisonbereinigt um 5,1 Prozent zu. Das war der stärkste Zuwachs seit acht Monaten. Damit machten die deutschen Ausfuhren einen Großteil des unerwarteten Minus von 6,5 Prozent im Januar wieder wett. Zudem berichteten in den vergangenen Wochen zahlreiche große Unternehmen wie der Chiphersteller Infineon oder der Chemieriese BASF von steigender Nachfrage.
Auch die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute erwarten eine Erholung. „Ein kräftiger Aufschwung, wie er nach der schweren Rezession zu erwarten wäre, ist aber nicht in Sicht“, betont der Konjunkturexperte des Kieler IfW, Joachim Scheide, bei der Vorstellung des Frühjahrsgutachtens am Donnerstag in Berlin. Wichtige Branchen wie der Automobilbau melden ebenfalls einen Aufwärtstrend. Auch der Präsident des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), Manfred Wittenstein, sagte in einem Interview mit dieser Zeitung, die Auftragseingänge wiesen weiter nach oben. Zugleich sind die Sorgen der Volkswirte um die Entwicklung in Griechenland in den Hintergrund getreten. Zum Zeitpunkt der Befragung waren die Risikoaufschläge für griechische Anleihen vorübergehend gesunken. So erklärte im April ein Drittel der befragten Ökonomen mit Blick auf das hoch verschuldete Land, sie befürchteten eine dauerhafte Gefahr für die Währungsunion. 60 Prozent der Volkswirte sagten, die Gemeinschaftswährung sei nicht bedroht.
Zur Begründung für ihre aktuelle Einschätzung verwiesen zahlreiche Ökonomen auf Griechenlands Volkswirtschaft. Die Wirtschaftsleistung sei „zu unbedeutend“, um dauerhaft eine Gefahr für den Euro darzustellen, meinte etwa Prof. Hermann Locarek-Junge von der TU Dresden. Allerdings warnten mehrere Experten vor den Folgen einer möglichen Hilfe für das hoch verschuldete Land. Das Problem sei, dass mit Finanzhilfen für Griechenland ein „Präzedenzfall“ geschaffen werde, „der die Schuldenmoral in der Währungsunion weiter untergraben würde“, warnt etwa Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung Mannheim.
Die EU hat zum Wochenanfang zunächst Kredite von insgesamt 30 Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Deutschland wäre mit einem möglichen Volumen von 8,4 Milliarden Euro der größte Kreditgeber. Weitere 15 Milliarden Euro könnten vom IWF kommen. Der offizielle Antrag auf finanzielle Unterstützung durch die griechische Regierung steht offenbar unmittelbar bevor.
Am Donnerstag hatte Athen die EU-Kommission, die Europäische Zentralbank und den IWF um die Aufnahme von Gesprächen über ein „mehrjähriges Wirtschaftsprogramm“ gebeten. Der Chef des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), Prof. Ulrich Blum, hat indirekt dazu aufgefordert, die Hilfszusage Deutschlands vom Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen. Letztlich werde mit den Hilfen die „Verfassungsfrage gestellt. Und das ist richtig!“, sagte Blum. Eine Gruppe prominenter Professoren bereitet eine Verfassungsklage bereits vor.
Unterdessen erhält die Bundesregierung für ihre Wirtschaftspolitik von den Volkswirten schlechte Noten. Auf einer Notenskala von 1,0 bis 6,0 benoteten die Ökonomen die schwarz-gelbe Koalition im Schnitt mit 3,9. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle schnitt mit der Note 4,2 noch schlechter ab. Für das Ökonomen-Barometer wurden vom 7. bis 14. April mehr als 300 Volkswirte in Banken, Unis, Forschungseinrichtungen und Wirtschaftsverbänden befragt.