Interview exklusiv

Robert Halver: "Ich sehe keine Crash-Gefahr in DAX und Dow"

09.05.18 22:10 Uhr

Robert Halver: "Ich sehe keine Crash-Gefahr in DAX und Dow" | finanzen.net

Der Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank spricht im Interview über den möglichen Handelskrieg, die Aussichten an den Aktienmärkten sowie über den Euro- und Goldpreis.

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von Benjamin Summa

Herr Halver, nach der heftigen Korrektur im Februar scheinen die Anleger - pünktlich zu Beginn des Wonnemonats Mai - wieder Lust auf Aktien zu bekommen. Wie bewerten Sie die Lage an den Aktienmärkten momentan?

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Robert Halver: Die Märkte zeigen trotz der vielen Krisen eine sehr starke Robustheit; statt "sell in May" muss es also dieses Mal heißen "stay in May". Es steht 2 zu 1 für die Aktienmärkte: Zins- und Kriegsangst verarbeitet, Zollangst noch akut die Angst vor Zinserhöhungen ist in den Hintergrund getreten, da der Handelsprotektionismus die Konjunktur und damit die Inflation bremst. Zudem hat sich die Furcht vor einer Eskalation in den Krisengebieten - allen voran Nordkorea - abgeschwächt. Belastend für die Aktienmärkte wirkt sicherlich nach wie vor die Zollerhöhungsangst. Nach 30 Jahren des zunehmenden Freihandels müssen die Aktienmärkte das Thema Handelsprotektionismus erst verarbeiten und einordnen. Ich gehe allerdings davon aus, dass man hier zwischen der EU bzw. China und Amerika Lösungen finden wird, mit denen auch die Aktienmärkte leben können - massive handelspolitische Verwerfungen erwarte ich nicht. Allerdings wird sich Trump dieses Thema bis zur Kongresswahl in den USA im November nicht nehmen lassen. Trotz zunehmender Volatilität sollte man weiterhin bei Aktien bleiben, da die Alternativ-Anlagen weiterhin unattraktiv sind. Zudem ist der Euro günstig, das hilft der europäischen Exportindustrie.

Die US-Notenbank Fed hat den Leitzins zuletzt nicht verändert. Allerdings wird erwartet, dass sie später im Jahr mit ihren moderaten Zinsanhebungen etwas schneller vorangehen will, als bisher geplant. Werden die Kurse aus Ihrer Sicht dadurch nachhaltig unter Druck geraten?
Ich sehe keine Crash-Gefahr. Die noch kommenden Zinserhöhungen in Amerika sind an den Märkten eingepreist. Dass die Inflation im März die Zielmarke des Fed von zwei Prozent erreicht hatte und in Amerika Vollbeschäftigung - teilweise jedoch nur prekär - herrscht, stört wenig. Denn die US-Notenbank vertritt die Inflationsdoktrin, dass eine Preissteigerung, die in der Vergangenheit unter dem Zielwert von zwei Prozent gelegen hat, umgekehrt auch vorübergehend überschießen darf. Der Ölpreis ist zurzeit wegen der Streitigkeiten der USA mit dem Iran und der Ölpreistreiberei Saudi-Arabiens im Vorfeld des Börsengangs des saudischen Ölunternehmens Aramco fundamental zu hoch. Auch wegen der Alternativfördermethode "Fracking" wird das Thema rohstoffseitige Inflation also wieder an Bedeutung verlieren. Überhaupt, mit der Digitalisierung steht der nächste globale Inflationskiller schon bereit. Und die biblische Überschuldung Amerikas verträgt ohnehin keine scharfen Zinserhöhungen. Die Fed kann nicht mehr so, wie sie will.

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Die EZB hingegen ist verdammt spät im Anpassungszyklus. Wie geht es geldpolitisch im Euroraum weiter?
Die Inflation hält sich weiter auf einem ungewöhnlich niedrigen Niveau in der Eurozone und hinkt der Wirtschaft hinterher. Man könnte sagen "wo kein Inflationsrichter, da kein geldpolitischer Henker". Dies deutet auf eine weiter extrem lockere Geldpolitik und eine Fortsetzung der Nullzinspolitik der EZB hin. Ich erwarte die erste Zinserhöhung gegen Ende des nächsten Jahres, der dann aber nur sehr zurückhaltende homöopathische Zinserhöhungen folgen werden. Und irgendwer muss ja die zu erwartende Schuldenunion finanzieren. Kommt die EZB wirklich aus ihrer Rettungsnummer heraus? Gegenfrage: Wird der Fuchs zum Vegetarier?

Der Internationale Währungsfonds hat im Januar seine Wachstumsprognose für die Weltwirtschaft angehoben. Von wem geht dieses Wachstum hauptsächlich aus?
Der IWF kommt mit seinen Prognosen häufig zu früh oder zu spät. Das Weltwirtschaftswachstum hat eher ein Downside-Risiko. Amerika wächst zwar weiterhin gut. Die Emerging Markets wachsen ebenfalls stabil, auch wenn die chinesischen Wachstumszahlen aus der Märchenwelt der Gebrüder Grimm stammen. Aber dennoch könnte die handelsprotektionistische Stimmungseintrübung Wachstumspunkte gerade in Europa, das deutlich exportlastig ist, kosten.

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Wohin tendiert der Euro gegenüber dem Dollar?
Der Euro wird schwächer, da der Markt endlich begriffen hat, dass die Amerikaner eine - wenn auch langsame - Zinserhöhungspolitik machen und die Europäer eben noch nicht. Hinzu kommt, dass starke europäische Exportnationen wie Deutschland am meisten unter einem eventuellen Handelskrieg leiden würden. Das drückt auf die Renditen von Anleihen. Das Kapital wandert eben dorthin, wo die höchsten Renditen zu erwarten sind. Europa und der Euro werden unattraktiver.

Der Goldpreis in Dollar tendiert seitwärts. Das gelbe Metall konnte weder von der Korrektur an den Aktienmärkten im Februar noch vom Kurseinbruch bei den Kryptowährungen oder von den geopolitischen Spannungen profitieren. Woran liegt das?
Der Goldpreis ist die Anlageform, die am meisten geldpolitisch manipuliert wird. Vor allem die Notenbanken haben kein Interesse an einem starken Goldpreis, weil dadurch die Rettung der Welt mit Geld konterkariert würde. Trotz der vielen Krisen, die wir gerade zu Jahresbeginn gesehen haben - Syrien, Nordkorea, die Wahl in Italien, der drohende Handelskonflikt - wird uns der Goldpreis mittelfristig nicht den Gefallen tun, zu steigen. Das heißt für mich aber nicht, dass man sich von Gold als Anlageklasse oder besser gesagt Versicherung abwenden sollte. Ich bleibe bei meiner Meinung, dass bis zu zehn Prozent des liquiden Anlagevermögens in Gold investiert sein sollten. Es kommt die Zeit, in der ein hoher Preis für die massive Überschuldung in der Welt zu zahlen ist. Wohl dem, der dann auch Gold sein Eigen nennt.

Disclaimer: Der Autor, Benjamin Summa, ist freier Mitarbeiter bei finanzen.net. Er interviewt regelmäßig Finanzexperten zu aktuellen Themen.





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Bildquellen: Robert Halver, Simon Katzer

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