Volkswirte erwarten für 2010 leichte Erholung
Deutschlands führende Volkswirte bezweifeln, dass es noch zu harten Auflagen für die Banken kommt – Wachstumsbeschleunigungsgesetz fällt durch.
von Thomas Schmidtutz, Euro am Sonntag
Deutschlands führende Volkswirte gehen mit verhaltenem Optimismus ins kommende Jahr. Das geht aus dem Ökonomen-Barometer von €uro am Sonntag und dem Nachrichtensender n-tv für den Dezember hervor.
Danach erwarten die Experten für 2010 ein Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent in Deutschland. Das entspräche weitgehend der aktuellen Schätzung des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamwirtschaftlichen Entwicklung. Die fünf Wirtschaftsweisen hatten bei Vorlage ihres Gutachtens Mitte November für 2010 ein Wachstum von 1,6 Prozent prognostiziert. Die Bundesregierung geht für 2010 bislang von einem Plus von 1,2 Prozent aus.
Auch bei der Arbeitslosenzahl sind die Volkswirte laut Ökonomen-Barometer zuversichtlicher als die Bundesregierung. Sie erwarten für das kommende Jahr im Jahresschnitt 3,9 Millionen Arbeitslose. Die Bundesregierung kalkuliert dagegen mit 4,1 Millionen Arbeitslosen.
Auf ungewohnt harsche Ablehnung trifft das Wachstumsbeschleunigungsgesetz der schwarz-gelben Koalition. 77 Prozent der Befragten erklärten, das Programm sei nicht dazu geeignet, die Konjunktur zu stützen. 21 Prozent sehen in dem Gesetz eine konjunkturstützende Maßnahme. Insgesamt soll das Gesetz Familien, Unternehmen, Erben und Hoteliers um 8,5 Milliarden Euro entlasten. Allein 4,6 Milliarden Euro sollen dabei Familien über den auf 7008 Euro steigenden Kinderfreibetrag sowie ein um 20 Euro höheres Kindergeld zugutekommen. Dazu soll der Mehrwertsteuersatz für Hotelübernachtungen von 19 auf sieben Prozent sinken. „Einzelne Elemente des Gesetzes stellen eine reine Verpulverung von Steuergeldern dar. Die Absenkung des Mehrwertsteuersatzes für Hotelübernachtungen ist ein ökonomischer Irrsinn, der seinesgleichen sucht“, sagt etwa Prof. Claus Schnabel von der Uni Erlangen-Nürnberg.
Ähnlich kritisch sieht auch der Deutschland-Chefvolkswirt der UBS, Martin Lück, das Gesetz: Sinnvoll sei nur die Entlastung von Familien, „zur Konjunkturstützung allein aber viel zu wenig. Andere Maßnahmen wie die Geschenke an Hoteliers und Erben riechen nach Lobbypolitik und dürften der Konjunktur wenig bis gar nicht helfen.“ Auch Prof. Oliver Landmann von der Uni Freiburg sieht in dem Vorhaben Klientelpolitik: Das Vorhaben sollte „nicht Wachstumsbeschleunigungsgesetz heißen, sondern Wählergruppenbeschenkungsgesetz“, so Landmann.
Zugleich wachsen unter den Ökonomen Zweifel, dass die Finanzmarktaufsicht tatsächlich umfasssend reformiert wird. Immerhin zwei Drittel der Befragten sagten, es bestehe die Gefahr, dass die Bestrebungen zu einer besseren Finanzmarktaufsicht im Sande verlaufen könnten. Zwar sei diese Gefahr derzeit „nicht sehr groß“, erklärte etwa der Wirtschaftsweise Prof. Christoph M. Schmidt. Doch je länger man warte, „desto eher dürfte die Regulierung nur noch sehr schwach ausfallen und umso größer wird das Problem einer notwendigen internationalen Abstimmung“, so Schmidt. „Der politische Wille auf nationaler und internationaler Ebene wird nachlassen“, befürchtet auch Prof. Stephan Klasen von der Uni Göttingen. Der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), Prof. Ulrich Blum, erklärte, es sei fraglich, ob sich die Probleme mit Regulierung lösen ließen. Dafür sei „persönliche Haftung“ weit geeigneter.
Erst am Donnerstag hatte sich der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht auf weitere Eckpunkte für eine schärfere Finanzmarktaufsicht verständigt. Danach soll die Definition für Eigenkapital enger gefasst werden. Außerdem sollen Banken künftig mehr Liquidität für schlechtere Zeiten vorhalten. Die konkreten Mindestanforderungen sollen erst 2010 festgelegt werden und ab Ende 2012 eingeführt werden.
Unterdessen beurteilen die Volkswirte die wirtschaftliche Entwicklung weiter optimistisch. So stieg die Einschätzung der aktuellen Lage um fünf Prozent auf 34 Punkte. Der Erwartungswert legte ebenfalls um fünf Prozent auf 36 Punkte zu. Für das Ökonomen-Barometer wurden vom 8. bis zum 16. Dezember über 300 Volkswirte in Banken, Unis, Forschungseinrichtungen und Wirtschaftsverbänden befragt.
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