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Sixt-Chef: Gartenpflege? Ein Albtraum!

20.07.14 03:00 Uhr

Sixt-Chef: Gartenpflege? Ein Albtraum! | finanzen.net
Erich Sixt

Auch nach 45 Jahren an der Spitze des Autovermieters bleibt Erich Sixt in Angriffslaune. Der Unternehmer über Lebensstil, globale Expansion und Benimmkurse für Taxifahrer.

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von S. Bauer und T. Höfinghoff, Euro am Sonntag

Erich Sixt, soeben 70 Jahre alt geworden, hat in seinem Leben erstaunliche Nerven bewiesen. Der in Österreich geborene Spross einer Münchner Unternehmerfamilie übernahm vor 45 Jahren das Steuer des elterlichen Mietwagenunternehmens - und gab Vollgas: Der Markt war fest in der Hand der Platzhirsche Avis und Hertz und galt als gesättigt. Sixt beharrte darauf, dass es keine gesättigten Märkte gebe, und griff frontal an.

Inzwischen hat sich die Firma des Selfmade-Millionärs von ursprünglich 200 Mietwagen zur Nummer 4 in Europa gemausert. Anleger fahren gut mit Sixt: Die Aktie brachte in den vergangenen fünf Jahren inklusive Dividenden rund 40 Prozent Rendite pro Jahr - mehr als doppelt so viel wie der Durchschnitt aller Werte im SDAX. Die konservativen Geschäftsprinzipien des Firmen­patriarchen haben großen Anteil an der außergewöhnlichen Kursentwicklung. Denn das Unternehmen schlitterte selbst mitten in der Finanzkrise nicht in die Verlustzone und legte seither jedes Jahr solide einstellige Wachstumsraten vor.

Rüstig und richtig global
Der Firmenlenker sprüht auch im fortgeschrittenen Alter noch vor Tatendrang. Die Expansion im weltgrößten Mietmarkt USA läuft auf Hochtouren. Und Anfang Juni haben die Bayern ihre ersten Filialen in der Karibik eröffnet, etwa auf der Insel Curaçao. Sixt hat seinen Riecher für die Wünsche der Kunden in all den Jahren nicht verloren: Die Münchner punkten mit Carsharing-Diensten bei der jüngeren Generation und pflegen mit einem eigenen Chauffeurdienst die Beziehungen zur gut betuchten Klientel. €uro am Sonntag sprach mit Erich Sixt über das Carsharing-Abenteuer, die schrille Werbung und schlechte Manieren im Taxigeschäft.

€uro am Sonntag: Herr Sixt, warum wollen Sie neuerdings die Taxifahrer arbeitslos machen?
Erich Sixt:

Taxifahrer haben ihren Platz, aber wir bringen das Taxigewerbe mit einem eigenen Chauffeurservice auf Trab. In der Branche gibt es große Defizite. Selbst Taxifahrer haben das erkannt und belegen in Berlin schon Benimmkurse.

Bei Ihnen?
Nein. Aber bei Sixt könnten sie lernen, wie man sich gegenüber dem Kunden gut verhält. Jeder von uns hat ja mit Taxis schon einschlägige Erfahrungen gemacht.

Was ist Ihnen passiert?
Mein schlimmstes Erlebnis war in New York. Ich kam am Flughafen an und wollte nach Manhattan. Der Taxifahrer fragte mich, wo ich herkomme. Als ich ihm sagte, ich sei aus Deutschland, sagte er: "Ich nehme keine Fahrgäste aus Deutschland mit." Dann hat er auf dem Highway angehalten und mich rausgeworfen. Ich musste trampen. Vielleicht ein Extrembeispiel, aber es ist passiert.

In Europa läuft es besser?
Na ja, das ist von Stadt zu Stadt verschieden. In Deutschland können wir jedenfalls mit MyDriver punkten. Wir bieten Kunden ein vernünftiges Auto zum Festpreis, einen Fahrer mit Krawatte, der rasiert ist und die deutsche Sprache beherrscht. Das ist in der Regel etwas teurer als ein Taxi, aber es rechnet sich besonders für Unternehmen, weil wir transparente Sammelrechnungen erstellen. Aber: MyDriver hat wirtschaftlich noch eine sehr kleine Bedeutung für unseren Konzern.

Und Carsharing?
Das läuft besser, als ich am Anfang erwartet habe. DriveNow hat mittlerweile rund 300.000 Nutzer in fünf deutschen Städten und in diesem Frühjahr erstmals die operative Gewinnschwelle erreicht.

Leidet Ihr Vermietgeschäft, weil immer mehr Leute auf Carsharing setzen und kein Auto mehr besitzen wollen?
Das klassische Mietgeschäft läuft anders. Kunden mieten eher für weite Strecken, im Schnitt fahren sie 200  Kilometer am Tag und mieten für vier Tage. Carsharing ist für kurze Strecken in der Stadt. Da sehe ich keinen Konflikt. Allerdings hat mich überrascht, dass Carsharing so gut läuft. Die Jugend sieht das Auto nicht mehr als Statussymbol.

Denken Sie sich Ihre schrille ­Werbung eigentlich selbst aus?
Vieles denke ich mir allein aus und entscheide spontan. Allerdings diskutiere ich oft auch mit Jean-Remy von Matt, dem Schweizer Mitbegründer unserer langjährigen Werbeagentur. Bei uns gibt es aber keinen Werberat wie in Großkonzernen, der Anzeigen erst nach langer Diskussion schaltet.

Welche Zutaten braucht es für eine gute Kampagne? Häme? Politik?

Unter den Autovermietern rangiert Sixt in Europa auf Platz 4
Politiker sind besonders gut geeignet, weil sie viel Unfug treiben und den Bürger so viel Geld kosten. Frankreichs Staatschef François Hollande ist eines unserer Lieblingsziele. Unsere Kampagne zu Hollandes Liebesaffäre mit dem Titel "Herr Präsident, meiden Sie das nächste Mal den Motorroller. Sixt vermietet Autos mit getönten Scheiben" habe ich mir ausgedacht. Das Anzeigenmotiv war optisch nicht kreativ, muss ich gestehen. Es war aus der Hüfte geschossen, doch die Aufmerksamkeit war riesig.

Welche Anzeige war nicht gut?
In Deutschland haben wir mal mit dem bayerischen Psychiatrieopfer Gustl Mollath eine Anzeige gemacht. Ich muss bekennen, dass ich das zu schnell entschieden und die Gefühle des Mannes verletzt habe. Dafür habe ich mich bei ihm entschuldigt.

Testen Sie Ihre Anzeigen nicht?
Ich mache spontane Befragungen im Haus. Ich hole mir Leute aus den Büros und lasse sie die Anzeige angucken.

Wenn der Chef ruft, sagen die Mitarbeiter doch sofort "toll", oder?
Nein, nein, so läuft das nicht. Ich will nur deren Gesichter sehen. Im Bruchteil einer Sekunde entscheiden sie, ob ihnen eine Anzeige gefällt oder nicht.

Warum wollen Sie jetzt Amerika mit Ihren Mietwagen erobern?
Ich dachte früher immer, ich überlasse Amerika der nächsten Sixt-­Vorstandsgeneration. Aber als ich merkte, ich bin noch recht fit, bin ich zur Tat geschritten. Im Ernst: Die USA sind der größte Autovermietmarkt des Planeten. Allein am Flughafen Orlando laufen 40.000 Mietwagen. Das sind mehr, als in der gesamten Schweiz unterwegs sind. Uns bietet sich ein riesiger neuer Markt.

Und in Europa wollen Sie daher nicht mehr Nummer 1 werden?
Das stimmt nicht. Unser Ziel bleibt, in Europa Marktführer zu werden. Doch ich habe immer gesagt, dass dies nur mit Akquisitionen möglich ist. Allerdings gibt es derzeit keine Zukaufmöglichkeiten in der Branche, daher ist unser ursprüngliches Ziel, die Marktführerschaft in Europa bis 2016 zu erreichen, nicht mehr realistisch.

Wieso zögern Sie, auch in China mitzumischen?
Der chinesische Markt ist noch zu chaotisch. Es existiert kein Autovermietgeschäft an Flughäfen, wie wir es kennen. Die Leute nehmen lieber den Zug. Außerdem bietet China keinen stabilen Rechtsstaat, da halten wir uns lieber fern.

Sie führen Sixt seit 45 Jahren. Die Geschäfte laufen gut, der Aktienkurs steigt. Wäre es nun Zeit, sich mal zufrieden zurückzulehnen?
Auf keinen Fall. Ich bin Unternehmer, das Wort "Zufriedenheit" sollte man da aus dem Vokabular streichen.

Was ist Ihr Albtraum? Wie ein ­behäbiger alter Herr zu wirken?
Mein Albtraum ist, meine Unrast und Neugierde zu verlieren. Man muss sich seine geistige Beweglichkeit bewahren. Gartenpflege wäre mein Albtraum.

Was bedeutet Ihnen Ihr Vermögen?
Luxus bedeutet mir gar nichts. Glücksgefühle erlebe ich anders. Ich freue mich, wenn ich in den Bergen bin und die Sonne scheint.

Das sagt sich allerdings leicht als Millionär.
Nein, ich gehe wirklich gerne wandern. Und ich habe bereits in jungen Jahren den Pilotenschein gemacht. Kürzlich habe ich eine einmotorige Maschine gemietet und bin über die Alpen geflogen. Das macht Spaß.

Investor-Info

Sixt
Gut gefahren

Der Autovermieter ist gemessen am Umsatzwachstum kein Formel-1-Flitzer. Doch das Unternehmen baut das Geschäft kontinuierlich aus, die Gewinne legen überproportional zu. Analysten rechnen für das laufende Jahr mit einem Plus beim Profit von rund neun Prozent, 2015 soll es um zwölf Prozent vorangehen. Angesichts dessen ist die Aktie ­moderat bewertet. Solide Dividendenrendite.

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Bildquellen: Sixt AG, 360b / Shutterstock.com

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