DIHK geht für 2023 von BIP-Rückgang um rund 3 Prozent aus
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) befürchtet für nächstes Jahr angesichts zunehmend schlechter Geschäftserwartungen der Unternehmen einen Rückgang der deutschen Wirtschaftsleistung um rund 3 Prozent.
Die Unternehmen stellten sich laut der jüngsten Konjunkturumfrage für die nächsten zwölf Monate auf einen weiteren Wirtschaftseinbruch ein. "Die Unternehmen befürchten, dass das Schlimmste noch kommt", sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. Der Wirtschaft stehe nicht nur ein harter Winter bevor, sondern auch ein schwieriges Jahr. "2023 erwarten wir aufgrund der konkreten Meldungen und Einschätzungen aus den Unternehmen einen Rückgang der Wirtschaftsleistung von rund 3 Prozent."
Für 2022 sehe der DIHK seine sehr gedämpfte Konjunkturerwartung vom Frühjahr bestätigt. "In diesem Jahr erwarten wir ein Plus von 1,2 Prozent beim Bruttoinlandsprodukt", sagte Wansleben. "Das liegt daran, dass wir Schwung aus dem letzten Jahr mitnehmen konnten und wirtschaftlich ein noch ordentliches erstes Halbjahr hatten." Zudem hätten viele Betriebe, die während der Pandemie noch direkt vom Lockdown betroffen gewesen seien, in diesem Jahr erstmals wieder ohne Einschränkungen ihre Geschäfte öffnen können. Diese Wachstumsimpulse würden aber von der Energiepreiskrise, der Inflation und der trüben Weltkonjunktur seit Monaten aufgezehrt. Im Frühjahr hatte der DIHK ein BIP-Plus von 1,5 Prozent prognostiziert.
In der aktuellen Umfrage unter mehr als 24.000 Betrieben aus allen Branchen und Regionen gingen 52 Prozent der Unternehmen davon aus, dass sich ihre eigenen Geschäfte in den nächsten zwölf Monaten verschlechtern werden. Nur noch 8 Prozent rechnen laut DIHK mit einer Besserung.?"Das ist der schlechteste Wert, den wir jemals seit Beginn der Erhebung im Jahr 1985 gemessen haben", so Wansleben. "Selbst in den Zeiten von Corona und der Finanzmarktkrise lag der Anteil der Optimisten bei mehr als 10 Prozent."
Höchster Risikowert für Energie- und Rohstoffpreise
Die Energiekrise belaste die deutsche Wirtschaft über nahezu alle Branchen hinweg. 82 Prozent aller Betriebe stuften die Energie- und Rohstoffpreise als Geschäftsrisiko ein. "Auch einen solch hohen Risikowert haben wir bislang noch nicht gemessen", sagte Wansleben. Besonders die Industrie sei von den dramatisch gestiegenen Energiepreisen und der Unsicherheit bei der Energieversorgung betroffen. "Die Auswirkungen sind konkret spürbar: Besonders die energieintensiven Hersteller von Vorleistungsgütern schränken ihre Produktion ein."
In der Chemischen Industrie sehe sich mehr als jeder vierte Betrieb zu Drosselungen gezwungen, in der Gummi- und Kunststoffindustrie mehr als jeder fünfte." Auch in der Automobilindustrie verringerten 16 Prozent der Unternehmen ihre Produktion. "Das ist immerhin jeder sechste Betrieb", rechnete Wansleben vor. 17 Prozent der Automobilunternehmen planten wegen der hohen Energiepreise, Produktion ins Ausland zu verlagern.??
Die deutsche Wirtschaftspolitik müsse ihre Rahmenbedingungen nun dringend an die neue Entwicklung anpassen, forderte der DIHK-Hauptgeschäftsführer. Die aktuellen Notmaßnahmen wie die Gaspreisbremse seien richtig und wichtig. "Nun kommt es aber darauf an, dass die Politik die Weichen auch strukturell auf dynamische Wirtschaftsentwicklung stellt." Denn Deutschland habe als Standort über die akute Krise hinaus noch ein massives Wettbewerbsproblem. "Wir sind in der Welt auch künftig nur erfolgreich, wenn wir vor allem als Bessermacher auftreten - und nicht als Besserwisser."
Kammern wünschen sich Befreiungsschlag
Dieser Grundsatz gelte auch für die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen in Deutschland selbst, so Wansleben. Es müsse alles dafür getan werden, dass Unternehmen wieder Vertrauen fassten und hier in die Zukunft investierten. Nicht nur die erneuerbaren Energien müssten schneller ausgebaut werden, auch auf den Verkehrswegen dürfe es nicht länger Stillstand geben. Wer in seinem Betrieb eine neue Lagerhalle baue oder etwas nachrüste, sollte nicht um jeden Genehmigungsschritt kämpfen müssen. Bei der Digitalisierung und im grenzüberschreitenden Handel erlebten Unternehmen noch so viele Bremsen und Blockaden. "Da wünschen wir uns einen Befreiungsschlag", betonte er.?
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Wansleben erinnerte daran, dass die Bundesregierung selbst Ende September im Rahmen ihres Abwehrschirms gegen hohe Energiepreise ein Belastungsmoratorium angekündigt habe. Sie habe sich dazu verpflichtet, die Wirtschaft während der Krise nicht mit unverhältnismäßigen zusätzlichen Bürokratielasten zu beeinträchtigen. Was das genau sein solle, habe aber bis heute niemand aus der Bundesregierung konkretisiert. Dabei gebe es in der Praxis eine Fülle von Beispielen. Etwa könne die Stromsteuer auf das europäische Mindestniveau reduziert werden.
Das würde nicht nur den Strompreis senken, sondern auch von Bürokratie entlasten, weil die energieintensiven Unternehmen dann keinen Spitzenausgleich mehr beantragen müssten. Ferner könnten die Stromlieferungen von Unternehmen an Nachbarn im Gewerbegebiet sofort vereinfacht werden, indem Meldepflichten für den Anbieter durch Einführung einer Bagatellgrenze abgeschafft und beim Abnehmer Steuern, Umlagen und Netzentgelte durch einfache Pauschalen erhoben würden. Auch für ein Belastungsmoratorium in der Europäischen Union gebe es noch kein einziges konkretes Entlastungsbeispiel, beklagte die Kammerorganisation.
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)
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