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Neue Inflationsdaten für Deutschland: Inflationszahlen fallen für August noch höher als erwartet aus

30.08.22 16:10 Uhr

Neue Inflationsdaten für Deutschland: Inflationszahlen fallen für August noch höher als erwartet aus | finanzen.net

Die kurzzeitige Entspannung für Deutschlands Verbraucher ist verpufft: Die Teuerungsrate kratzt wieder an der 8-Prozent-Marke.

Nach zwei Monaten mit rückläufigen Werten sprang sie im August auf 7,9 Prozent. Volkswirte machen den Menschen wenig Hoffnung: Sie erwarten in Europas größter Volkswirtschaft in den kommenden Monaten zweistellige InflationsratenBundeskartellamt versicherte, es wache "mit Argusaugen" über die Preisentwicklung etwa im Lebensmittelhandel und an Tankstellen.

Seit Monaten sind Energie und Lebensmittel die größten Inflationstreiber. Der russische Angriff auf die Ukraine sowie Lieferengpässe haben die Lage noch verschärft. Im August kosteten Heizöl, Kraftstoffe und Strom vorläufigen Berechnungen des Statistischen Bundesamtes zufolge in der Summe 35,6 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Auch Nahrungsmittel verteuerten sich mit 16,6 Prozent überdurchschnittlich, wie die Behörde am Dienstag mitteilte. Die Verbraucherpreise insgesamt legten von Juli auf August um 0,3 Prozent zu.

Höhere Teuerungsraten schmälern die Kaufkraft von Verbraucherinnen und Verbrauchern, weil sie sich für einen Euro dann weniger leisten können. Lohnsteigerungen werden von der Inflation mehr als aufgezehrt. Unter dem Strich haben die Menschen weniger Geld in der Tasche. Im zweiten Quartal beschleunigte sich der Reallohnverlust auf 4,4 Prozent.

Viele Menschen schränken ihren Konsum bereits ein, um den täglichen Bedarf bewältigen zu können. In einer Umfrage im Auftrag des Bankenverbandes BdB gaben sieben von zehn Befragten an, sie hielten sich bei Ausgaben wegen der Teuerung zurück.

Das bremst den privaten Konsum als wichtige Stütze der Konjunktur aus. "Die Furcht vor deutlich höheren Energiekosten in den kommenden Monaten zwingt viele Haushalte zur Vorsorge", erläuterte GfK-Konsumforscher Rolf Bürkl jüngst. Das Konsumklima setze seine steile Talfahrt fort.

Die Entlastungspakete des Staates hatten zumindest kurz für Entspannung gesorgt. Nachdem die jährliche Teuerungsrate im Mai auf 7,9 Prozent nach oben geschnellt war, ging es für zwei Monate nach unten: 7,6 Prozent im Juni und 7,5 Prozent im Juli.

Der auf drei Monate befristete Tankrabatt sowie das 9-Euro-Ticket für den öffentlichen Personennahverkehr dämpften den Preisauftrieb etwas. Beide Maßnahmen laufen jedoch Ende August aus. Allein deshalb dürfte nach Einschätzung von Ökonomen die Teuerung anziehen.

"Es gibt derzeit kaum Güter, die nicht teurer werden", sagte Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. Im Oktober werde sich dann die Gasumlage kräftig bemerkbar machen. "Die Inflationsrate dürfte im Oktober über die Marke von 10 Prozent springen."

Auch die Bundesbank hält es für möglich, dass die Inflationsrate gemessen am sogenannten harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) im Herbst 10 Prozent erreichen wird. "Für zusätzlichen Auftrieb sorgen in den nächsten Monaten die Anhebung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns und die Abwertung des Euro", heißt es im jüngsten Monatsbericht der Bundesbank. Im August lag der HVPI, den die Europäische Zentralbank für ihre Geldpolitik heranzieht, in Deutschland bei 8,8 Prozent. Die EZB strebt für den gemeinsamen Währungsraum ein stabiles Preisniveau bei einer jährlichen Teuerungsrate von 2 Prozent an.

Das Bundeskartellamt nimmt die Preisentwicklung nach eigenen Angaben noch genauer unter die Lupe als sonst. "Wir kriegen viele Beschwerden zu den Preissteigerungen", sagte der Präsident der Wettbewerbsbehörde, Andreas Mundt. Im Lebensmittelhandel habe die Behörde in der Branche deshalb bereits um Aufschluss über die Hintergründe von Preiserhöhungen gebeten. "Wir verfolgen das mit Argusaugen", sagte Mundt. Auch bei den Ölkonzernen ist das Kartellamt Mundt zufolge besonders aufmerksam - nicht zuletzt mit Blick auf das bevorstehende Auslaufen des Tankrabatts.

Inflationsraten auf dem derzeitigen Niveau gab es im wiedervereinigten Deutschland noch nie. In den alten Bundesländern muss man in der Zeitreihe bis in den Winter 1973/1974 während der Ölkrise zurückgehen, um ähnlich hohe Werte zu finden.

Die Inflation setzt die EZB unter Druck, mit höheren Zinsen gegenzusteuern. "Hoffentlich ringt sich die EZB auf ihrer Sitzung nächste Woche zu einem großen Zinsschritt von 0,75 Prozentpunkten durch", mahnte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Die erste Zinserhöhung seit elf Jahren hatten die Euro-Währungshüter im Juli beschlossen. Die nächste EZB-Sitzung ist am 8. September.

Anhaltend hoher Inflationsdruck

Seit Monaten hält sich die allgemeine Teuerungsrate hartnäckig über der Marke von sieben Prozent, auch wenn es zuletzt dank staatlicher Entlastungen etwas Entspannung gab. Im Herbst könnte die Inflation in Deutschland allerdings bereits wieder steigen.

Im Juli 2022 lagen die Verbraucherpreise in Deutschland nach Berechnungen der Wiesbadener Statistiker um 7,5 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Im Juni hatte die Jahresteuerungsrate 7,6 Prozent betragen, im Mai waren es sogar 7,9 Prozent.

Höhere Teuerungsraten schmälern die Kaufkraft von Verbraucherinnen und Verbrauchern, weil sich diese für einen Euro weniger leisten können. Studien zufolge sind einkommensschwache Haushalte überdurchschnittlich stark von hoher Inflation betroffen.

Mit einem auf drei Monate befristeten Tankrabatt und einem 9-Euro-Ticket für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) versucht die Bundesregierung, die Menschen zu entlasten. Nach dem Auslaufen dieser beiden Maßnahmen Ende August dürfte die Inflationsrate nach Einschätzung von Ökonomen wieder spürbar ansteigen.

Die Bundesbank hält es für möglich, dass die deutsche Inflationsrate gemessen am sogenannten harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) im Herbst "eine Größenordnung von zehn Prozent" erreichen wird. Im Juli lag der HVPI, den die Europäische Zentralbank (EZB) für ihre Geldpolitik heranzieht, für Deutschland bei 8,5 Prozent. Die EZB strebt für den gemeinsamen Währungsraum ein stabiles Preisniveau bei einer jährlichen Teuerungsrate von zwei Prozent an.

"Für zusätzlichen Auftrieb sorgen in den nächsten Monaten die Anhebung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns und die Abwertung des Euro", prognostiziert die Bundesbank in ihrem aktuellen Monatsbericht mit Blick auf Deutschland. "Außerdem soll im Oktober eine Umlage auf die Gastarife eingeführt und gleichzeitig der Mehrwertsteuersatz auf Gas gesenkt werden."

Das Thema Inflation werde 2023 nicht verschwinden, sagte Bundesbank-Präsident Joachim Nagel jüngst in einem Interview der "Rheinischen Post". Lieferengpässe und geopolitische Spannungen dürften fortwirken. Im Juni hatte die Bundesbank für 2023 eine Teuerungsrate von 4,5 Prozent vorhergesagt. "Inzwischen hat Russland seine Gaslieferungen drastisch reduziert, und die Preise für Erdgas und Elektrizität sind stärker gestiegen als erwartet. Die Wahrscheinlichkeit wächst, dass die Inflation höher ausfällt als bislang prognostiziert und wir im nächsten Jahr im Schnitt eine sechs vor dem Komma haben", sagte Nagel in dem Interview.

Ökonomen-Stimmen zur Inflation in Deutschland

Der Preisauftrieb in Deutschland hat sich im August beschleunigt. Die Verbraucherpreise lagen um 7,9 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag anhand vorläufiger Daten mitteilte. Zuvor war die jährliche Teuerungsrate zwei Monate in Folge gesunken, im Juli lag sie bei 7,5 Prozent. Von Juli auf August legten die Verbraucherpreise um 0,3 Prozent zu, nach plus 0,9 Prozent von Juni auf Juli. Stimmen von Ökonomen im Überblick:

Ralph Solveen, Volkswirt Commerzbank:

"All dies sind keine guten Aussichten für die deutsche Wirtschaft. Denn der starke Anstieg der Verbraucherpreise lässt die Kaufkraft der privaten Haushalte erodieren. Zudem erhöhen die weiter steigenden Inflationsraten - morgen dürfte für den Euroraum eine August-Inflationsrate von etwa 9 Prozent gemeldet werden - den Druck auf die EZB, ihren Leitzins schneller anzuheben."

Ralf Umlauf, Volkswirt Landesbank Hessen-Thüringen:

"Der Preisanstieg hat an Schwung verloren, wie die Monatsveränderung zeigt. Von Entspannung kann aber keine Rede sein, worauf der Anstieg der Jahresinflationsrate hinweist. Zudem sollte nicht vergessen werden, dass im Herbst mit weiteren deutlichen Preisschüben vor allem bei Energie zu rechnen ist. Die EZB bleibt gefordert, eine glaubwürdige Antiinflationspolitik zu betreiben. Ein kräftiger Zinsschritt im September könnte dies untermauern."

Thomas Gitzel, Chefökonom VP-Bank:

"Steigende Lebensmittelpreise, höhere Energie- und Wohnkosten gehören im August zu den Haupttreibern. Doch letztlich handelt es sich um einen breiten Preisanstieg. Es gibt derzeit kaum Güter, die nicht teurer werden. Es kommt aber noch dicker: Im September schlägt der Wegfall des Tankrabatts und des 9-Euro-Tickets zu Buche. Im Oktober wird sich dann die Gasumlage kräftig bemerkbar machen. Die Inflationsrate dürfte im Oktober über die Marke von 10 Prozent springen."

Jörge Zeuner, Chefvolkswirt Union Investment:

"Wir rechnen im vierten Quartal mit zweistelligen Inflationsraten in Deutschland. Erst im Lauf des Jahres 2023 ist ein langsamer Rückgang wahrscheinlich. Das hat deutlich negative Auswirkungen auf die Wirtschaft. Die hohen Preise belasten den Konsum, und die Konjunktur verliert in diesem Umfeld weiter an Fahrt. Um eine Rezession in Deutschland kommen wir nicht herum."

WIESBADEN (dpa-AFX) / Dow Jones Newswires

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