Continental-Aktie schnellt hoch: Continental will operative Marge mittelfristig deutlich steigern
Continental will in den kommenden Jahren schneller als die Autozulieferbranche wachsen und bestenfalls wieder eine zweistellige operative Rendite erzielen.
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Der Autozulieferer und Reifenhersteller Continental will mit verstärkten Investitionen in Software und Elektronik die Krise meistern - am schmerzhaften Umbau mit Jobverlusten führt aber auch unter dem neuen Chef Nikolai Setzer kein Weg vorbei. "Wir setzen künftig mit noch mehr Kraft und Mitteln auf unsere Wachstumsfelder und Zukunftstechnologien", kündigte der Nachfolger des langjährigen Vorstandsvorsitzenden Elmar Degenhart am Mittwoch an. "Die Software macht den Unterschied."
Bei Kürzungen in älteren Bereichen versprach Setzer genaue Prüfungen: "Jede einzelne Maßnahme und Auswirkung auf Beschäftigte haben wir im Vorstand abgewogen." Man habe keine andere Wahl, als sich profitabler aufzustellen. "Gerade für mich, 23 Jahre bei Continental, sind diese Pläne und Transformation natürlich sehr bitter und schmerzhaft."
Der DAX-Konzern aus Hannover gibt sich eine neue Strategie. Bereiche wie Vernetzung, Assistenzsysteme und Hochleistungsrechner im Auto werden ausgebaut. Daneben gelte es, die Position in gesättigteren Segmenten wie Sicherheitstechnik, Anzeigesystemen oder dem Reifengeschäft in Europa zu halten sowie "Wertbeiträge zu sichern".
Im jetzt startenden Corona-Lockdown sieht Setzer die Kunden aus der Autoindustrie grundsätzlich weiter produzieren - abgesehen von den Weihnachtsferien. "Wie das nun in dem Lockdown, der seit heute gilt, weiterläuft, das lässt sich schwer sagen", schränkte er ein. Im Frühjahr hatte auch Conti die Produktion herunterfahren müssen, weil Autobauer ihre Fabriken dichtmachten. Noch im November seien 2000 Mitarbeiter an durchschnittlich vier Tagen in Kurzarbeit gewesen.
Das Kerngeschäft mit der Autozulieferung hatte bei Conti zuletzt merklich geschwächelt. Auf Konzernebene strebt Setzer mittelfristig nun ein Wachstum aus eigener Kraft - also ohne Wechselkurseffekte und Zukäufe - von 5 bis 8 Prozent jährlich an, nachdem Branchenflaute und Pandemiefolgen den Hannoveranern das Geschäft verhagelt hatten. Bei der um Sondereffekte bereinigten Gewinnspanne vor Zinsen und Steuern plant Setzer mit 8 bis 11 Prozent - ohne die Antriebstechnik, die im kommenden Jahr in die neue Firma Vitesco ausgelagert werden soll.
Die Conti-Aktie zog in einem starken Marktumfeld am Mittag um rund 4,3 Prozent auf 118,05 Euro an. Ein Händler sprach von einer fortgesetzt guten Stimmung für Werte aus der Automobilbranche, zu denen die Nachrichten von Continental passten. Mit dem Kursplus rückt auch das bisherige Jahreshoch bei knapp über 120 Euro vom Jahresbeginn wieder in Reichweite.
Bei der operativen Marge hatten Analysten eher mit Werten am unteren Rand gerechnet. Goldman-Sachs-Expertin Gungun Verma hatte etwa die Marge des Konzerns ohne die Antriebssparte Powertrain für das Jahr 2024 zuvor auf 8,6 Prozent geschätzt. Jefferies-Analyst Sascha Gommel schrieb in einer Studie, die neuen Mittelfristziele sähen auf den ersten Blick besser aus als erwartet.
Der neue Chef Setzer erklärte, das Autozuliefergeschäft solle mit 7 bis 11 Prozent Wachstum wesentlicher Treiber sein und damit auch um 2 bis 4 Prozentpunkte mehr zulegen als der Markt. Die Antriebstechnik rechnet Conti auch hier schon nicht mehr dazu - man konzentriert sich neben Bremsen und Innenraumteilen auf Elektronik, Sensorik und Software.
In der traditionellen Reifensparte, die lange unter der Führung von Setzer war, will das Unternehmen vor allem in Asien und Nordamerika seine Marktanteile erhöhen. In Europa hält Continental das Volumen größtenteils für erschöpft. So wurden auch Schließungen wie in Aachen begründet, die das Management unter Degenhart und die Kapitalseite gegen Widerstand aus Betriebsrat und Gewerkschaften durchdrückten.
Diesen Konfliktherd muss nun Setzer einhegen. Die Verständigung mit den Arbeitnehmern über das genaue Wie und Wann des Umbaus lief bisher mehr als holprig. Die IG Metall brach Anfang Dezember die Gespräche ab. Der Chef der IG Bergbau Chemie Energie (IG BCE), Michael Vassiliadis, drohte: "Dieser Stellenabbau wird teuer." Allein in Deutschland stehen rund 13 000 Arbeitsplätze bei Continental im Feuer. Eine Beschäftigungssicherung ist bislang nicht vereinbart.
Der Chef des IG-Metall-Bezirks Mitte, Jörg Köhlinger, reagierte am Mittwoch skeptisch auf die neuen Leitlinien. "Es ist schon mehr als befremdlich, dass Continental eine Unternehmensstrategie vorstellt, in der Beschäftigte keinerlei Erwähnung finden", kritisierte er. "Das passt zu dem angekündigten brutalen Arbeitsplatzabbau in der Rhein-Main-Region." In den vergangenen Wochen hatte es auch an hessischen Standorten Proteste gegen den Sparkurs gegeben.
Viele Beschäftigte fühlen sich außen vor gelassen - auch Politiker waren das Conti-Management im Herbst wegen fehlender Absprachen hart angegangen. Belegschaftsvertreter werfen der Führung vor, profitable Werke zu schließen, um die Arbeit in Niedriglohnländer zu verlagern.
Insgesamt könnte das Reifengeschäft laut den Erwartungen des Managements ein wichtiger Ertragsbringer bleiben, angepeilt wird eine bereinigte Gewinnspanne von 12 bis 16 Prozent des Umsatzes. Die Zukunft soll aber vor allem auch der Auto-Vernetzung gehören. Bei Hochleistungszentralrechnern für moderne Fahrzeuge, wie sie etwa im ID.3 von Volkswagen eingebaut werden, bezifferte Conti den Auftragsbestand mehrerer Hersteller auf derzeit rund 4 Milliarden Euro.
Das Digitalgeschäft sei ein "sehr stark technologiegetriebener" Bereich, so Finanzchef Wolfgang Schäfer. "Da werden wir sicher auch zukaufen müssen." Konkurrent Bosch teilte mit, für seine eigenen Fahrzeug-Computer mittlerweile "Aufträge in Höhe mehrerer Milliarden Euro" zu haben. Ein Einstieg in die Fertigung von Batteriezellen, wie sie etwa VW-Konzernchef Herbert Diess bei mehr europäischen Zulieferern fordert, ist für Continental nach wie vor kein Thema.
Continental-Aktie von höheren Zielen beflügelt
Anleger legen am Mittwoch weiter große Hoffnung in eine bessere Zukunft für den Autosektor. Höhere Mittelfristziele von Continental trieben die Stimmung zusätzlich an. Die Aktien des Autozulieferers stiegen via XETRA zeitweise um 4,33 Prozent auf 118,10 Euro und lagen damit im DAX knapp vor den Aktien des Autobauers Volkswagen (VW). Andere Branchenwerte standen dem nur wenig nach. Der Stoxx Europe 6000 Autos & Parts war mit einem Anstieg um 2,5 Prozent führend in der gesamteuropäischen Branchentabelle.
Den Continental-Aktien fehlte mit dem Kurssprung am Mittwoch nur wenig für ein neues Jahreshoch. Dieses stammt mit 120,20 Euro aus dem November, als die Aktie den Corona-Crash im Februar und März bereits abgehakt hatte. Der Branchenindex hat sein Jahreshoch nun aber weiter nach oben geschraubt, er kletterte am Mittwoch erstmals seit einem Jahr wieder über die Marke von 530 Punkten.
Anleger legen derzeit an den Finanzmärkten insgesamt viel Hoffnung in bald beginnende Impfungen gegen das Coronavirus - und damit auf ein Abklingen der Pandemie mit einer deutlichen Konjunkturerholung, auch wenn derzeit die Beschränkungen noch verschärft werden. Im zyklischen Autosektor zeigt sich dieses Bild derzeit besonders deutlich, Händler sprachen deshalb von einer fortgesetzt guten Sektorstimmung. Dazu passt, dass Continental am Mittwoch anspruchsvolle Mittelfristziele vorstellte.
Wie Analyst Sascha Gommel von Jefferies Research auf den ersten Blick betonte, liegen die Ziele über den Erwartungen. Die neuen Ziele sind Teil eines strategischen Updates, das laut Gommel einen erheblichen Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit legt. Der neue Konzernchef Nikolai Setzer will in mehreren Hightech-Bereichen das Tempo erhöhen, gleichzeitig soll sich der Autozulieferer auf vorhandene Stärken besinnen.
Seit dem Corona-Crash, der im März bei 51,45 Euro sein Tief fand, haben sich die Aktien mit derzeit knapp 120 Euro schon deutlich mehr als verdoppelt. Gleiches gilt sektorweit, wie der Anstieg des Stoxx Europe 600 Autos & Parts von 254 bis über 530 Punkte zeigt.
FRANKFURT (Dow Jones Newswires / dpa-AFX)
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