Griechenland bekommt 10,3 Milliarden frisches Geld
Nach einem monatelangem Tauziehen haben die Europartner eine neue Auszahlung von 10,3 Milliarden Euro an das pleitebedrohte Griechenland beschlossen.
Damit ist das hochverschuldete Krisenland bis in den Herbst finanziert. Die Eurogruppe und der Internationale Währungsfonds (IWF) einigten sich zudem auf einen konkreten Zeitplan für Schuldenerleichterungen in Athen. Die Partner legten damit die Basis für die von Deutschland gewünschte IWF-Beteiligung an dem Rettungsprogramm. Die Bundesregierung begrüßte den Kompromiss.
Bevor das frische Geld fließen kann, muss es in Athen noch kleinere Korrekturen bei neuen Gesetzen geben - beispielsweise bei der Rentenreform. In Deutschland und anderen Eurostaaten sind nationale Parlamente gefragt, teilte Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem am frühen Mittwochmorgen in Brüssel nach rund elfstündigen Marathonverhandlungen mit. "Ich denke, das ist ein wichtiger Augenblick in dem langen griechischen (Hilfs-) Programm."
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte: "Wir haben ein Ergebnis erreicht, das in einer schwierigen Lage das richtige ist." Eine Liquiditätskrise, also leere Staatskassen in Griechenland, sei für die nächsten Monate ausgeschlossen.
Bundeswirtschaftsminister und Vize-Kanzler Sigmar Gabriel (SPD) sprach nach einer Kabinettsklausur im Meseberg von einem "sehr guten Ergebnis" und dankte Schäuble für das Resultat: "Ich glaube, wir können alle miteinander froh sein, dass wir in dem herausfordenden Monat Juni in der Europäischen Union nicht ein weiteres Thema als Problem hinterlassen bekommen haben."
Schäuble und andere brachten laut Diplomaten den Weltwährungsfonds in zähen Debatten davon ab, schon jetzt Schuldenerleichterungen im großen Stil verbindlich durchzusetzen. Diese sind nun erst nach Abschluss des Hilfsprogramms im Sommer 2018 zu erwarten. Für das laufende Jahr wird in Athen ein Schuldenberg von 183 Prozent der Wirtschaftsleistung erwartet, erlaubt sind höchstens 60 Prozent.
Der IWF beabsichtigt nun, sich an weiteren Griechenland-Finanzhilfen zu beteiligen. Wieviel Geld der Fonds in die Hand nehmen will, wurde nicht debattiert. Dem IWF-Leitungsgremium soll vorgeschlagen werden, bis Ende des Jahres weitere Mittel für die Unterstützung des griechischen Reformprozesses bereitzustellen. Es gebe die Übereinstimmung, dass die griechischen Schulden nicht nachhaltig seien, bilanzierte IWF-Europadirektor Poul Thomsen. Dijsselbloem sagte auf die Frage, ob er sich bei der IWF-Beteiligung 100prozentig sicher sei. "Nein. Sie haben ihre eigenen Regeln."
Der griechische Finanzminister Euklid Tsakalotos sagte: "Das ist ein wichtiger Moment für Griechenland, nach so langer Zeit." Es sei nun möglich, den Teufelskreis aus schrumpfender Wirtschaft und Sparmaßnahmen zu durchbrechen und wieder für Investitionen zu sorgen. Er sprach von einigen "angespannten Augenblicken" während der Verhandlungsnacht. Langwierige Reformen in Griechenland hatten die Überprüfung des Hilfsprogramms monatelang verzögert. Deshalb konnte auch lange kein frisches Geld fließen.
Die Einigung kam rechtzeitig vor dem G7-Gipfel der führenden Wirtschaftsnationen der Welt in Japan. Das Spitzentreffen wird am Donnerstag beginnen. Europas Spitzen wollten dem Vernehmen nach vermeiden, in der Toprunde wegen der Schuldenkrise wieder am Pranger zu stehen.
Die Regierung von Linkspremier Alexis Tsipras hatte Rentenkürzungen und eine Einkommensteuerreform durch das Parlament gebracht und damit die Basis für neuen Milliardenhilfen aus dem Euro-Rettungsschirm ESM gelegt. Zusammen machen die Budgetkorrekturen 5,4 Milliarden Euro aus. Es gibt auf Wunsch der Geldgeber auch ein Sparpaket "auf Vorrat", das beim Verfehlen von Haushaltszielen in die Tat umgesetzt werden soll.
ESM-Chef Klaus Regling kündigte an, 7,5 Milliarden Euro könnten schon in der zweiten Juni-Hälfte fließen. Das restliche Geld der neuen Auszahlung solle dann später überwiesen werden. Griechenland muss allein im Juli 3,67 Milliarden Euro an den IWF, die Europäische Zentralbank (EZB) und andere Gläubiger zahlen. Außerdem müssen Zahlungsrückstände des Staats abgebaut werden.
2015 hatten sich Athen und die internationalen Geldgeber auf ein neues Rettungsprogramm in Höhe von bis zu 86 Milliarden Euro verständigt. Davon wurden bisher 21,4 Milliarden Euro ausgezahlt. Das Land hängt seit 2010 am Tropf internationaler Geldgeber.
Einen Schuldenschnitt, bei dem Gläubiger einen Teil ihrer Forderungen verlieren, soll es auch nach 2018 nicht geben. Es können hingegen - bisher noch blockierte - milliardenschwere Gewinne der EZB und der nationalen Notenbanken aus griechischen Staatsanleihen eingesetzt werden. Ungenutzte Gelder aus dem Hilfsprogramm von etwa 20 Milliarden Euro sollen zudem dazu genutzt werden, vergleichsweise teure Griechenland-Kredite vorzeitig abzulösen und damit Kosten zu sparen./cb/sl/asa/DP/he
BRÜSSEL/BERLIN (dpa-AFX)Weitere News
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