Billionen-Paket für die EU: Verhandlungen mit dem Parlament gestartet
Nächste Runde im Ringen um die Finanzierung der Europäischen Union: Zum Start von Verhandlungen mit den EU-Staaten haben Europaabgeordnete Nachbesserungen an dem 1,8 Billionen Euro schweren Haushalts- und Konjunkturpaket gefordert, das die Staats- und Regierungschefs Mitte Juli vereinbart hatten.
Erste Gespräche am Donnerstag seien konstruktiv verlaufen, aber der echte Kraftakt zur Einigung komme erst noch, erklärte die deutsche EU-Ratspräsidentschaft.
Das Parlament verlangt mehr Mitsprache sowie mehr Geld für Klimaschutz, Forschung und Studenten. Außerdem soll EU-Staaten der Geldhahn zugedreht werden können, wenn sie Rechtsstaat oder Demokratie missachten.
Die CSU-Abgeordnete Angelika Niebler, Co-Vorsitzende der deutschen Unionsabgeordneten, sagte: "Ich erwarte, dass die deutsche Ratspräsidentschaft Pragmatismus und Flexibilität zeigt, damit wir die dringend benötigten Verbesserungen bei der Rechtsstaatlichkeit und den Zukunftsthemen Forschung, Klima, Erasmus und Migration erreichen."
Die EU-Staaten sehen jedoch wenig Spielraum. "Diese Vereinbarung ist das Ergebnis eines sehr schwierigen und hart errungenen Kompromisses unter den EU-Mitgliedsstaaten", sagte ein EU-Diplomat. "Viele haben nur unter großen Schmerzen zustimmen können. Wer hier einen Baustein verändert, gefährdet die Stabilität des gesamten Bauwerks." Der Zeitdruck sei hoch. Gerade in der Corona-Wirtschaftskrise müssten die Mittel rasch fließen.
Ein EU-Sondergipfel hatte sich auf einen Finanzrahmen von 1074 Milliarden Euro für die Jahre 2021 bis 2027 geeinigt. Hinzu kommen soll ein Programm zur wirtschaftlichen Erholung nach der Corona-Krise im Umfang von 750 Milliarden Euro, das über gemeinsame Schulden finanziert wird. Ohne ein Ja des Europaparlaments kann der Haushaltsplan nicht pünktlich zum 1. Januar in Kraft treten.
"Wenn es keine Änderungen gibt, dann werden wir dem nicht zustimmen", sagte der Grünen-Abgeordnete und Parlaments-Unterhändler Rasmus Andresen. Die Verhandlungen mit den EU-Staaten seien in vier Runden bis zum 18. September angesetzt. Es könne aber auch länger dauern. Womöglich werde die Schlussabstimmung im Europaparlament nicht im September, sondern erst im November oder Dezember stattfinden.
Unter anderem fordern die Abgeordneten eine klare Regelung zur Kürzung von EU-Geldern für Mitgliedsstaaten, die gegen Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit wie Unabhängigkeit der Justiz oder Medienfreiheit verstoßen. In einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Kommissionschefin Ursula von der Leyen hatten die großen Fraktionen im Europaparlament erklärt, ohne Rechtsstaatsmechanismus werde der Haushaltsplan nicht angenommen. Dahinter stehen Christdemokraten, Sozialdemokraten, Liberale und Grüne. Um den Punkt dürfte es noch viel Streit geben. Im Visier sind Länder wie Ungarn und Polen, denen Verstöße vorgeworfen werden. Sie wehren sich vehement gegen den Rechtsstaatsmechanismus.
Wichtig ist dem Parlament auch die Erschließung neuer Geldquellen. Die Staats- und Regierungschefs hatten sich bereits auf die Einführung einer Abgabe auf nicht recycelte Plastikabfälle am 1. Januar 2021 geeinigt. Doch das Europaparlament will mehr. Nötig seien verbindliche Zusagen für weitere Eigenmittel wie eine Digitalsteuer oder eine Kerosinabgabe, erklärte der SPD-Abgeordnete Jens Geier. Die neuen Einnahmen sollen auch dazu dienen, die Schulden für das Corona-Konjunkturprogramm in den nächsten Jahrzehnten zu tilgen. "Die Rückzahlung dieser Zinsen darf jedenfalls nicht zulasten bestehender EU-Programme fallen", betonte Geier.
/vsr/DP/stw
BRÜSSEL (dpa-AFX)
Weitere News
Bildquellen: Iurii Konoval / Shutterstock.com