Vorgesehener SAP-Aufsichtsratschef verzichtet auf Posten - Neuer Plattner-Nachfolger schon gefunden - SAP-Aktie etwas schwächer
Europas größter Softwarehersteller SAP und sein designierter Aufsichtsratschef Punit Renjen gehen überraschend getrennte Wege.
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Die Nachfolge für den Chefposten im Aufsichtsrat von SAP schien in trockenen Tüchern. Nun wirf der DAX-Konzern seine Planung über den Haufen. Und erntet Kritik von Aktionärsvertretern.
Im Mai 2023 schien die SAP-Führungsspitze noch beste Laune zu haben. Auf der Hauptversammlung in der gleichnamigen Mannheimer Arena strahlten Vorstandschef Christian Klein, Aufsichtsratsvorsitzender Hasso Plattner und sein damals designierter Nachfolger Punit Renjen gemeinsam in die Kameras. Im Anschluss wurde Renjen mit großer Mehrheit in den Aufsichtsrat gewählt. Der Wechsel an die Spitze des Gremiums in diesem Jahr schien reine Formsache.
Doch am Sonntagabend präsentierte Europas größter Softwarehersteller überraschend den ehemaligen Nokia-Manager Pekka Ala-Pietilä als vorgesehenen Plattner-Nachfolger. Der Konzern und Renjen hätten entschieden, sich im gegenseitigen Einvernehmen zu trennen, hieß es laut Mitteilung.
Als Grund nannte SAP unterschiedliche Vorstellungen über die künftige Rolle des Aufsichtsratsvorsitzenden. Dem Vernehmen nach habe sich der US-Amerikaner nicht mit der in Deutschland gesetzlich vorgesehenen Funktion als Aufseher des Konzernvorstands anfreunden können. So schrieb unter anderem das "Manager Magazin", er habe sich sehr aktiv ins Tagesgeschäft eingebracht und damit nicht nur Freude ausgelöst.
Die SAP-Aktie fiel am Montag in einem freundlicheren Marktumfeld via XETRA als einer der schwächeren DAX-Werte letztlich um 0,33 Prozent auf 167,76 Euro. Das Papier hatte zuletzt mehrfach Rekordstände erreicht und ist in diesem Jahr mit einem Plus von fast einem Fünftel einer der besten Titel im Leitindex. Für UBS-Analyst Michael Briest war der über den Haufen geworfene Nachfolgeplan an der Aufsichtsratsspitze eine negative Überraschung. Zwar habe Renjen keine direkte Erfahrung in einem Softwareunternehmen, allerdings seien seine Verbindungen in die Kundenbasis und das Partnersystem von SAP positiv gesehen worden.
"Ein exzellenter Kandidat"
Vor gut einem Jahr, als SAP den ehemaligen Chef des Beratungsunternehmens Deloitte als vorgesehenen Nachfolger für Plattner vorstellte, der das Unternehmen einst mitgründete und seit 2003 den Vorsitz des Aufsichtsrats hatte, klang der Konzern noch äußerst zuversichtlich. Renjen sei "ausgesprochen gut für den Aufsichtsrat qualifiziert und wäre ein exzellenter Kandidat", hieß es. "Sein tiefgehendes Verständnis für die Bedürfnisse unserer Kunden und der gesamten Branche machen ihn zu einem idealen Kandidaten für den Vorsitz des Aufsichtsrats ab 2024", teilte Plattner damals mit. Viel mehr Vorschusslorbeeren geht nicht.
Nun also die Kehrtwende. Mit dem Finnen Ala-Pietilä, der auf der Hauptversammlung im Mai in den Aufsichtsrat gewählt und den Vorsitz übernehmen soll, kommt ein alter Bekannter zurück zum Konzern aus Walldorf. Der frühere Präsident von Nokia saß bereits von 2002 bis 2021 im Aufsichtsrat von SAP.
Zweifel an Qualität des Auswahlprozesses
Markus Kienle, Vorstandsmitglied bei der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger, nannte die Personalie im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur überraschend. Renjen sei als Heilsbringer vorgestellt worden. Dass es jetzt unterschiedliche Auffassungen gebe, überrasche ihn doch sehr. Schließlich sei der Auswahl doch eigentlich ein professioneller Prozess vorausgegangen. Dass es jetzt zu solch einem Versagen komme, lasse Zweifel an der Güte und Qualität des Auswahlprozesses aufkommen, so Kienle.
"Das operative Geschäft wird wieder einmal durch Schwächen in der Unternehmensführung überschattet", sagte Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance beim Fondsanbieter Deka Investment. Auf der Zielgeraden zur Staffelstabübergabe seien alle Beteiligten Verlierer. Es sei bedauerlich, dass nun doch kein Externer den Aufsichtsratsposten übernehmen soll. "Seit Jahren steht die Ablösung von Plattner im Raum, jetzt wird auf den letzten Metern mit heißer Nadel an einer Nachfolgelösung gestrickt", so Speich.
Diese Lösung für die Nachfolge hätte man früher haben könnten, teilte SAP-Betriebsratschef Eberhard Schick mit. Er hoffe, dass Ala-Pietilä die langfristige Entwicklung des Konzerns im Blick habe und nicht nur an kurzfristigen Rendite-Zielen interessiert sei.
Die neuesten Entwicklungen seien auch für die Interessenvertretung der deutschsprachigen SAP-Anwenderunternehmen (DSAG) überraschend, teilte deren Vorstandsvorsitzender Jens Hungershausen am Montag mit. Von Renjen habe die Anwendergruppe erwartet, dass dieser seine umfassende Beratungskompetenz in den Aufsichtsrat einbringt. Dieser sei bislang durch Plattner sehr technologisch geprägt gewesen. Ala-Pietilä kenne den Konzern gut. "Daher bleibt es aus DSAG-Sicht spannend, ob strategische Veränderungen mit seinem Amtseintritt einhergehen werden", so Hungershausen.
"Ein wichtiger Verbündeter"
Mit Ala-Pietilä, der bereits auch in verschiedenen Expertengremien für Künstliche Intelligenz mitgearbeitet hat, habe SAP eine Führungspersönlichkeit gefunden, "die nicht nur ein tiefgreifendes Verständnis unserer Branche und der Komplexität der europäischen SE-Governance mitbringt, sondern auch ein wichtiger Verbündeter in vielen entscheidenden Momenten der SAP war", teilte Plattner am Sonntagabend mit. Ganz so viele Vorschusslorbeeren wie vor einem Jahr verteilte SAP dieses Mal aber nicht.
/men
WALLDORF (dpa-AFX)
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