Infrastrukturausbau

Wirtschaftsminister Habeck: Gaspreise bleiben auch 2023 hoch

28.12.22 14:19 Uhr

Wirtschaftsminister Habeck: Gaspreise bleiben auch 2023 hoch | finanzen.net

Bürger in Deutschland müssen laut Wirtschaftsminister Robert Habeck noch ein Jahr lang mit hohen Gaspreisen rechnen.

"Wann sinken die Preise? Ich hoffe, dass es gegen Ende 2023 schon besser ist, wenn auch nicht auf dem Niveau von 2021", sagte der Grünen-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. "Das Jahr über werden wir höhere Preise noch aushalten müssen." Danach werde die Infrastruktur voraussichtlich so weit ausgebaut sein, dass genügend Ersatz für das ausbleibende russische Gas nach Deutschland fließe und sich die Preise von selbst wieder regulierten.

Zuletzt war der Gaspreis an Europas Großhandelsmärkten zwar schon gesunken. Auf die Gasrechnung der Verbraucher hatte das aber noch keine unmittelbaren Auswirkungen, da sich viele Versorger mit langfristigen Verträgen eingedeckt haben. Dennoch sieht Habeck eine positive Entwicklung.

"Die Preise sind seit dem Sommer gesunken, das ist erstaunlich, da wir mitten im Winter sind", sagte der Wirtschaftsminister. So sei der Gaspreis am sogenannten Spotmarkt vor Weihnachten von 130 auf etwas unter 100 Euro pro Megawattstunde gefallen. "Das ist deutlich zu hoch, gar keine Frage", betonte er. Aber der Preis sei weniger explodiert, als man befürchtet habe.

Auf dem Spotmarkt wird Gas angeboten, das man heute kauft und morgen bezieht. Bis Mitte 2021 lag der Spotmarkt-Preis in der Regel in der Preisspanne 10 bis 30 Euro. Im Vergleich dazu habe sich der Preis mehr als verdreifacht, räumte der Wirtschaftsminister ein. "Wenn man aber aus dem Sommer 2022 darauf schaut und die hohen Preise von zeitweise über 300 Euro im August in Erinnerung hat, sieht es anders aus."

Antwort auf die hohen Preise sei zum einen die Gaspreisbremse, die ein gewisses Kontingent an Gas für Verbraucher bis zum Frühjahr 2024 künstlich auf einen Preis von 12 Cent pro Kilowattstunde drückt. Vor allem aber müsse die Infrastruktur weiter ausgebaut werden, betonte Habeck. "Die Preise sind so hoch, weil die Hälfte des Gases, das Deutschland verbraucht, durch Putins Lieferstopp weggebrochen ist, und wir außer den Pipeplines keine Lieferinfrastruktur hatten."

Schwimmende Terminals für Flüssiggas sollen Abhilfe schaffen. "Wenn wir es schaffen, das in dem jetzt vorgelegten Tempo weiter auszubauen, dann schließen wir Deutschland wieder an den Weltmarkt an", beteuerte Habeck. "Und dann werden wir auch die Weltmarktpreise bekommen, die deutlich unter dem liegen, was wir jetzt haben."

Mit Blick auf die Versorgungssicherheit sagte der Grünen-Politiker, er sei der froh, dass die Temperaturen nach eisigen Wochen vor Weihnachten wieder gestiegen seien. "Natürlich geht es mir wie wohl den meisten Menschen im Land: Ich finde Winter schön, wenn er kalt ist", betonte er. Außerdem mache ihm die zu spürende Klimaerhitzung natürlich Sorgen. "Aber ich will zugeben, dass ich in diesem Jahr durchaus froh bin, wenn es im Winter nicht so knackig kalt wird."

Während der Kältewelle Mitte Dezember war der Füllstand der Gasspeicher teils um mehr als einen Prozentpunkt pro Tag gesunken. Zuletzt aber stieg er sogar wieder - wohl wegen der für Dezember milden Witterung. Am ersten Weihnachtstag waren die Speicher nach Daten des europäischen Gasspeicherverband GIE zu mehr als 88 Prozent gefüllt.

Habeck sieht die Versorgung für den aktuellen Winter daher gesichert. Wenn die Speicher Anfang Februar noch zu 40 Prozent gefüllt seien, dann sehe es auch für den Winter 2023/24 gut aus, sagte er. "Wenn die Bedingungen so bleiben, wie sie sind, werden wir keine Gasmangellage bekommen. Damit meine ich jetzt nicht die Wetterlage, sondern die Bereitschaft der Bürger und der Industrie einzusparen, den hohen Speicherstand und die Versorgung über das nichtrussische Ausland." Bei einer Gasmangellage müsste etwa die Gasversorgung für Firmen rationiert werden - danach sieht es laut Habeck derzeit aber nicht aus.

Damit zeigt sich der Wirtschaftsminister deutlich optimistischer als viele Bürger. Denn einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov zufolge rechnet eine große Mehrheit der Deutschen damit, dass Erdgas in diesem oder im nächsten Winter knapp wird. Nicht einmal jeder Dritte glaubt demnach, dass die Gasversorgung über beide Winter hinweg gesichert ist.

Bundesregierung und Bundesnetzagentur appellieren immer wieder an Verbraucher und Wirtschaft, sparsam mit Gas umzugehen, damit der Brennstoff nicht rationiert werden muss. Habeck hat den Eindruck, dass die Bürger gut mitziehen. "Dass wir so dastehen, liegt daran, dass die Deutschen im Herbst Gas gespart haben", betonte er. "Die Menschen wissen, dass sie ihren Geldbeutel schonen, aber auch die Widerstandskraft des Landes damit hochhalten." Eine solche Solidarleistung sei nicht selbstverständlich. "Man verzichtet auf Komfort und auf Luxus in den Büros und auch zu Hause. Das ist in der Konsumgesellschaft, in der wir leben, was völlig Ungewöhnliches. Da kann ich nur Danke sagen", betonte Habeck.

Habeck sieht 'Tal der Tränen' bei Ökostrom-Ausbau durchschritten

Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck sieht Fortschritte beim Ausbau des Ökostroms in Deutschland - und zugleich noch einen langen Weg. Der Grünen-Politiker sagte der Deutschen Presse-Agentur in Berlin: "Ich bin nicht unzufrieden, wie das mit dem Ausbau der Erneuerbaren gerade läuft. Noch nicht zufrieden, das ist alles noch ein zartes Pflänzchen, und wir kommen hier wirklich aus dem Tal der Tränen. Aber die sind getrocknet und ein erstes Lächeln kann man sich schon wieder zutrauen."

Dieses Jahr habe gezeigt, dass man wirklich vorangekommen sei, sagte Habeck. "Wir sind noch lange nicht durch. Aber wir haben große Gesetze gemacht, etliche große und kleine Stellschrauben gedreht, um Verfahren zu vereinfachen, Bürokratie schrittweise hinter uns zu lassen und schneller zu werden. Überall haben wir Bremsen gelöst."

Ziel der Bundesregierung ist es, den Anteil des aus erneuerbaren Energien erzeugten Stroms am Stromverbrauch bis 2030 auf mindestens 80 Prozent zu steigern. In diesem Jahr waren es nach ersten Branchenberechnungen rund 47 Prozent. Die Bundesregierung hat umfangreiche Gesetzesänderungen für einen schnelleren Ausbau beschlossen. So sollen 2 Prozent der gesamten Bundesfläche an Land für Windräder ausgewiesen werden. Die Länder sollen in den kommenden Jahren mehr Flächen bereitstellen. Für die einzelnen Länder gelten unterschiedliche Ziele, weil es unterschiedliche Voraussetzungen für den Ausbau der Windenergie gibt.

In diesem Jahr würden Zielvorgaben erfüllt, sagte Habeck. "Die sind nicht so hoch wie die Jahre danach, aber es ist ein guter Ausgangspunkt fürs nächste Jahr. Und das, nachdem es in den letzten Jahren kaum vorangegangen ist. Im nächsten Jahr muss es dann mehr werden, und dann noch mal mehr. Aber die Entwicklung zeigt in die richtige Richtung."

Habeck verwies auch auf ein Maßnahmenpaket mit Verkehrsminister Volker Wissing (FDP). Dadurch wurden zusätzliche Flächen durch eine bessere Vereinbarkeit von Windrädern mit Anlagen zur Funknavigation und Wetterradar geschaffen. Dies mache kurz- bis mittelfristig den Weg frei für 4 bis 5 Gigawatt zusätzliche Windleistung. Die Windenergiebranche rechnet im gesamten Jahr 2022 mit einem Ausbau von 2,3 bis 2,4 Gigawatt. Um Klimaziele zu erreichen, hält Habeck einen Zubau von 10 Gigawatt pro Jahr für notwendig.

"Zehn Gigawatt Zubau pro Jahr sind natürlich eine wirklich hohe Zahl", sagte der Minister. "Das haben wir noch nie geschafft in Deutschland, da waren wir noch nie - und das dauerhaft verstetigt."

Es gebe eine Reihe von konkreten Regelungen, die Windräder für die Anwohner, die Bürger und die Landkreise attraktiver machten, sagte Habeck. "Es gibt eine besondere Förderung noch einmal für Bürgerwindparks. Das ist einer der Fehler der letzten Jahre gewesen, dass man zwar Flächen bereitgestellt hat. Und dann kam irgendeine Firma und hat die Dinger hingestellt. Die Bürgerinnen und Bürger haben die Last getragen, aber nichts davon gehabt, außer dem guten oder nicht so guten Gefühl, Teil der Energiewende zu sein und Klima und Energie zu produzieren."

Die Kommunen hätten nun das Recht bekommen, an den Gewinnen der Windparkbetreiber teilzuhaben. "Diese finanzielle Beteiligung der Kommunen in Höhe von 0,2 Cent pro Kilowattstunde können die Kommunen dann für anderes nutzen, zum Beispiel um das Schwimmbad oder Freibad zu sanieren. Wir stärken die regionale Wertschöpfung über die erneuerbaren Energien." Habeck verwies außerdem auf einen Standortvorteil: "Die Unternehmen werden Regionen aufsuchen und bevorzugen, die eine hohe Dichte an erneuerbaren Energien haben."

Mit Blick auf eine Einigung auf EU-Ebene kurz vor Weihnachten sagte Habeck, es sei ein "bisher beispielloser" Booster für den schnellen Ausbau und die Genehmigungen erreicht worden. Er verwies zudem darauf, dass die Vergütung für die erneuerbaren Energien für dieses und das nächste Jahr "inflationsangepasst" worden sei. Die Bundesnetzagentur werde die Höchstwerte für die Ausschreibungen im kommenden Jahr für Wind und Photovoltaik um 25 Prozent erhöhen.

Wer in Deutschland Wind- oder Solarparks mit staatlicher Förderung bauen will, kann in Ausschreibungen Gebote abgeben. Höchstwerte sollen nun deutlich angepasst werden.

"Das verbessert die Wirtschaftlichkeit der Projekte deutlich und gibt nochmal mehr Schub", betonte Habeck. "Und ich hoffe darauf, dass viele Anträge gestellt und genehmigt werden. "Wichtig ist da natürlich, dass die Länder mitziehen und das Ihrige tun, um bei den Genehmigungen Tempo zu machen."

Bisher gibt es beim Ausbau der Windkraft an Land ein Nord-Süd-Gefälle, wie aus einem Bund-Länder-Kooperationsausschuss hervorgegangen war.

"Ich habe Anfang des Jahres Bayern besucht, ein Land, das beim Windkraftausbau nicht an der Spitze Deutschlands war", sagte Habeck. "Da sind sie jetzt immer noch nicht." Aber Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) rühme sich, dass Bayern Boomland für Windenergie werde. "Das hätte er sich vor Jahren noch nicht getraut zu sagen." Bayern hatte eine strenge Regel zum Abstand von Windrädern zu Wohngebieten gelockert.

BERLIN (dpa-AFX)

Bildquellen: Schroders