Interview Exklusiv

Griechischer Tourismus-Chef: "Wir haben den Boden erreicht"

18.12.12 15:05 Uhr

Der Präsident des Verbands der griechischen Tourismus-Unternehmen, Andreas Andreadis, lobt die harte Linie von Bundeskanzlerin, EU und IWF. Ohne ausländischen Druck werde sich nichts ändern, mahnt er und sieht bereits erste Hoffnungsschimmer am Horizont.

von Thomas Schmidtutz, Euro am Sonntag

Griechenlands Weg aus der schwersten Rezession seit Menschengedenken führt nach Einschätzung der Unternehmensberatung McKinsey nur über den Tourismus — sehr zur Freude des Verbandspräsidenten Andreas Andreadis. €uro am Sonntag sprach mit dem promovierten Wirtschaftswissenschaftler und Chef der Luxushotelgruppe Sani über die aktuelle Lage, den schwierigen Wandel und warum Griechenland in der Eurozone bleiben muss.

€uro am Sonntag: Herr Andreadis, die Finanzminister der Eurozone haben ein weiteres Hilfspaket für Griechenland von rund 44 Milliarden Euro verabschiedet. In der Eurozone halten sich Zweifel, dass dies die letzte finanzielle Hilfe für Griechenland bleibt. Können Sie uns beruhigen?
Andreas Andreadis:
Wir unternehmen jedenfalls alle Anstrengungen, damit das gelingt. Und ich bin da durchaus zuversichtlich. Aber ich halte wenig von langfristigen Vorhersagen, besonders in einem solch schwierigen Umfeld.

Wagen Sie dennoch einen Ausblick auf das kommende Jahr?
Zunächst: Griechenland erlebt derzeit eine sehr schmerzhafte Radikalkur. Am Anfang geht es runter. Wie weit? Das hängt davon ab, wie schnell sich die Reformen umsetzen lassen und wie schnell sie greifen und für Wachstum sorgen. Das dauert und ist sehr, sehr schwer zu prognostizieren. Aber ich bin sehr zuversichtlich, dass die griechische Regierung die Budgetziele 2013 nicht nur erreicht, sondern sogar übertreffen wird.

Sie sehen Licht am Ende des ­Tunnels?
Absolut. Wir haben den Boden erreicht, der Wendepunkt ist in Sicht.

Andere sind weitaus skeptischer. Die OECD erwartet für die griechische Wirtschaft im kommenden Jahr einen weiteren Einbruch von über vier Prozent nach einem Minus von sieben Prozent im laufenden Jahr. Was glauben Sie?
Ich halte das für viel zu pessimistisch. Wir gehen von einem leichten Minus von ein bis zwei Prozent aus, wenn überhaupt.

Woher kommt diese Zuversicht?
Nach den jüngsten Beschlüssen fließen nun 34 der gut 44 Milliarden Euro aus dem Hilfspaket nach Griechenland. Das ist viel Geld für eine Volkswirtschaft unserer Größe. Wenn das Geld ankommt und die Banken wie geplant rekapitalisiert sind, wird die griechische Wirtschaft sehr schnell wieder anspringen. Dann werden die Dinge viel besser aussehen.

Der Chef des Münchner Ifo-Instituts, Professor Hans-Werner Sinn, bleibt dennoch skeptisch und rät Athen weiterhin zur Rückkehr zur Drachme. Damit könne Griechenland sich schneller wieder fangen. Was halten Sie davon?
Theoretisch würde man sagen, dass eine Rückkehr zur Drachme beispielsweise für die Tourismusbranche besser wäre. Aber ich hielte das für einen kapitalen Fehler.

Warum?

Präsident des Verbands der griechischen Tourismus-Unternehmen, Andreas Andreadis
Derzeit passieren viele Dinge in Griechenland, die noch vor zwei Jahren völlig undenkbar waren. Die griechische Wirtschaft verändert sich, der öffentliche Sektor verändert sich, aber auch die Denkweise bei vielen Leuten verändert sich. Das geschieht nur deshalb, weil unsere Gläubiger auf Reformen drängen. Deshalb müssen wir unseren Gläubigern — und ganz besonders Bundeskanzlerin Angela Merkel — dankbar dafür sein, dass sie diesen Druck aufrechterhalten. Denn Griechenland kann nur gerettet werden, wenn wir das Land von Grund auf reformieren. Wenn wir zur Drachme zurückkehren würden, wäre dieser Reformdruck über Nacht weg.

Und die Rettung Griechenlands geht nur mit Druck von außen?
Ja. Es ist traurig, das sagen zu müssen. Aber das ist die Realität. Wenn wir den Schritt von einer Wirtschaft nach sowjetischem Muster zu einer modernen Marktwirtschaft schaffen wollen, geht das nur in der Eurozone.

Sie sind der erste Grieche, der ein Loblied auf die Bundeskanzlerin anstimmt.
Sie werden überrascht sein, wie viele Anhänger Frau Merkel in Griechenland hat. Sicher ist das nur eine Minderheit. Aber wir müssen derzeit sehr bittere Medizin schlucken. Da ist es ganz normal, dass man die Schuld für das eigene Siechtum woanders sucht, am besten im Ausland. Aber die Anpassungen sind ein unvermeidbarer Prozess. Ich würde mir nur wünschen, dass es dabei gerechter zuginge. Es wäre wünschenswert, dass auch Leute die ­Medizin schlucken müssen, die viel haben, statt vor allem jene, die wenig haben.

Die griechische Regierung hat die Ausgaben zusammengestrichen und versucht nun, die Einnahme­seite zu verbessern. Aber Wachstum gibt es so nicht. Was muss konkret passieren, um die Wirtschaft wieder in Gang zu kriegen?
Erstens: Wir müssen die mit der Troika vereinbarten Zahlen erreichen. Das bringt Vertrauen bei unseren Gläubigern. Auf der Ausgabenseite haben wir sehr viel gespart. Bei den Steuereinnahmen werden wir auch besser. Trotz des Wirtschaftseinbruchs von sieben Prozent im laufenden Jahr liegen die Steuereinnahmen von Januar bis Oktober um drei Prozent über dem Vorjahr. Da sind wir also gut unterwegs. Und zweitens müssen wir die Grundlage für Wachstum und neue Jobs legen.

Aber wo soll das Wachstum herkommen?
Hier kommt der Tourismus ins Spiel.

Das mussten Sie als Präsident des griechischen Tourismusverbands jetzt sagen.
Natürlich glauben wir an den Tourismus, denn wir sehen das Potenzial. Aber wir stehen mit unserer Meinung nicht allein. Es gibt eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung McKinsey im Auftrag der griechischen Regierung und der Troika mit dem Titel: „Griechenland in zehn Jahren“. Darin werden die wichtigsten Wirtschaftsbereiche analysiert.

Und das Ergebnis ist ...
... dass der Tourismus Griechenland mit Abstand die größten Wachstumschancen bietet.

Nämlich?
Nach den Prognosen dürfte die Wirtschaftsleistung in den nächsten zehn Jahren um 50 Milliarden Euro steigen. 40 Prozent davon sollen auf den Tourismus entfallen. Das wären 18 Milliarden Euro. Dazu kommen direkt und indirekt 220.000 neue Jobs. Das wäre allein ein Fünftel der Stellen, die im Zuge der Rezession verloren gegangen sind.

Ist das nicht ein bisschen arg optimistisch?

Sani Resort, Griechenland
Wieso? Trotz der Berichterstattung über die Krise in Griechenland und den möglichen Staatsbankrott werden wir im laufenden Jahr gut 16 Millionen Gäste aus dem Ausland haben. Im Vorjahr hatten wir mit 16,5 Millionen Gäste das beste Jahr in der Geschichte, weil sich damals viele wegen der Unruhen in Nord­afrika für Griechenland entschieden haben. Gleichzeitig ist das Preis-Leistungs-Verhältnis derzeit so gut wie noch nie, weil sich die Inlandsnachfrage mit Ausbruch der Krise halbiert hat, die Preise vielerorts gesunken sind und Kapazitäten frei geworden sind. Die wollen wir nun verstärkt im Ausland vermarkten.

Aber in Kernmärkten wie Deutschland oder England ist das Urlaubsland Griechenland zuletzt zurückgefallen. Wie wollen Sie neue Gäste gewinnen?
Es gibt da mehrere Ansatzpunkte wie besseres Marketing oder bessere Qualität. Dazu wollen wir beispielsweise noch mehr in die Ausbildung der Beschäftigten investieren.

Wegen der ständigen Katastrophen-Berichterstattung hat aber vor allem das Image Griechenlands gelitten.
Es stimmt: Nach all der schlechten PR müssen wir Griechenland neu positionieren, um es wieder positiv zu besetzen. Das ist ein großes und ganz wichtiges Projekt (lacht).

Wie wollen Sie das schaffen?
Wir wollen dazu eine eigene Agentur unter dem Namen „Marketing Greece“ gründen. Sie soll ausschließlich aus privaten Mitteln finanziert werden, die wir bei den Unternehmen einsammeln wollen. Wir wollen das neue Griechenland zeigen und mit einem Budget von zwei Millionen Euro eine Reichweite im Wert von 100 Millionen Euro erreichen — und zwar ohne Steuergeld.

Und dann greifen Sie wieder richtig an?
Das ist der Plan. Im laufenden Jahr dürfte sich der direkte Umsatz mit den erwarteten 16 Millionen ausländischen Gästen auf rund zehn Milliarden Euro belaufen, ohne den Transport. Dazu kommen weitere 1,5 Milliarden Euro aus dem lokalen Tourismus. Die Gesamteinkünfte aus dem Tourismus inklusive Multiplikatoreneffekte und tourismusbezogener Investments dürften in diesem Jahr rund 34 Milliarden Euro ­betragen. Das entspricht über 16 Prozent des griechischen Bruttoinlandsprodukts. 2013 erwarten wir 17 Millionen Besucher und elf Milliarden Euro. Der lokale Tourismus wird stabil bleiben. Bis 2015 wollen wir 20 Millionen internationale Gäste begrüßen und 13 Milliarden Euro direkte Einkünfte aus dem Tourismusbereich erwirtschaften. Wenn alles gut geht, werden wir das auch schneller schaffen. 

Bildquellen: Sani Resort