Ökonomen-Barometer

Volkswirte strotzen vor Zuversicht

19.02.11 06:00 Uhr

Das Ökonomen-Barometer klettert im Februar auf einen neuen Höchststand - Mehrheit der Volkswirte begrüßt die Pläne zur engeren Abstimmung der EU-Wirtschaftspolitik.

von Thomas Schmidtutz, Euro am Sonntag

München. Deutschlands führende Volkswirte sind für die Konjunktur so zuversichtlich wie noch nie seit Einführung des Ökonomen-Barometers im Dezember 2006. Im Februar legte der Erwartungswert um elf Prozent auf den neuen Rekordstand von 81 Punkten zu und notierte damit deutlich über dem bisherigen Hoch von 75,5 Punkten aus dem Juni 2007. Auch die Einschätzung der aktuellen Lage verbesserte sich gegenüber dem Vormonat um 3,3 Prozent auf knapp 75 Punkte. Damit notierte das Ökonomen-Barometer von Euro am Sonntag und dem Nachrichtensender n-tv auf dem höchsten Stand seit Juli 2007.

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Die Zuversicht speist sich aus dem anhaltend guten konjunkturellen Umfeld, überwiegend optmistischer Unternehmensausblicken, hoher Beschäftigung sowie einem starken privaten Konsum. Zwar blieb das Wirtschaftswachstum im vierten Quartal mit einem Plus von 0,4 Prozent hinter den Erwartungen zurück. Allerdings machten Volkswirte den Wintereinbruch für das abgebremste Wachstum zum Jahresende verantwortlich. Zugleich traten die jüngsten Sorgen um einen möglichen Konjunkturrückschlag wegen der desolaten Haushaltslage vieler EU-Mitgliedsländer in den Hintergrund.

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Auf überraschende Zustimmung unter Volkswirten trafen Pläne von Bundeskanzlerin Angela Merkel und des französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy zu einer engeren Abstimmung der Wirtschafts- und Finanzpolitik innerhalb der EU. Jeder zweite Volkswirte begrüßte die Initiative, 38 Prozent der befragten Experten lehnten den Vorstoss dagegen ab. Nach den Vorstellungen sollen sich die Mitgliedsländer freiwillig auf die Einhaltung von Sparregeln verpflichten. Außerdem sieht der „Pakt für Wettbewerbsfähigkeit“ unter anderem eine Anhebung des Renteneintrittsalters, die Abschaffung inflationsgebundener Lohnerhöhungen in einigen Staaten sowie eine Angleichung der Körperschaftsteuer vor. „Von einer verbesserten Koordination der nationalen Wirtschaftspolitken profitieren alle beteiligten Länder“, sagte etwa Prof. Frank Bulthaupt.

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Mit Skepsis betrachten viele Ökonomen indes die angedachte Selbstverpflichtung. Ein solcher Pakt könne zwar helfen, Reformen anzustoßen, erklärte etwa Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Allzu viel solle man aber von Selbstverpflichtungen nicht erwarten. „Im Zweifel sind innenpolitische Befindlichkeiten wichtiger als vage europäische Selbstverpflichtungen“.


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Zudem warnten zahlreiche Ökomen vor möglichen Wettbewerbsbeschränkungen. „Ein Pakt für Wettbewerbsfähigkeit müsste bedeuten, dass alle EU-Mitglieder versuchen, im Wettbewerb zueinander komparative Vorteile zu produzieren“, sagte Prof. Wolf Schäfer, Emeritus der Bundeswehr-Uni in Hamburg. ver. Durch eine Koordination würde dies aber „geradewegs wegharmonisiert“. Daraus entspringe nicht mehr, sondern weniger Wettbewerbsfähigkeit“.

Auf breite Ablehnung trafen zudem Überlegungen zur Einführung einer Transaktionssteuer auf Devisengeschäfte oder Aktienkäufe. In der EU zeichnet sich derzeit keine Mehrheit für eine Transaktionssteuer ab. Daher erwägt die Bundesregierung gemeinsam mit Frankreich und Österreich voranzugehen. Volkswirte halten das für falsch. Immerhin 80 Prozent der Ökonomen sprachen sich gegen ein Voranpreschen einiger weniger Länder aus. „Eine solche Maßnahme führt nur zu Verlagerung“, sagte Prof. Walter Krämer von der Uni Dortmund. Auch der Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Ansgar Belke, warnte vor den möglichen Folgen: „Selbst eine EU-weite Transaktionssteuer ließe den bedeutenden Finanzplatz außen vor, so dass große Kapitalbewegungen zu erwarten wären.“

Für das Ökonomen-Barometer wurden vom 8. bis 16. Februar insgesamt 300 Volkswirte in Banken, Forschungseinrichtungen und Wirtschaftsverbänden befragt.