Gottfried Heller: Das Gift muss raus
Altmeister Gottfried Heller über historische Crashs, die Analyse der momentanen Situation an den Aktienmärkten und was er Anlegern rät.
€uro am Sonntag: Welcher war der dramatischste Crash, den Sie erlebt haben?
Gottfried Heller: 1987 sind die Kurse fast senkrecht abgestürzt. Das war eine reine Überspekulation, die durch den computergesteuerten Handel beschleunigt worden ist. 1974 hatten wir eine sehr lange und sehr schlimme Baisse, ausgelöst durch hohe Inflation. Die Stimmung war total am Boden.
Wie wird es dieses Mal?
Die jetzige Situation ist nicht vergleichbar mit früheren Krisen. Wir haben zwei große Probleme: eine Vertrauenskrise, weil die Politik keine Antworten findet, und eine Schuldenkrise. Die USA und Europa müssen ihre Schulden abbauen, die Banken ihre Bilanzen in Ordnung bringen. Das Gift der faulen Anleihen muss aus dem Organismus geschwemmt werden. Dieser Prozess dauert länger als bei gewöhnlichen Krisen.
Pessimisten ziehen Vergleiche zur Großen Depression der 30er-Jahre. Ist das gerechtfertigt?
Nein. Damals hatten wir eine Deflation, ausgelöst durch falsche Wirtschaftspolitik. Man hat im freien Fall die Zinsen erhöht und den Welthandel eingeschränkt. Durch den Goldstandard konnte die Geldmenge nicht ausgeweitet werden. Dieses Problem haben wir heute nicht. Die Notenbanken sind frei, so viel Geld zu drucken, wie sie wollen. Genau das wird gemacht.
Was könnte die Wende zum Guten bringen?
Die Geldpolitik in Europa und den USA wird locker bleiben. Außerdem sind die Rohstoffpreise deutlich gesunken. Das wird den Druck auf die Schwellenländer abschwächen, Inflation durch höhere Zinsen bekämpfen zu müssen. Anfang des kommenden Jahres könnte es mit der Konjunktur schon wieder aufwärtsgehen.
Also jetzt Aktien?
Wer gemäß den Worten meines Freundes Kostolany zu den Hartgesottenen zählt, kann jetzt an schwächeren Tagen kaufen, am besten Aktien mit hoher Dividendenrendite. Wer schlaflose Nächte hat, wenn er im Minus liegt, sollte noch abwarten.