Maschinenbau

VDMA-Präsident: Der Aufschwung setzt sich fort

aktualisiert 10.04.11 09:34 Uhr

VDMA-Präsident Thomas Lindner rechnet auch 2011 mit einer Fortsetzung des Aufwärtstrends. Doch nach der jüngsten Rezession bleibt die Branche auf der Hut.

von Thomas Schmidtutz, €uro am Sonntag

Die deutschen Maschinenbauer sehen sich für eine mögliche Energiewende in Deutschland gut gerüstet. Beim Thema CO2-Verringerung und Energieeffizienz könne man „Lösungen in allen Bereichen anbieten“, wirbt der Präsident des Maschinenbauverbands VDMA, Thomas Lindner, im Interview mit €uro am Sonntag für seine Branche. Im Vorfeld der Hannover Messe spricht Lindner über das Verhältnis zu den Grünen, den Fachkräftemangel und die Rolle Chinas.

€uro am Sonntag: Herr Lindner, Sie stehen seit Anfang Oktober an der Spitze des VDMA. War der Start ins neue Amt so turbulent, wie Sie es erwartet hatten?
Thomas Lindner:
Ich habe den Start nicht als turbulent empfunden. Ich hatte einfach die Freude, mit meinem Amtsantritt gute Zahlen verkünden zu dürfen.

Allerdings. Allein im Januar hat der Auftragseingang im deutschen Maschinenbau um 46 Prozent zugelegt, nachdem es schon in den Vormonaten satt zweistellig nach oben gegangen ist. Ist ein Ende in Sicht?
Alle Indizien sprechen dafür, dass sich der Aufschwung fortsetzt – zumindest in diesem Jahr. Und es gibt aus heutiger Sicht auch nichts, was uns da beeinträchtigen könnte. Aber zu Euphorie besteht dennoch kein Anlass.

Ist das die klassi­sche Zurückhaltung des deutschen Mittelstands?
Nein. Das ist die Lehre aus dem jüngsten Absturz. Die meisten Unternehmerkollegen, mit denen ich spreche, sind eher zurückhaltend. Kaum einer hat 2008, 2009 mit einem solch steilen Absturz gerechnet. Und im Vorjahr ging es genauso unerwartet wieder steil bergauf. Das ist eine sehr merkwürdige Stimmung. Im Grunde genommen müsste sich die Branche „freuen wie Bolle“. Aber die allermeisten Unternehmer sind eher zurückhaltend.

Die meisten Unternehmen sind gebrannte Kinder?
Ja. Die jüngste Rezession war die schlimmste seit Jahrzehnten. Es ging steil bergab. Es ist psychologisch ein Riesenunterschied, ob Sie in einem mehrjährigen Abwärts­trend drin sind oder in einem steilen Absturz. Im zweiten Fall kann sich jeder ausrechnen, wie lange er das noch durchhält. Deshalb ist das Bewusstsein da, wie schnell sich die Welt ändern kann. Wer sagt uns denn, dass uns der Finanzsektor nicht wieder um die Ohren fliegt? Deshalb sind alle vorsichtig. Ich sehe nirgendwo Euphorie oder Leichtsinn.

Wann werden wir das Vorkrisenniveau von 2008 wieder erreichen? Schon in diesem Jahr?
Das glaube ich noch nicht. Wir lagen im Vorjahr trotz der kräftigen Erholung um 18 Prozent unter dem Vorkrisenniveau. Es gibt also immer noch einen erheblichen Nachholbedarf.

Nun haben die Grünen bei zwei Landtagswahlen gerade historisch starke Ergebnisse erzielt. Beunruhigt?
Nein. Wechsel in der Regierungsverantwortung gehören zur Demokratie.

Aber in BadenWürttemberg werden mit Winfried Kretschmann wohl erstmals die Grünen den Ministerpräsidenten stellen. Rechnen Sie mit einer Zeitenwende?
Nein. Die neuen Koalitionspartner sind uns nicht fremd. Wir haben bereits in der Vergangenheit vielfach mit den Vertretern von SPD und Grünen diskutiert. Dabei gab es – insbesondere mit dem baden-württembergischen SPD-Vorsitzenden Nils Schmid – nicht nur Dissens, sondern auch bemerkenswerte Übereinstimmungen bei notwendigen Infrastrukturinvestitionen in den Bereichen Bildung, Verkehr und Forschung. Winfried Kretschmann gilt als wertkonservativer Grüner, dem sehr viel an der Bewahrung unserer natürlichen Lebensgrundlagen liegt. Er kennt die Bedürfnisse unserer mittelständi­schen, oft familiengeführten Unternehmen. Auch bei den Megathemen Energieeffizienz und Ausbau der re­ge­nerativen Energien können wir uns pragmatische Lösungen vorstellen. Wir alle wissen, dass wir in der Ener­giepolitik umdenken müssen.


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Am Montag öffnet die Hannover Messe ihre Tore. Erwarten Sie, dass regenerative Energien angesichts der Diskussion um die Ener­giewende nun noch stärker im Mittelpunkt stehen, als dies ohnehin der Fall gewesen wäre?
In Hannover wird sehr vieles mit der extrem breiten Angebotspalette im Bereich der neuen Energien präsentiert. In Anbetracht der öffentlichen Diskussion wäre es normal, wenn Angebote zur Ressourcenschonung noch mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Das sind noch keine Aufträge. Aber eines ist ganz klar: Der ­Maschinenbau hat beim Thema CO2-Verringerung und Energie­effizienz Kernkompetenzen und kann Lösun­gen in allen Bereichen anbieten.

Zuletzt hat die ­Japan-Krise für Vorsicht unter Volkswirten gesorgt. Befürchten Sie Liefer­engpässe?
Im Moment betrifft das nur einzelne Unternehmen. Selbst Großkonzerne dürften derzeit nur schwer den Überblick über die möglichen weiteren Konsequenzen haben. Aber ich gehe davon, dass die Japan-Krise die deutsche Wirtschaft und den deutschen Maschinenbau deutlich weniger trifft als vielfach gedacht. Man muss eines sehen: Wir haben es nur zum Teil mit der Zerstörung von Fabriken zu tun. Das Hauptproblem ist, dass die ganze Logistik und Infrastruktur – also Straßen, Stromleitungen oder Hafenanlagen – stark getroffen sind. Und das scheint mir doch eher reparabel zu sein als eine zerstörte Fabrik. Aber natürlich weiß niemand, was mit den Atomkraftwerken passiert.

Nach der Krise ist der Personalbedarf stark gestiegen. Ingenieure sind wieder knapp. Im November fehlten allein im deutschen Maschinenbau 5000 Ingenieure. Hat sich diese Situation mit dem jüngsten Aufschwung noch weiter verschärft?
Ja. Wir gehen davon aus, dass wir derzeit bei 6.000 Ingenieu­ren liegen und uns zum Jahresende eher 10 000 Ingenieure fehlen. Und die Lücke wird in den kommenden Jahren tendenziell immer größer.

Was muss anders werden, um den Bedarf langfristig ­einigermaßen zu decken?
Das geht schon zu Hause los. Die Mädchen kriegen Puppen, die Jungs technisches Spielzeug. Dabei werden da die Weichen gestellt.

Sie haben einen Sohn und eine Tochter. Wie war es denn bei Ihnen zu Hause?
Genauso, leider. Die Erkenntnis kam mir auch zu spät. Wir können uns in der Politik und den Verbänden abstrampeln, wie wir wollen: Wenn wir es nicht schaffen, in den Elternhäusern das Bewusstsein für den Stellenwert, den Spaß und die Freude an Technik zu schaffen, werden wir da immer ein Problem haben. Und wenn in der Öffentlichkeit Technik immer mit ihren Problemen diskutiert wird und nicht mit ihren Chancen, müssen wir uns über diese Entwicklung nicht wundern.

Um den Fach­kräftebedarf zu decken, gab es auch Überlegungen, die Hürden für ausländische Spezialisten zu senken. So haben die Verbände gefordert, die Verdienstgrenzen von derzeit 66 000 Euro auf rund 40.000 Euro zu senken – bislang vergeblich?
Die Bundesregierung hat offenbar den Eindruck, dass wir nur noch Fachhochschulprofessoren nach Deutschland holen wollen.

Haben Sie die Hoffnung, dass dazu noch in dieser Legislaturperiode etwas passiert?
Not lernt kriechen.

Also nein?
Wir werden es dann ändern, wenn die Auswirkungen so dramatisch sind, dass man die Augen davor nicht mehr verschließen kann. Aber man soll die Hoffnung nie aufgeben. Das Problem ist: Wenn die Leute nicht zu uns kommen, kommen wir zu den Leuten.

Das heißt, in den kommenden Jahren werden immer mehr Entwicklungskapazitäten in anderen Ländern aufgebaut?
Das ist eine mögliche Kon­sequenz. Irgendwie müssen sich die Unternehmen ja behelfen.

Haben Sie den Eindruck, dass die Politik die Dringlichkeit des Problems verstanden hat?
Das würde ich unterstellen.

Warum passiert dann nichts?
Tja. Es gibt wohl die Befürchtung, dass wir von ausländischen Fachkräften überschwemmt würden. Aber das ist eine Illusion. Viele dieser Länder haben ja selbst ein hohes Wirtschaftswachstum. Warum sollte ein Inder nach Deutschland kommen, wenn er relativ zu seinen Lebenshaltungskosten in seinem Heimatland mehr verdient als in Deutschland?

Der chinesische Markt wird immer wichtiger. Die Unternehmensberatung Roland Berger sagt: „Wer langfristig mitspielen will, braucht eine Fertigung in China.“ Also alle Mann auf nach China?
Zunächst bin ich generell hinsichtlich der Beratungsempfehlun­gen sehr skeptisch, was die Interessensneutralität der Berater betrifft. Aber natürlich werden wir Ressourcen in diesen Ländern aufbauen müssen. Wenn ein Land wie China sich zu einem gigantischen Markt entwickelt, kann man nicht die Illusion haben, dass sich das alles aus den USA oder Europa bedienen lässt. Man muss Know-how erwerben und auch vor Ort produzieren. Kurzfristig mag das eine Delle geben, weil man Kapazitäten stilllegt oder verlagert. Aber in der Regel bedienen Sie Wachstum. Wenn wir uns in diesen Ländern wettbewerbsfähig aufstellen, ist das der beste Weg, um Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern.