Osteuropa-Experte: "Der Kursanstieg in Osteuropa ist nicht gerechtfertigt“
Günter Faschang, Manager des Amarillo Emerging Europe Alpha Fund, zeigt sich kritisch gegenüber der Entwicklung an den osteuropäischen Aktienmärkten. Lesen Sie seine Einschätzung.
Günter Faschang hat internationale Wirtschaftswissenschaften in Innsbruck und Gainsville (USA) studiert. Seit 1994 beschäftigt er sich mit Schwellenländern. Zuerst als Währungsanalyst, dann als Chefstratege und Ölsektoranalyst für osteuropäische Aktien. Zwischen 2001 und 2007 war Faschang Chef des Osteuropa-Teams von Vontobel. Das US-Analysehaus „The Ranking Service“ kürte ihn 2005 zum besten Fondsmanager der Welt. Heute arbeitet Faschang für Amarillo Asset Partners.
€uro am Sonntag: Herr Faschang, der Internationale Währungsfonds (IWF) hat seine Wachstumsprognose für Russland vor Kurzem korrigiert. Statt 6,5 Prozent wird die Wirtschaft 2009 um 7,5 Prozent schrumpfen. Auch in vielen Staaten Osteuropas fällt das Bruttoinlandsprodukt im Vergleich zu 2008 deutlich geringer aus. Trotzdem sind die Börsen der Region stark im Plus. Setzen die Anleger auf eine baldige Konjunkturerholung?
Günter Faschang: Nein, aus ökonomischer Sicht ist der Kursanstieg sicher nicht gerechtfertigt. 2010 wird die Wirtschaft Russlands im besten Fall stagnieren. Auch die Volkswirtschaften Osteuropas werden in den kommenden Monaten nur sehr verhalten zulegen. Derweil klettert in vielen Staaten die Arbeitslosenrate, lahmt der Konsum und Investitionen bleiben aus.
Was treibt dann die Kurse an den osteuropäischen Börsen?
Wir haben es in Russland und Osteuropa – wie in den Industriestaaten auch – mit einer rein liquiditätsgetriebenen Rally zu tun. Aufgrund der Niedrigzinspolitik der Notenbanken ist viel Geld im Umlauf, das nach Anlagemöglichkeiten sucht. Die bieten sich vor allem in den Schwellenländern und auch in der Region Osteuropa.
Wer kauft?
Es engagieren sich ausschließlich Institutionelle Investoren. Privatanleger steigen nach den bitteren Erfahrungen im vergangenen Jahr so schnell nicht wieder ein.
Damals gingen die Kurse dramatisch nach unten, nicht zuletzt, weil Staaten wie Ungarn und die Ukraine vor dem Bankrott standen. Ist die Gefahr nun gebannt?
Der IWF hat durch die Bereitstellung von Krediten die drohende Pleite verhindert. Ich halte die Kriseninterventionen jedoch nicht für das probate Mittel. Auch wenn die Kreditvergaben mit der Auflage verknüpft ist, die Verschuldung abzubauen, senden sie doch das falsche Signal. Die Staaten in der Region, aber auch die Anleger wissen: In letzter Sekunde kommt immer der IWF als Retter. Das trübt den Blick für das Risiko und verhindert meist eine vernünftige Wirtschaft- und Fiskalpolitik.
Wie lange gehen die Börsen im Osten noch nach oben?
Schwierig einen exakten Zeitpunkt zu nennen. Die Rally setzt auch Investmentgesellschaften unter Druck, sich zu engagieren, obwohl sie die Gefahren klar sehen. Die Kurse können daher noch eine Weile nach oben ziehen. Aber eine Korrektur ist aus meiner Sicht unvermeidlich, da sich die Aktienmärkte Osteuropas nicht ewig von der Wirtschaftsentwicklung abkoppeln können.
Sie waren schon als Fondsmanager bei der Investmentgesellschaft Vontobel speziell Russland gegenüber sehr skeptisch. Was hat Sie so gestört?
Unter anderem die mangelnde Diversifikation der Wirtschaft. Es gibt zu wenig gute private Unternehmen.
Vonseiten der Anleger gab es jedoch heftige Kritik, da die Wertentwicklung schlechter als die anderer Fonds ausfiel?
Ja, kurz nach meinem Weggang von Vontobel im Mai 2008 sind die Kurse aber dann tatsächlich stark eingebrochen. Ich sehe dies als Bestätigung meiner vorsichtigen Anlagepolitik. Denn die Märkte im Osten sind nicht sehr liquide, es ist besser, früh zu verkaufen.
Welche Branchen sind Ihrer Ansicht nach reif für einen Abschwung?
Unter anderem Rohstoffe verarbeitende Unternehmen und Industriezykliker.
Welche Werte haben dagegen Potenzial?
Beim polnischen Telekomunternehmen TPSA zum Beispiel rechne ich mit steigenden Notierungen. Auch die russische MTS hat noch Luft nach oben.