Börsianer von Marihuana-Aktien bekifft
Cannabis: Die Legalisierung der Droge in Colorado hat auch an der Börse einen wahren Rausch ausgelöst. Anleger wittern bereits ein neues Silicon Valley. Eine Halluzination?
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von Nele Husmann, Euro am Sonntag
Der wohl berühmteste amerikanische Cannabis-Investor heißt Steve Katz. Zugegeben, der republikanische Politiker, der als Abgeordneter im Parlament des Bundesstaats New York sein Dasein fristet, hat sich zuletzt nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Er votierte 2012 gegen die Freigabe von Marihuana zum medizinischen Gebrauch in seinem Heimatstaat - um sich dann im März 2013 bei einer Geschwindigkeitskontrolle mit Haschisch in der Anzugjacke von der Polizei erwischen zu lassen.
Verhaftung, 75 Dollar Strafe, 20 Stunden Sozialarbeit und eine Eingebung verdankt er dieser öffentlichen Blamage: "Das Pot-Knöllchen war eine Erleuchtung", sagte der Tierarzt, der sich 2010 als Tea-Party-Kandidat hatte wählen lassen, gegenüber dem Marihuana-Blog "Smell the Truth". "Ihr macht mich zu einem Kriminellen - das muss ein blöder Witz sein."
Jetzt ist er entschlossen, beim nächsten Wahlgang nicht nur für die komplette Legalisierung von Marihuana zu stimmen, sondern die aufblühende Branche sogar mit seinen eigenen Spargroschen zu unterstützen. Zehn Millionen Dollar will er in den kommenden Jahren in die Haschischindustrie investieren - über die auf Marihuana spezialisierte Research- und Investmentgruppe The Arc Group in San Francisco. "Ich bin jetzt Teil der Welle, die diese Branche aufbaut. Das ist ein großartiges Gefühl. Sehr befreiend."
Diese Begeisterung teilen viele: "Katz ist keine Ausnahme", verkündet Arc-Chef Troy Dayton. "In den vergangenen Monaten ist eine Reihe prominenter und vermeintlich unwahrscheinlicher Investoren zu unserer Anlegergruppe gestoßen. Menschen verschiedenster Herkunft begreifen, dass Cannabis die nächste große amerikanische Industrie sein kann."
Ein 150-Milliarden-Markt
Schon heute wird das Cannabis-Geschäft in den USA auf einen Umsatz von 35 bis 45 Milliarden Dollar geschätzt. Allein 2014 soll der Absatz um 64 Prozent nach oben schnellen. In 20 Bundesstaaten ist bereits die medizinische Verabreichung von Marihuana als Schmerzmittel erlaubt, dazu kommen jetzt Colorado und ab Februar auch der Bundesstaat Washington, die Hasch als Freizeitdroge für Erwachsene in vollem Umfang erlauben. Viele Beobachter erwarten, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis Marihuana in ganz Amerika entkriminalisiert wird. Bei voller Legalisierung kann der Haschischmarkt in zehn Jahren auf 150 Milliarden Dollar wachsen - etwa das Doppelte des US-Tabakmarkts.
Seit das früher als Einstiegsdroge verschriene Kraut in Colorado von jeder Person über 21 legal und frei zugänglich gekauft werden kann, ist Dope in aller Munde. Die Käufer stehen bis zur Straßenecke Schlange, nachmittags ist die Tagesproduktion aller Plantagen in Colorado ausverkauft. Die Entkriminalisierung macht die Droge nicht billiger, wie die meisten Ökonomen theoretisiert hatten, sondern teurer: Der Preis für das legale Kraut ist mit 14 Dollar pro Gramm fast dreimal so hoch wie die lumpigen fünf Dollar, die der Dealer im dämmrigen Park verlangt.
Kein Wunder, dass Anleger glauben, ein neues Silicon Valley vor sich zu haben - wie zu den Zeiten, als Steve Jobs seinen Computer in der Garage bastelte. Am unregulierten Marktplatz OTC Pink Sheet verzeichnen Pennystocks, die die Marihuana-Industrie beliefern wollen, die wildesten Kurssprünge. Die amerikanische Finanzaufsicht Finra warnt bereits vor Betrügern, die mit der Gier auf das nächste große Ding Schindluder treiben.
Die Aktie von Medbox zum Beispiel, einem Hersteller von Cannabis-Verkaufsmaschinen für den medizinischen Gebrauch, stieg Anfang des Monats an einem einzigen Tag um 85 Prozent, als ihr CEO im amerikanischen Börsenfernsehen CNBC auftrat. In der Spitze erreichte sie 200 Dollar. Noch im Dezember dümpelte die Aktie bei zehn Dollar. Dem Mitgründer Vincent Mehdizadeh selbst wurde angesichts des Booms schwindelig: Er warnte Anleger schon beim Aktienkurs von 35 Dollar, dass der Preis ihm aufgeblasen erscheine.
"Viele Aktien sind die klassischen Pump-and-Dump-Betrügereien, wo Promoter den Preis einer dünngehandelten Aktie künstlich aufblasen, selbst verkaufen und den Kurs wie eine Seifenblase platzen lassen", warnt die Finra. "Anleger müssen ganz besonders kritisch ihre Hausaufgaben machen." Der Finanzierungsbedarf der aufblühenden Branche ist real. Denn sowohl Cannabis-Boutiquen mit so beflügelnden Namen wie High Level Health oder Purple Health wie auch die Pot-Plantagen selbst befinden sich hinsichtlich ihres gesetzlichen Status in einer absoluten Grauzone. Sie mögen von ihrem Bundesstaat voll legitimiert sein, doch auf föderaler Ebene gilt Haschisch noch immer als verbotenes Rauschgift. Die gesamte Branche hofft darauf, dass Washington beide Augen zudrückt, obwohl es schon Razzien der Bundespolizei gab.
Zudem müssen Banken den Antidrogengesetzen entsprechend handeln. Das heißt, sie riskieren ihre Lizenz, wenn sie Geschäfte mit der Cannabis-Szene betreiben. Pot-Anbauer und -Boutiquen erhalten deshalb kein Girokonto, geschweige denn einen Kredit. Selbst die Kreditkartenunternehmen scheuen sich vor dem neuen Umsatz. Bestenfalls dürfen Cannabis-Boutiquen dem Kunden eine Barauszahlung verbuchen und das selbst ausgezahlte Geld dann wieder bar kassieren. Selbst ihre Steuern zahlen die Geschäfte ganz archaisch in bar.
Bundesweite Legalisierung
Eine Reihe von Risikokapitalgebern springt anstelle der Banken in die Bresche. Wie zum Beispiel der 29-jährige Kalifornier Justin Hartfield mit seinem Risikokapitalfonds Emerald Ocean Capital, der offen erklärt, dass er selbst täglich kifft. Bis Ende vergangenen Jahres hatte er knapp zehn Millionen Anlegergeld eingesammelt. Seine Konditionen indes sind alles andere als kundenfreundlich: Die Mindestanlagesumme beträgt 500.000 Dollar, die Mindestanlagezeit zehn Jahre. Hartfield, der vor zwei Jahren bereits Weedmaps.com gründete, eine Social-Media-Seite, auf der Kunden die Qualität unterschiedlicher Marihuana-Sorten und -Vertriebsstellen bewerten, setzt auf
Zulieferungsgeschäfte, um die rechtliche Ungewissheit zu umschiffen.
Peripheriegeschäfte sind etwa ein Onlineversandhaus für Selbstanbauer sowie verschiedene Hard- und Softwareprojekte rund um Cannabis. Erst wenn die Legalisierung weiter fortschreitet, will er sich immer direkter in den Cannabis-Anbau und seine Vermarktung einklinken: "Langfristig wollen wir das Anheuser-Busch für Marihuana werden", sagt Hartfield in Anspielung auf den Hersteller des in den USA weitverbreiteten Budweiser-Biers.
Die Legalisierung von Marihuana auf Bundesebene ist längst nicht mehr undenkbar: Die öffentliche Meinung über den Stoff hat sich in wenigen Jahren sehr geändert. Nur noch 32 Prozent der Amerikaner betrachten es nach einer Umfrage des Pew Research Center als in moralischem Sinn falsch, mit Gras high zu werden - das sind 18 Prozentpunkte weniger als noch 2006. "Die Marihuana-Bewegung ist längst nicht mehr eine Rotte von College-Studenten, die kiffen wollen", sagt John Hudak vom amerikanischen Thinktank Brookings Institute.
Neue Steuereinnahmen
Beschleunigend wirken die leeren Kassen auf kommunaler Ebene. Die Möglichkeit, eine neue, unumstrittene Steuer einzuführen, ist für Politiker, die stets über neue Kürzungen nachdenken müssen, ein Geschenk des Himmels. Die kalifornische Stadt Oakland nimmt dank des medizinischen Marihuanas mehr als eine Million Dollar pro Jahr ein. Mendocino County hat eine Steuer pro Pflanze eingeführt, die 600.000 Dollar in die Kasse des Sheriffs spülte. In Colorado erhebt der Bundesstaat 15 Prozent Großhandels- und zehn Prozent Einzelhandelssteuer auf Marihuana. Im Bundesstaat Washington soll eine indirekte Steuer von je 25 Prozent auf jede Phase der Wertschöpfungskette - Anbau, Verarbeitung und Vertrieb - erhoben werden. Plus die Mehrwertsteuer von 8,75 Prozent.
Experten haben ausgerechnet, dass damit von jedem Dollar, der für Pot ausgegeben wird, 37 Cent in die Staatskasse fließen. Die bundesweite Legalisierung würde 8,7 Milliarden Dollar zusätzliche Steuergelder für Bund und Bundesstaaten einbringen, schätzt der libertäre Thinktank Cato-Institute.
Marihuana-Aktien haben sich als Anlageklasse insgesamt als noch nicht so lukrativ erwiesen: 2013 gab es zwar enorme Volatilität in den Aktien, wer jedoch die größten Dope-Aktien das Jahr über gehalten hat, verdiente - bei sehr viel höherem Risiko - am Ende das Gleiche wie mit dem S & P 500. Jetzt sind die Werte so aufgepumpt, dass ein schneller Zusammenbruch jederzeit möglich ist. Der amerikanische TV-Talker Jay Leno scherzte bereits in seiner "Tonight Show": "Der Schlüssel zu diesen Investments? Buy low and sell really, really high."
Investor-Info
Kiffer-Aktien
Wie im Rausch
Börsianer haben sich wie im Rausch auf Cannabis-Aktien gestürzt. Möglich, dass dieser irre Hype noch weiter anhält, ein seriöses Investment sind die Papiere aber natürlich nicht. Nicht aus Zufall ist vergangenes Jahr die Zahl der US-Firmen, die ihr Geld mit Cannabis verdienen, sprunghaft gestiegen. So wurde aus Ultra Sun, einem Betreiber eines Sonnenstudios, die Firma Cannabis Sativa, die nun Hautcremes auf Basis von Hanfsamenöl vertreibt.
In der Tabelle sind die Marihuana-Firmen mit der höchsten Marktkapitalisierung aufgelistet. Doch die Geschäfte laufen meist schleppend. Medbox beispielsweise, Hersteller von Automaten für verschreibungspflichtige Medikamente, machte zuletzt 3,5 Millionen Dollar Umsatz. Die Hoffnung, dass die US-Firma künftig auch Kifferautomaten aufstellt, trieb den Börsenwert auf 540 Millionen.
Cannabis-Aktien
GW Pharmaceuticals, ISIN: GB0030544687
Medbox, ISIN: US58405D1000
CannaVest, ISIN: US1376531018
Medical Marijuana, ISIN: US58463A1015
Advanced Cannabis Solutions, ISIN: US00750W1018
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Der Hebel muss zwischen 2 und 20 liegen
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