Juristischer Weg

Bund gegen Rosneft: Letzte Ausfahrt Enteignung - Rosneft will sich mit allen Mitteln wehren

08.02.24 17:46 Uhr

Bund gegen Rosneft: Letzte Ausfahrt Enteignung - Rosneft will sich mit allen Mitteln wehren | finanzen.net

Die Bundesregierung erwägt vor dem Hintergrund der Invasion Russlands in der Ukraine eine Enteignung des russischen Ölkonzerns Rosneft in Deutschland.

Das Unternehmen hält unter anderem die Mehrheit der Anteile an der PCK Raffinerie im ostdeutschen Schwedt, die zu den größten des Landes gehört. Es folgen einige Einschätzungen zu den wichtigsten Fragen:

WARUM GREIFT DIE BUNDESREGIERUNG ZU DIESEM MITTEL?

Die Bundesregierung hatte im Zuge des russischen Angriffs auf die Ukraine die deutschen Vermögenswerte Rosnefts - darunter das 54,17-Prozent-Paket in Schwedt - im September 2022 unter Treuhänderschaft Deutschlands gestellt. Diese läuft im März aus. Das Wirtschaftsministerium erklärte, der Betrieb der Raffinerie könne gefährdet sein, wenn Russland wieder die Kontrolle übernähme.

WAS MÜSSTE DEUTSCHLAND AN ENTSCHÄDIGUNG ZAHLEN?

Die russische Tageszeitung "Wedomosti" hatte 2022 unter Berufung auf ein nicht genanntes Beratungsunternehmen den Wert der deutschen Assets von Rosneft auf sieben Milliarden Dollar (rund 6,5 Milliarden Euro) geschätzt. Das Bundeswirtschaftsministerium wollte sich nicht zu der Höhe einer Entschädigung oder einer möglichen Finanzierung äußern.

KANN ROSNEFT EINE ENTEIGNUNG ANFECHTEN?

Rosneft hat im Dezember bereits rechtliche Schritte gegen die Treuhänderschaft eingeleitet und weitere Klagen angekündigt. Nach Einschätzung des Staatsrechtlers Joachim Wieland hätte der Bund bei einer Enteignung aber gute Karten. "Aus meiner Sicht wäre das unproblematisch, weil das Energiesicherungsgesetz eine Enteignung zur Sicherung der Energieversorgung in Deutschland erlaubt." Eine Gesellschaft wie Rosneft Russland, die ihren Sitz nicht in der EU habe, dürfte auch vor dem Europäischen Gerichtshof keine Chance haben, wenn Deutschland sie zur Sicherung seiner Energieversorgung und zur Verhinderung einer Energiekrise enteigne.

HAT ES BEREITS ÄHNLICHE FÄLLE IN DEUTSCHLAND GEGEBEN?

"Einen wirklich vergleichbaren Fall, wo ein ausländisches Unternehmen dieser Größenordnung in Deutschland enteignet worden ist, kenne ich nicht", sagt Wieland. Am ehesten vergleichbar sei der Atomausstieg, von dem der schwedische Energiekonzern Vattenfall betroffen war. Eine Enteignung sei das aber nicht gewesen. Die von Rosneft beauftragte Kanzlei Malmendier Legal erklärte: "Eine solche Enteignung würde eine Maßnahme darstellen, die in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland beispiellos bliebe und auf immer der Investitionssicherheit schaden würde."

WIE REAGIERT DER RUSSISCHE PRÄSIDENT WLADIMIR PUTIN?

Putin hat bereits per Dekret die Kontrolle über Geschäfte westlicher Unternehmen übernommen. Dazu gehört etwa die russische Tochter des Energiekonzerns Uniper, Unipro. Betroffen sind auch der finnische Versorger Fortum, die dänische Brauerei Carlsberg, der französische Konzern Danone sowie der Öl- und Gaskonzern Wintershall Dea[WINT.UL.]. Russland hat sich im Fall einer Enteignung eine Vergeltung offengehalten.

Rosneft will sich mit allen Mitteln wehren

Der russische Ölkonzern Rosneft will sich mit allen juristischen Mitteln gegen eine im Raum stehende Enteignung in Deutschland stemmen. "Eine solche Enteignung würde eine Maßnahme darstellen, die in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland beispiellos bliebe und auf immer der Investitionssicherheit schaden würde", teilte die von Rosneft beauftragte Kanzlei Malmendier Legal am Donnerstag mit. "Rosneft wird als börsennotierte Aktiengesellschaft alle Maßnahmen ergreifen, um die Rechte ihrer Aktionäre zu schützen."

Das Grünen-geführte Bundeswirtschaftsministerium hat Rosneft zu einer Anhörung geladen, bei der es um eine mögliche Verstaatlichung von dessen Vermögenswerten in Deutschland gehen soll. Hintergrund ist, dass die Treuhänderschaft des Bundes für den Rosneft-Anteil an der Raffinerie in Schwedt im März ausläuft. Zwei Insider betonten, dass mit der Einladung zur Anhörung noch keine Entscheidung getroffen wurde, ob die Bundesregierung diesen Weg wirklich gehen oder ob die seit September 2022 bestehende Treuhänderschaft erneut verlängert wird. Sie ist eine Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine.

Malmendier Legal teilte weiter mit, am vergangenen Dienstag sei Rosneft informiert worden, dass eine Enteignung der Anteile erwogen werde. Die Kanzlei warf der "in einer Dauerkrise befindlichen" Ampel-Regierung vor, sie wolle vor dem Ende ihrer Amtszeit noch schnell russische Vermögenswerte in Deutschland enteignen, einziehen oder konfiszieren. Damit sollten vollendete Tatsachen geschaffen werden. Das Ministerium habe Rosneft mitgeteilt, bei einer russischen Kontrolle über die deutschen Rosneft-Gesellschaften sei der Betrieb der Raffinerien gefährdet, weil Vertragspartner eine Zusammenarbeit mit Rosneft ablehnen würden. Die Kanzlei betonte, es bleibe ein "Kuriosum", wie der Staat selbst oder ein eilig herbeigerufener Dritter die Raffinerie besser betreiben könne.

ENTSCHEIDUNG SPÄTESTENS IM MÄRZ ERWARTET

Einige Investoren machen einen Einstieg bei der Raffinerie in Brandenburg von einem vorherigen Ausstieg des russischen Konzerns abhängig. Die PCK Schwedt ist die viertgrößte Raffinerie in Deutschland. Sie wurde nach dem russischen Angriff auf die Ukraine unter Treuhandverwaltung des Bundes gestellt, um die Versorgungssicherheit vor allem im Großraum Berlin, aber auch im Westen Polens zu sichern.

In Regierungskreisen hieß es, Ziel bleibe es, den Geschäftsbetrieb von Rosneft Deutschland verlässlich und auf Dauer zu sichern. Wenn am 10. März die Treuhandverwaltung auslaufe, drohe ohne eine staatliche Entscheidung, dass Rosneft Deutschland seinem Versorgungsauftrag nicht mehr nachkommen könne. "Wir unterstützen weiterhin intensiv in Gesprächen mit Partnern die Versorgung des Standortes Schwedt mit Rohöl", teilte das Wirtschaftsministerium am Mittwoch mit. "Das umfasst insbesondere Gespräche mit Unternehmen aus Polen und Kasachstan." Wirtschaftsminister Robert Habeck werde kommende Woche nach Polen reisen.

Rosneft hält eigentlich mit 54 Prozent die Mehrheit an der Raffinerie. Mittlerweile wurden aber die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen, dass die Bundesregierung die Rosneft-Anteile verkaufen kann.

Kreml kritisiert Pläne zur Verstaatlichung von Rosneft Deutschland

Der Kreml hat mit scharfer Kritik auf Erwägungen der Bundesregierung zur Verstaatlichung von Rosneft Deutschland reagiert. "Das ist nichts anderes als die Enteignung fremden Besitzes, das sind alles Schritte, die wahrscheinlich die wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen der europäischen Staaten untergraben", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Donnerstag der Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Solche Handlungen entwerteten Deutschlands Attraktivität als Investitionsstandort.

Der russische Staatskonzerns Rosneft, geführt von Igor Setschin, einem engen Vertrauten von Präsident Wladimir Putin, hält die Mehrheit an der Raffinerie PCK im brandenburgischen Schwedt. Die Anteile von rund 54 Prozent sind derzeit unter staatlicher Kontrolle des Bundes - in einer sogenannten Treuhandverwaltung. Ziel war, die jahrzehntelang mit russischem Öl betriebene und für den Nordosten wichtige Anlage nach dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und dem EU-Ölembargo am Laufen zu halten. Da die Treuhandverwaltung nach jetzigem Stand am 10. März ausläuft, gibt es Erwägungen in der Bundesregierung, die Anteile zu verstaatlichen. Eine Entscheidung ist noch nicht gefallen.

Rosneft werde dagegen vorgehen und alle juristischen Mittel ausschöpfen, sagte Peskow. Verhandlungen auf staatlicher Ebene zwischen Moskau und Berlin gebe es zu dem Thema aber nicht.

Russlands Führung hat nach Kriegsbeginn ebenfalls mehrere westliche Unternehmen unter staatliche Treuhandverwaltung genommen, darunter etwa die russische Tochter des deutschen Energieversorgers Uniper. Nach der Übergabe russischer Brauereien der dänischen Carlsberg-Gruppe unter staatliche Kontrolle warf Carlsberg-Chef Jacob Aarup-Andersen Putin vor, der Brauerei das "Geschäft gestohlen" zu haben. Andere westliche Konzerne, die wegen des Kriegs aus ihrem Russlandgeschäft aussteigen wollen, sind verpflichtet, beim Verkauf einen deutlichen Rabatt auf den wahren Wert ihres Besitzes zu geben.

Berlin (Reuters) / MOSKAU (dpa-AFX)

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