Fokus auf Venture-Capital: Rocket Internet etabliert sich als Startup-Bank
Das Geschäftsmodell der Berliner Startup-Schmiede Rocket Internet hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt. Entsprechend liegt der Fokus von CEO Oliver Samwer längst nicht mehr nur noch auf dem hauseignen Startup-Inkubator.
• Rocket Internet mit neuem Geschäftsmodell
• Kreditportfolio wurde auf 600 Millionen ausgebaut
• Corona-Crash bringt extreme Risiken
Um das börsennotierte Berliner Beteiligungsunternehmen Rocket Internet ist es in der zurückliegenden Zeit wieder ziemlich ruhig geworden. Denn die Startup-Schmiede konnte nach den erfolgreichen IPOs von Jumia, Delivery Hero,HelloFresh, Home24 und Westwing im Jahr 2020 noch keine weiteren Börsengänge auf den Weg bringen. Dies liegt wohl auch daran, dass sich die Firma in den zurückliegenden Monaten stark umorientiert hat.
Von der Startup-Schmiede zur Startup-Bank
So liegt der Fokus der Beteiligungsgesellschaft nicht mehr ausschlich auf dem firmeninternen Startup-Inkubator, welcher mit innovativen Geschäftsmodellen neue Unternehmen hervorbringen soll, sondern vermehrt auf dem Geschäft mit Wagniskapital. So hat sich Rocket Internet innerhalb kürzester Zeit zum größten europäischen Tech-Investor gewandelt.
Der Konzern erzielte im Geschäftsjahr 2019 allein mit den Zinsen aus dem Wagniskapital einen Umsatz von 37 Millionen Euro und damit doppelt so viel wie noch im Vorjahr. Wie die Finanzmanagerin des Konzerns, Bettina Curtze, mitteilte, investierte Rocket bis Ende März 2020 insgesamt schon rund 600 Millionen Euro in derartige Darlehn. Da der Konzern laut Insidern für sein Venture Capital im Durchschnitt rund zehn Prozent Zinsen pro Jahr fordert, lohnt sich das Geschäft dabei durchaus.
Kreditportfolio mit mehreren Schwerpunkten
Das 600 Millionen schwere Kreditportfolio von Rocket Internet unterteilt sich dabei im Wesentlichen in drei Kernbereiche. Während ein Teil des Wagniskapitals direkt an junge Startups fließt, wird ein weitere Teil über digitale Kreditplattformen an kleine und mittelständische Unternehmen vergeben. Diese Darlehn laufen dann über diverse Kreditplattformen. Eine dieser Plattformen ist Iwoca. An ihr ist der Konzern selbst sogar beteiligt. Des Weiteren laufen auch über das bekannte Lending-Startup Funding Circle diverse Kredite. Dabei ist auch Funding Circle eng mit dem Konzern verbandelt, da das junge Unternehmen das ehemalige Rocket-Startup Zencap übernommen hat.
Neben direkten Krediten an Startups und Darlehn an diverse Plattformen und deren Kunden im Fintech-Segment, vergibt Rocket sein Geld auch an und über sogenannte Proptech-Unternehmen. Diese Unternehmen sind ausschließlich in der Immobilienbranche unterwegs und spezialisieren sich auf die digitale Transformation des Immobiliensektors. Über die Plattform Linus, die von Alexander Samwer mit aufgebaut wurde, hat der Konzern so Beispielsweise über 40 Millionen Euro in unterschiedliche Immobilienprojekte gesteckt.
Im Gegensatz zu klassischen Beteiligungen bringt das Kreditgeschäft nicht nur für Rocket Internet einige Vorteile, sondern auch für die einzelnen Startups und junge Unternehmen. Denn so müssen die aufstrebenden Konzerne zur Liquiditätsbeschaffung keine begehrten Geschäftsanteile mehr abgeben und die Geldgeber treten nur noch als Gläubiger und nicht als Anteilseigner in Erscheinung, was im Falle einer Insolvenz von großem Vorteil ist.
Kreditgeschäft bringt neue Risiken
Das verstärkte Engagement vom Rocket Internet im Kreditgeschäft könnte aufgrund der Corona-Krise nun jedoch zu einem großen Problem werden. Denn während im vergangenen Jahr laut Geschäftsbericht noch keine Kreditausfälle zu beklagen waren, dürften dieses Jahr die ersten Startups in Schwierigkeiten geraten. Es sei bereits jetzt erkennbar, dass sich die Auswirkungen der Corona-Pandemie "in den kommenden Monaten und Quartalen auch auf Unternehmen in unserem Netzwerk negativ auswirken werden", so der Rocket-Chef in einer Mitteilung in Bezug auf die Folgen der Pandemie.
Pierre Bonnet / Redaktion finanzen.net
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