Führungsriege der US-Notenbank Fed wird umgebaut - was das für die Wirtschaft bedeutet
An der Spitze der US-Notenbank Federal Reserve wird sich in den nächsten Wochen einiges ändern. Zwar darf sich Fed-Präsident Jerome Powell auf eine zweite Amtszeit freuen, allerdings steigen auch einige neue Gesichter in das siebenköpfige Führungsgremium der Zentralbank auf - und könnten die zukünftige Politik der Fed entscheidend prägen.
• Fed bekommt neue Vize-Chefin und drei neue Gouverneure
• Neue oberste Bankenaufseherin dürfte Schrauben anziehen
• Kurzfristig keine Änderungen bei übergeordneter Fed-Politik erwartet, langfristig neue Sichtweise auf Wirtschaft denkbar
Wenn ein US-Präsident neue Gouverneure für den siebenköpfigen Vorstand der US-Notenbank Fed nominieren kann, bestimmt er damit die Geldpolitik der USA lange über das Ende seiner Präsidentschaft hinaus - vorausgesetzt seine Kandidaten werden im Senat bestätigt. Denn die sieben Mitglieder des Gouverneursrats haben eine Amtszeit von jeweils 14 Jahren. US-Präsident Joe Biden kann nun gleich drei neue Mitglieder für das Direktorium der Zentralbank vorschlagen. Außerdem hat er den bisherigen Fed-Präsidenten Jerome Powell für eine weitere Amtszeit nominiert und das Zentralbankratsmitglied Lael Brainard für das Amt der Vizechefin empfohlen. Es dürfte sich in nächster Zeit also personell viel tun bei der wohl wichtigsten Notenbank der Welt. Für Banken könnte vor allem eine der geplanten Personalien deutliche Konsequenzen haben, ansonsten dürfte sich die Fed-Politik kurzfristig trotz der vielen neuen Gesichter wohl nicht ändern - langfristig könnte es allerdings zu einem grundlegenden Umdenken kommen.
Geldpolitik der Fed wohl zunächst mit Kontinuität
Mit Jerome Powell und Lael Brainard an der Spitze der Fed dürfte sich laut Ansicht von Experten ideologisch zunächst wenig tun, da Powell der US-Notenbank bereits seit vier Jahren vorsteht und auch Brainard bislang als Gouverneurin die Richtung der Geldpolitik mitbestimmte. Eric Winograd, Senior Volkswirt beim Vermögensverwalter AllianceBernstein, schrieb in einer Analyse auf der Unternehmenswebseite, dass eine Kurskorrektur in der Geldpolitik eher unwahrscheinlich sei - vor allem wenn Powell wieder zum Vorsitzenden ernannt werde. Selbst mit Brainard an der Spitze der Fed - es wurde einige Zeit lang gemutmaßt, sie könnte Powell ablösen - würde man "keine Änderung des geldpolitischen Kurses erwarten", so Winograd. Da sie nun Powells Vize wird, dürfte das umso mehr zutreffen. Auch "Finanz und Wirtschaft" glaubt, dass sich in nächster Zeit trotz der neuen Mitglieder in der Führungsriege nichts am kürzlich neu gesteckten Kurs der Fed ändern werde.
Lael Brainard wird das Amt von Richard Clarida übernehmen, der im Januar aufgrund eines Anlageskandals zwei Wochen vor Ende seiner Amtszeit vorzeitig zurücktrat. Brainard, die zu diesem Zeitpunkt bereits als seine Nachfolgerin nominiert war, sprach bereits im Januar davon, dass es die wichtigste Aufgabe der Fed sei, die hohe Inflationsrate wieder unter Kontrolle zu bringen. "Unsere Geldpolitik konzentriert sich darauf, die Inflation wieder auf zwei Prozent herunterzubekommen und gleichzeitig einen Aufschwung zu erhalten, von dem alle profitieren", so Brainard, die damit den aktuell gesetzten Kurs mit mehreren geplanten Zinserhöhungen in diesem Jahr unterstützt.
Kandidatin für Bankenaufsicht sorgt für Furore
Auch seine drei Kandidaten für die freien Gouverneursposten hat US-Präsident Biden bereits offiziell vorgestellt. Neben Lisa Cook und Philip Jefferson soll auch Sarah Bloom Raskin einen Platz im Board of Governors of the Federal Reserve System erhalten. Vor allem die Nominierung von Raskin sorgt für Aufsehen, denn sie soll die Rolle der obersten Bankenaufseherin übernehmen. Laut "CNBC" dürfte ihre Ernennung die wohl größten Änderungen mit sich bringen, da sie die Banken strenger regulieren dürfte als ihr Vorgänger Randal Quarles, der während seiner Amtszeit einige Regeln für die Branche gelockert hatte. Raskin, die bereits von 2010 bis 2014 Fed-Gouverneurin war und dann unter US-Präsident Obama ins Finanzministerium wechselte, dürfte die Schrauben für den Bankensektor jedoch wieder anziehen, schreibt auch "Finanz und Wirtschaft". Sie hat dafür die Unterstützung von Fed-Kritikern wie der demokratischen Senatorin Elizabeth Warren, die der US-Notenbank unter Powell eine zu große Rücksichtnahme auf den Finanzsektor und insbesondere auf Großbanken vorwerfen. Bei Republikanern ist Raskin allerdings weniger beliebt, weshalb es für sie laut "CNBC" im Senat eng werden könnte. Denn alle neuen Kandidaten für die Fed müssen nach ihrer Nominierung im Bankenausschuss des Senats Rede und Antwort stehen und vom Plenum der Parlamentskammer bestätigt werden, wo die Demokraten nur eine sehr knappe Mehrheit besitzen.
Experten geben mit Blick auf neue Banken-Regeln allerdings zu bedenken, dass die Geldhäuser seit der Finanzkrise 2008 ohnehin deutlich weniger Risiken eingehen würden. "Die Banker werden überrascht sein, dass die Rhetorik vielleicht ein bisschen extremer ausfallen wird. Aber das Wesentliche? [...] Es ist nicht so, als ob sie viele Risiken eingehen würden", äußerte sich etwa Christopher Whalen, Gründer von Whalen Global Advisors und ehemaliger Fed-Beamter, laut "CNBC" mit Blick auf Raskin gelassen. Krishna Guha von Evercore ISI erwartet laut der US-Nachrichtenseite von ihr zwar eine "wesentlich strengere Linie bei der Regulierung" als von ihrem Vorgänger, geht aber auch davon aus, dass sie in vielen Bereichen "pragmatisch" handeln werde.
Die größeren Auswirkungen könnte Raskin auf bisherigen Nebenschauplätzen haben wie dem Übergang zu einer grünen Wirtschaft. Denn laut "Finanz und Wirtschaft" hat sich Sarah Bloom Raskin bereits in der Vergangenheit dafür stark gemacht, dass die US-Notenbank eine aktivere Rolle im Kampf gegen den Klimawandel einnehmen solle. Denkbar seien dabei etwa neue Regeln für die Kreditvergabe an emissionsschwere Unternehmen aus dem Energiesektor. Auch aufgrund dieser Aussagen kommt von Republikanern Kritik an der Kandidatin von Biden. Sie sehen ein solches Vorgehen nicht durch das Mandat der Fed gedeckt, das vor allem die Schaffung von stabilen Preisen und Vollbeschäftigung vorsieht. Allerdings haben laut "Washington Post" auch schon Fed-Chef Powell und die designierte Vize-Chefin Brainard über die "enge aber anwendbare Rolle" der US-Notenbank im Kampf gegen den Klimawandel gesprochen, die sich etwa in neuen Richtlinien für große Firmen oder Banken niederschlagen könnten. Sollte es Raskin durch die Abstimmung im Senat schaffen, dürfte ein Vorgehen in diese Richtung in den kommenden Jahren also deutlich wahrscheinlicher werden.
Cook und Jefferson könnten Wirtschaftsverständnis der Fed langfristig ändern
Außer Sarah Bloom Raskin sollen auch Lisa Cook und Philip Jefferson als neue Gouverneure der US-Notenbank fungieren. Beide gelten laut "CNBC" als geldpolitische "Tauben", bevorzugen also eine lockere Geldpolitik. Die Fed bewegt sich allerdings - nach Jahren der ultralockeren Politik - momentan auf eine falkenhaftere Herangehensweise zu und bereitet die Straffung der Geldpolitik vor. Bereits im März könnte der Leitzins erhöht werden, ebenfalls in diesem Jahr könnte die Fed damit beginnen, ihre angeschwollene Bilanz zu reduzieren.
Von den "neuen Tauben" Cook und Jefferson wird dennoch nicht erwartet, dass sie sich gegen den geplanten geldpolitischen Kurs stellen werden. "Wir denken, dass es ein Fehler wäre anzunehmen, dass sie bei ihrer Ankunft einen harten taubenhaften Block formen und sich dem falkenhaften Wandel entgegenstellen würden, der gerade in der Fed-Politik im Gange ist", so Krishna Guha von Evercore ISI laut "CNBC". Stattdessen würden beide seiner Ansicht nach wie andere ehemalige Tauben angesichts der hohen Inflation die Notwendigkeit einer Zinserhöhung sehen und unterstützen.
Die beiden neuen Gouverneure könnten jedoch auf eine andere Weise deutlichen Einfluss auf die Art ausüben, wie die Fed die Wirtschaft sieht und versteht. Denn sowohl Lisa Cook als auch Philip Jefferson sind Afro-Amerikaner - und wie die "Washington Post" schreibt, erfahren vor allem diese in den USA eine andere Wirtschaft als andere ethnische Gruppen. Wenn sie jedoch stärker in der Führungsriege der Fed vertreten sind, könnte diese ein stärkeres Licht auf die wirtschaftlichen Ungleichheiten in den USA - wie etwa die deutlich höhere Arbeitslosigkeit unter Schwarzen - werfen und zu einer neuen Sichtweise auf die Wirtschaft selbst führen. "So gut die Absichten von Jay Powell auch sein mögen, braucht es vielleicht ein paar Vorstandsmitglieder, die persönlicher betroffen und erfahren darin sind, was die Probleme sein könnten", so der Wirtschaftsprofessor William Spriggs gegenüber "Washington Post".
Werden beide vom Senat bestätigt, säßen im Vorstand der Fed erstmals in der Geschichte der Notenbank zwei afro-amerikanische Gouverneure gleichzeitig. Zusammen mit den anderen von US-Präsident Biden geplanten Personalien wäre der Gouverneursrat der Fed außerdem so divers wie nie. Lediglich zwei weiße Männer wären mit Jerome Powell und Christopher Waller noch in dem Gremium vertreten. Auch wenn die neuen Amtsinhaber aktuell mit der geldpolitischen Wende schon genug zu tun haben dürften, um auch noch zusätzlich umfassende Veränderungen voranzutreiben, so könnte sich dies in Zukunft durch die eingebrachten neuen Sichtweisen womöglich ändern. Immerhin haben die neuen Gouverneure 14 Jahre Zeit dafür.
Redaktion finanzen.net
Weitere News
Bildquellen: blvdone / Shutterstock.com, spirit of america / Shutterstock.com