NN IP-Kolumne

Bundestagswahl: Ergebnis auch aus europäischer Perspektive durchwachsen

26.09.17 10:14 Uhr

Bundestagswahl: Ergebnis auch aus europäischer Perspektive durchwachsen | finanzen.net

Eine stabile Währungsunion benötigt eine Balance zwischen der Einhaltung von Regeln und Solidarität. Die deutsche Politik müsste vorsichtig in Richtung mehr europäischer Solidarität einschwenken.

• Die Grünen würden Merkel in einer Jamaika-Koalition darin unterstützen.
• Jedoch ist die große Frage, ob die FDP zu mehr europäischer Solidarität bereit ist.

Ein relativ großer Teil der deutschen Wähler hat sich von den Parteien der politischen Mitte wegbewegt hin zu kleineren Parteien an den Rändern des politischen Spektrums. Da das Ergebnis - mehr oder weniger - den Umfragewerten vor der Wahl entspricht, werden wir keine großen kurzfristigen Marktauswirkungen erleben. In den kommenden Wochen wird in dieser Hinsicht viel davon abhängen, wie die Koalitionsverhandlungen verlaufen und daraufhin künftig die gemeinsame politische Linie aussieht.

Aus Sicht der europäischen Integration ist der Wahlausgang mit der möglichen Jamaika-Koalition durchwachsen zu bewerten. Deutschlands bisherige Politik ist charakterisiert durch eine deutliche Präferenz für ausgeglichene Haushalte und Leistungsbilanzüberschüsse. Letztere wurden unter anderem durch mehrere Jahre der Lohnzurückhaltung ermöglicht, was nun möglicherweise eine Rolle dabei gespielt hat, dass die Zahl der Protestwähler deutlich zugenommen hat. Was die Institutionen der europäischen Währungsunion angeht, hat Deutschland großen Wert darauf gelegt, dass alle Mitglieder die gemeinsamen Regeln befolgen. Auf der anderen Seite der institutionellen Gleichung war Deutschland allerdings zurückhaltend - also dabei, das Risiko im fiskalischen Bereich und bei den Banken sinnvoll zu teilen. Ähnliches gilt für Lastenteilung in der Realwirtschaft.

Eine solide und stabile Währungsunion benötigt jedoch eine Balance zwischen der Einhaltung der Regeln und Solidarität, die anerkennt, dass alle Staaten im selben Boot sitzen. Es ist im Sinne aller, dass es jedem Euroland gut geht. Dabei möchte der französische Präsident Macron vorangehen. Sein politisches Programm enthält ein starkes Bekenntnis zu strukturellen Reformen in Frankreich und zur Einhaltung der fiskalischen Regeln. Im Gegenzug hat sich die Bereitschaft von Bundeskanzlerin Merkel erhöht, vorsichtig in Richtung mehr europäischer Solidarität einzuschwenken. Die Grünen würden sie in einer Jamaika-Koalition darin unterstützen. Die große Frage ist jedoch, ob die FDP zu mehr europäischer Solidarität bereit ist.

Willem Verhagen, Senior Economist des Multi-Asset-Teams bei NN Investment Partners

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