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EZB-Direktorin Schnabel: Keine EZB-Zinsanhebung vor Ende der Nettokäufe

08.12.21 15:21 Uhr

EZB-Direktorin Schnabel: Keine EZB-Zinsanhebung vor Ende der Nettokäufe | finanzen.net

Die Europäische Zentralbank (EZB) sollte sich nach Aussage von EZB-Direktorin Isabel Schnabel bei einer künftigen Straffung ihrer Geldpolitik an die derzeit kommunizierte Reihenfolge halten und ihre Zinsen erst nach dem Ende der Nettoanleihekäufe anheben.

Bei einer Konferenz in Frankfurt plädierte Schnabel außerdem dafür, nach dem Ende des Pandemiekaufprogramms PEPP einen "glaubwürdigen Backstopp" gegen das Risiko einer "Fragmentierung" des Euroraums vorzuhalten.

"Die Umkehrung der kommunizierten Reihenfolge der Instrumente ist unter diesen Umständen keine angemessene politische Reaktion", sagte Schnabel laut veröffentlichtem Redetext. EZB-Ratsmitglied Robert Holzmann hatte kürzlich gesagt, dass er sich durchaus eine Zinserhöhung vor dem Ende der Nettokäufe vorstellen können. Schnabel hielt dem entgegen, dass anhaltend hohe Käufe trotz drohender Risiken für die Preisstabilität, nur um einen Anstieg der langfristigen Renditen zu vermeiden, zu fiskalischer und finanzieller Dominanz führen würde.

Die EZB müsste Schnabel zufolge bei Risiken für die Preisstabilität handeln, und zwar ohne Rücksicht auf Finanzierungsbedürfnisse. "Sollten sich beispielsweise die Inflationserwartungen als Reaktion auf eine anhaltende Periode mit einer Inflation oberhalb unseres Ziels lösen, selbst wenn dies auf negative Schocks auf der Angebotsseite zurückzuführen ist, würde dies eine Verkürzung des Zeithorizonts erfordern", sagte sie.

Die EZB habe im Dezember 2020 trotz einer mittelfristigen Inflationsprognose von nur 1,4 Prozent ihre Anleihekäufe nicht erhöht, sondern sich auf die Sicherung günstiger Finanzierungsbedingungen verlegt. Sie habe ihren mittelfristigen Horizont, innerhalb dessen sie Preisstabilität erreichen wolle, einfach verlängert und damit Risiken für die Finanzstabilität entgegengewirkt. Umgekehrt müsse sie nun auch zu einer Verkürzung des Horizonts bereit sein.

"In diesem Fall darf die Geldpolitik nicht als Geisel der fiskalischen oder finanziellen Dominanz genommen werden - das heißt, selbst wenn die Finanzmärkte empfindlicher auf geldpolitische Änderungen reagieren, müssen die Zentralbanken Wege finden, um die Preisstabilität zu sichern, ohne die Finanzstabilität zu gefährden", sagte Schnabel.

Sie wies aber auf das Risiko hin, dass "überraschende geldpolitische Entwicklungen" in einigen Ländern zu einer ungewollt deutlichen Straffung der Finanzierungsbedingungen führen könnten. "Ein glaubwürdiger Backstopp, der dazu dient, solchen Fragmentierungsrisiken entgegenzuwirken, kann dazu beitragen, vor ungeordneten Bewegungen zu schützen und es der Zentralbank so ermöglichen, sich auf ihr Preisstabilitätsmandat zu konzentrieren", sagte Schnabel. Das PEPP habe im Verlauf der Pandemie effektiv eine solche Backstopp-Funktion erfüllt.

Deutschland noch ohne makroprudenziellen Puffer

EZB-Direktorin Isabel Schnabel hat Deutschland für eine zu zögerliche Umsetzung von Empfehlungen des Systemrisikorats ESRB (European Systemic Risk Board) kritisiert. Schnabel sagte bei einer ESRB-Konferenz in Frankfurt: "Deutschland hat bereits 2019 eine ESRB-Warnung erhalten. Doch obwohl der deutsche Ausschuss für Finanzstabilität vergangene Woche dafür plädierte, dass die makroprudenzielle Politik rasch in den Präventionsmodus zurückkehren sollte, bleibt Deutschland das einzige Land des Euroraums, in dem derzeit keine makroprudenziellen Maßnahmen ergriffen werden. Dabei seien die Indikatoren für die Überbewertung der Immobilienpreise seit Ausbruch der Pandemie um 15 Prozentpunkte gestiegen.

Die Europäische Zentralbank (EZB) ist nicht für makroprudenzielle Maßnahmen zuständig, obwohl ihre Präsidentin Christine Lagarde auch den ESRB leitet. Dieses Politikfeld liegt überwiegend in nationaler Hand. Dem deutschen Ausschuss für Finanzstabilität (AfS) gehören neben der Bundesbank die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) und das Bundesfinanzministerium an.

Deutschland hatte 2019 den makroprudenziellen Puffer, eine zusätzliche Eigenkapitalanforderung an Banken, aktiviert, diesen Schritt aber wegen der Corona-Pandemie wieder rückgängig gemacht.

FRANKFURT (Dow Jones)

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