thyssenkrupp-Aktie zieht an: Anleger setzen auf mögliche Zerschlagung
Der nächste Rückzug eines Konzernlenkers kam am Dienstag bei den Anlegern von thyssenkrupp außerordentlich gut an.
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Die Aktie baute ihre Gewinne an der DAX-Spitze im Xetra-Handel mit zuletzt 9,13 Prozent auf 22,48 Euro aus, nachdem Ulrich Lehner am Vorabend ankündigte, sein Mandat als Vorsitzender des Aufsichtsrats zum Monatsende niederzulegen. Er nannte das mangelnde Vertrauen der großen Aktionäre als Grund für sein Ausscheiden.
Mit dem Abgang von Lehner rutscht der Stahl- und Industriekonzern zwar immer tiefer in eine Führungskrise, nachdem kürzlich schon Konzernchef Heinrich Hiesinger zurückgetreten war. Börsianern zufolge hoffen Anleger nun aber darauf, dass dadurch der Weg für eine tiefergehende Restrukturierung frei wird. Wie es heißt, werde der Druck von Investorenseite immer größer, nach der Auslagerung der Stahlsparte in ein Gemeinschaftsunternehmen mit der indischen Tata weitere Werte freizusetzen, die in dem Konzern schlummern.
Ein Händler mutmaßte, dass alleine die Aufzugsparte mehr Wert sei als die aktuelle Marktkapitalisierung von thyssenkrupp. Derzeit beträgt diese etwas mehr als 13 Milliarden Euro, womit die Aktie im Dax allenfalls ein Mitläufer ist. Unter den 30 Indexmitgliedern sind derzeit lediglich die Commerzbank und die Lufthansa am Markt noch niedriger bewertet.
Der Rücktritt von Lehner sei Wasser auf die Mühlen derer, die unter einer neuen Konzernführung auf mehr Offenheit gegenüber Anteilsverkäufen setzen, schrieb Commerzbank-Analyst Ingo-Martin Schachel am Morgen in einer ersten Reaktion. Er verwies darauf, dass Lehner die diversifizierte Konzernstruktur bis zuletzt verteidigte, während Großaktionäre wie die aktivistischen Investoren Cevian oder Elliott auf eine Aufspaltung drängen.
Auch die Haltung des größten Aktionärs, der Krupp Stiftung, ist neuerdings umstritten. Am Sonntag hatte das "Handelsblatt" berichtet, die Vorsitzende der Stiftung Ursula Gather habe schon vor zwei Jahren Gespräche über eine Fusion der Aufzugsparte mit jener des finnischen Rivalen Kone geführt. Die Stiftung reagierte nun mit der Aussage, dass die langfristige Stabilität von thyssenkrupp höchste Priorität genieße. "Die damit verbundenen Aufgaben wird die Stiftung im Sinne des Stifterwillens, die Einheit des Unternehmens möglichst zu wahren, auch weiterhin verantwortlich wahrnehmen", bekräftigte Gather.
Jefferies-Analyst Seth Rosenfeld wähnt das Unternehmen vor diesen Hintergründen an einem Scheideweg. Er habe nach Hiesingers Abschied schon gedacht, dass damit "noch nicht alle Karten auf dem Tisch sind". Da mit Lehner nun ein langjähriger Unterstützer von Hiesinger abtrete, dürften die aktivistischen Investoren aus dem derzeitigen Machtvakuum wohl als Sieger hervorgehen.
Laut Rosenfeld macht "die scharf formulierte Rücktrittsankündigung deutlich, dass eine aggressive Restrukturierung durchaus möglich ist." Damit werde immer klarer, dass eine Aufspaltung in der Diskussion sei. Wenn innerhalb der verschiedenen Geschäftsbereiche nach Wertsteigerungen gesucht werde, sei dies von Vorteil für die Aktionäre. Dies könne dazu beitragen, eine Bewertungslücke zu anderen Branchenwerten zu schließen.
Der Kurs von thyssenkrupp hatte in den vergangenen Jahren bereits von der Konsolidierungsfantasie profitiert. Im Februar 2016 hatte die Aktie bei 12,56 Euro ihren tiefsten Stand seit 2012 markiert, dann setzte eine deutliche Erholungsbewegung ein, als sich die Stahlfusion mit Tata mehr und mehr abzeichnete. In den vergangenen zwölf Monaten herrschte wieder Flaute: Fast 18 Prozent haben sie seither verloren, während sich der DAX stabil entwickelte.
FRANKFURT (dpa-AFX)
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