Offener Brief an US-Wähler: Wie Nobelpreisträger und Experten Trumps Wirtschaftspolitik zerlegen
370 US-Ökonomen haben sich zusammengetan und in einem offenen Brief an das amerikanische Volk Donald Trumps wirtschaftspolitische Pläne einer eingehenden Prüfung unterzogen. Das Trump-Lager ist wenig begeistert.
Das "Wall Street Journal" hat einen offenen Brief veröffentlicht, in dem 370 US-Wirtschaftsexperten ihre Landsleute darauf einschwören, bei der Präsidentschaftswahl am Dienstag ihre Stimme nicht an den republikanischen Bewerber Donald Trump zu vergeben. Die Ökonomen, darunter auch 8 Nobelpreisträger und Universitätsprofessoren, finden klare Worte: "Wir empfehlen den Wählern, sich für einen anderen Kandidaten zu entscheiden". Die Antwort darauf, für welchen Kandidaten die Wähler stattdessen abstimmen sollen, bleiben die Experten schuldig. Weder der Name Hillary Clinton wird explizit erwähnt, noch die der wenig aussichtsreichen Mitbewerber Jill Stein und Gary Johnson, die für die Grünen, beziehungsweise die Liberalen antreten. Warum Trump die Stimme der Wähler aber auf keinen Fall erhalten soll, begründen die Experten in 13 Punkten.
Trumps Wirtschaftspolitik im Visier
Dabei nehmen sie fast ausschließlich auf Trumps wirtschaftspolitische Pläne Bezug. Der US-Immobilientycoon verbreite Falschinformationen über die Integrität von Behörden und fördere damit das Misstrauen, so der erste Punkt auf der Expertenliste. Danach nehmen sie Donald Trumps Einstellung zum Thema Handel kritisch unter die Lupe. Zwar sei es richtig, dass die Gewinne aus dem Freihandel nicht gleichmäßig verteilt wurden, allerdings habe Trump ihrer Meinung nach daraus die falschen Schlüsse gezogen und die Wähler mit Falschaussagen in die Irre geführt. Anders als von Trump behauptet, seien mittleres Einkommen und Durchschnittsvermögen in den USA seit den 80-er Jahren massiv angestiegen - der US-Milliardär hatte immer wieder behauptet, Handelsabkommen würden die US-Bevölkerung ärmer statt vermögender machen.Seine Pläne, das Handelsdefizit reduzieren zu wollen, nehmen die Top-Ökonomen ebenfalls aufs Korn. Trumps Reformenvorschlag werde zunächst dazu führen, dass der Staat in den kommenden zehn Jahren 2,6 Billionen Dollar weniger an Steuereinnahmen zur Verfügung haben werde.
Auch sei die USA - anders als von Trump behauptet - mitnichten ein Hochsteuerland. Für Unternehmen gelte ein gesetzlich hoher Unternehmenssteuersatz, effektiv würden Konzerne in den Vereinigten Staaten aber weitaus geringer besteuert als dies im Durchschnitt in anderen Ländern der Fall sei. Auch für Privatleute gelte ein verhältnismäßig niedriger Einkommenssteuersatz: Verglichen mit anderen OECD-Ländern habe die USA einen der niedrigsten Steuersätze, so die Ökonomen weiter.
Auch eines der wichtigsten Wahlkampfthemen des Trump-Teams haben die 370 Wirtschaftsexperten im Visier. Ihrer Meinung nach instrumentalisiere der Präsidentschaftskandidat das Thema Einwanderung, um die Wähler mit Falschinformationen zu versorgen. Dass die Löhne in vielen US-Haushalten stagnieren, liege nicht an den Folgen von Zuwanderung, tatsächlich spiele dieser Punkt nur eine untergeordnete Rolle. Geringqualifizierung und Automatisierung halten die Experten für die deutlich relevanteren Erklärungsansätze.
Wenig ökonomisches Verständnis
"Seine Aussagen offenbaren ein tiefes Unverständnis für ökonomische Zusammenhänge und die Unfähigkeit, sich Rat von erfahrenen Experten zu holen", so die Schlussfolgerung des Briefes. Stattdessen vermittle Trump "Wunschdenken und Verschwörungstheorien". Trump sei eine "gefährliche und destruktive Wahl für das Land", heißt es zum Ende des Briefes. Sollte er gewählt werden, stelle er eine reale Gefahr für demokratische und wirtschaftliche Institutionen dar, warnen die Experten weiter.Trump-Lager kontert die Kritik
Wenig begeistert zeigt sich unterdessen das Wahlkampfteam von Donald Trump von dem offenen Brief. Trump-Berater Peter Navarro sprach den Ökonomen gegenüber dem "Wall Street Journal" fachliche Kompetenz ab. "Man darf Ökonomen und Nobelpreisträgern, wenn es um Handel geht, nicht glauben", so der Wirtschaftswissenschaftler. Der Brief sei eine Blamage für die Ökonomenriege, der Navarro als Lehrkraft an der University of California selbst angehört. Besonders die Tatsache, dass die Experten schlechte Handelsabkommen für positiv befänden, zeige als klassischer Fall deutlich, dass "die Realität Lehrbuch-Wissen überrennt". Für ihn sei klar, dass Trumps Pläne für Wachstum, steigende Löhne und Billionen Dollar an Steuereinahmen sorgen werden.Redaktion finanzen.net
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