Hier stimmt was nicht! Für Jäger und Sammler

von Jörg Lang, Euro am Sonntag

Während unsere zu wagemutigen Vorfahren durch Bären, Wölfe und andere Raubtiere aus dem Genpool entfernt wurden, haben sich die Vorsichtigen durchgesetzt. Wer allerdings hinter jeder Ecke Gefahren sieht, wird ebenfalls zu Fehlentscheidungen verleitet. Das gilt bis heute, auch an der Börse. Rationale Überlegungen fallen zum Beispiel dann schwer, wenn Unternehmen verschiedene Sparten haben, die unterschiedliche Ergebnisse beisteuern. Man muss lernen, dass auch ein schlechter Sektor am Ende nur selten weniger als null wert ist. So gesehen erscheinen die Aktien von Biotest und Logwin in einem anderen Licht.

Biotest ist ein Hersteller von Blutplasmaprodukten. Diese werden etwa bei Erkrankungen des Immunsystems eingesetzt. Im Moment wird Biotest mit 1,4 Milliarden Euro bewertet. Das ist auf den ersten Blick großzügig, liegen die Relationen doch leicht über denen des Marktführers Grifols. Doch hier unterliegen wir der Negativverzerrung. Biotest entwickelt nämlich auch drei Wirkstoffe, die mit dem Stammgeschäft wenig zu tun haben, in Zukunft aber hohe Gewinne bringen können. Die Kosten dafür belasten den Gewinn und damit die Bewertung. Wer diese Kosten nicht als Negativbelastung auffasst, sondern deren Nutzen und Lasten objektiv abwägt, muss zu einem anderen Szenario kommen. Werden die Pipelineprodukte ein Erfolg, dann steigen die Gewinne des Konzerns und die Aktie stark an. Floppen alle Produkte und die Entwicklung muss eingestellt werden, fallen die Kosten, die mit dem Stammgeschäft heute verrechnet werden, weg. Folge: Die Gewinne von Biotest steigen an, die höhere Bewertung im Vergleich zum Marktführer wird schnell zu einem Discount.

Während Jäger und Sammler bei Biotest noch etwas Geduld benötigen, wird sich die Asymmetrie verschiedener Bereiche beim Logistikkonzern Logwin schneller auflösen. Erfahrene Anleger werden sich noch an die Vorgängerfirma Thiel Logistik erinnern, die zu Neue-Markt-Zeiten hoch flog und später kurz vor der Pleite stand.

Logwin wurde über Jahre hinweg saniert, Schulden wurden abgebaut. Unterm Strich schaffte Logwin allerdings bis 2013 keine schwarze Zahlen. Zwar brachte der Bereich See- und Luftfracht hohe Gewinne, die Sparte Kontraktlogistiklösung schrieb aber rot. Ursache waren unter anderem Sonderabschreibungen, da Logwin den Problembereich kräftig zusammenstutzte und Verlustbringer verkaufte. Überraschenderweise konnte das Unternehmen für die schlecht laufenden Töchter sogar Geld einnehmen. Offensichtlich waren diese mehr als null wert. Weil nun auch die Sparte Kontraktlogistik schwarze Zahlen schreibt, springt das Nettoergebnis in die Gewinnzone.