Sentix-Chef Hussy: "Die Anleger haben die Krise kultiviert"
Der Geschäftsführer des Analysehauses Sentix, Patrick Hussy, spricht im Interview mit Euro am Sonntag über Krisen und Zuversicht.
€uro am Sonntag: Eigentlich ist die Welt ja im Krisenmodus. Warum sind die Börsen trotzdem in starker Verfassung, Herr Hussy?
Patrick Hussy: Die schlimmen Nachrichten sind bekannt, sie begleiten uns je nach Thema seit einigen Jahren. Die Anleger haben die Krise quasi kultiviert und gelernt, mit ihr zu leben.
In welcher Stimmung sind denn die Anleger?
Die sind derzeit gar nicht so skeptisch. Insgesamt ist nicht die Krise als „altes“ Thema dominierend, sondern eher die Konjunkturzuversicht. Diese ist natürlich induziert durch die immensen Liquiditätsmaßnahmen, die von den Notenbanken eingeleitet wurden.
Aber so richtig optimistisch in Bezug auf Aktien ist doch auch keiner ...
Das stimmt. Eine gute Erklärung hierfür liefert uns der Stimmungszyklus mit seinen drei Phasen. Die erste Phase ist dadurch geprägt, dass die Börsen steigen, und keiner hat dafür eine Erklärung. In der zweiten Phase erkennen die Anleger, warum die Kurse steigen. Es herrscht dann eine Synchronizität zwischen steigenden Kursen und guten Nachrichten.
Und die dritte Phase?
Das ist die Hochrisikophase. Die tritt dann ein, wenn Aktien weiter zulegen und keiner mehr eine Erklärung braucht. Aktuell sind wir in der zweiten Phase. Wir haben eine Reihe guter Sentix-Konjunkturdaten gesehen — bestätigt durch den Ifo-Index oder durch gestiegene Einkaufsmanagerindizes in den südeuropäischen Ländern. Und so stellen Anleger die Synchronizität in Form steigender Kurse her. Aber sind sie schon bereit, blind zu kaufen? Nein.
Agieren private Anleger anders als Profis?
Die Privaten sind eher verhalten, die Institutionellen etwas offensiver. Das hängt bei Letzteren auch mit dem Anlagenotstand zusammen. Die Zinsmärkte sind ausgepresst, sodass händeringend nach Alternativen gesucht wird.
Und wie geht’s weiter?
Das Zögern, das wir aktuell bei den Anlegern sehen, ist sozusagen der Übergang von der zweiten zur dritten Phase. Wenn der DAX jetzt noch mal einen Schub Richtung 9.000 Punkte macht, könnte die dritte Phase beginnen. Dann steigen noch mal viele Anleger ein.