Inflation im Blick

Jeremy Siegel prognostiziert turbulente Zeiten für Aktienmarkt: "Wir steuern auf einigen Ärger zu"

06.10.21 23:55 Uhr

Jeremy Siegel prognostiziert turbulente Zeiten für Aktienmarkt: "Wir steuern auf einigen Ärger zu" | finanzen.net

Finanzprofessor Jeremy Siegel schlägt angesichts der Inflationsentwicklung in den USA Alarm und warnt davor, dass die US-Notenbank gezwungen sein könnte, den Tapering-Prozess zu beschleunigen - mit gefährlichen Auswirkungen auf den Aktienmarkt.

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• Jeremy Siegel warnt vor turbulentem Jahresausklang am Aktienmarkt
• Inflation "viel größeres Problem, als die Fed glaubt"
• Siegel sieht Gefahr für Wachstumsaktien, bestimmte Value-Aktien dürften profitieren

Jeremy Siegel, der als Finanzprofessor an der Wharton School der Universität von Pennsylvania lehrt, ist normalerweise eher als Aktienbulle bekannt und lag in der Vergangenheit bereits mit einigen seiner positiven Vorhersagen für den US-Markt richtig. Erst im Frühjahr 2021 prognostizierte er, dass der Dow Jones in diesem Jahr die 35.000-Punkte-Marke knacken werde - und lag damit richtig. Doch seine neuesten Prognosen klingen alles andere als bullish. "Ich erwarte dieses Jahr einige turbulente Zeiten in diesem vierten Quartal", sagte Siegel vergangene Woche in einem Interview mit "CNBC". Grund für seinen pessimistischen Ausblick ist der starke Anstieg der US-Inflation - und die Fed, die die Gefahren bislang zu verdrängen scheint.

Siegel: Inflationsausblick der Fed nicht glaubwürdig

Die Inflationsrate in den USA ist zuletzt deutlich gestiegen. Im August kosteten Waren und Dienstleistungen 5,3 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Die Teuerungsrate liegt damit aktuell über der Zielmarke der US-Notenbank von 4,2 Prozent für dieses Jahr und 2,2 Prozent für 2022. Auch Fed-Chef Jerome Powell sprach Ende September davon, dass die Inflation gegenwärtig "erhöht" sei, erklärte dies aber mit Engpässen in einigen Wirtschaftsbereichen im Zuge der wirtschaftlichen Öffnung nach dem Corona-Schock. Diese Effekte seien jedoch nur vorübergehend und würden mit der Zeit wieder verschwinden, was die Inflation zurückgehen lasse, zeigte sich Powell überzeugt.

Jeremy Siegel sieht das jedoch völlig anders. "Ich schaue mir diese Inflationsprognosen an, die die Fed herausgegeben hat, ich finde sie überhaupt nicht glaubwürdig", sagte er mit Blick auf die Zielwerte von 4,2 Prozent für 2021 und 2,2 Prozent für 2022 gegenüber "CNBC". "Wir werden sehr viel mehr Inflation haben", ist sich der Finanzprofessor sicher. Auch Fed-Chef Jerome Powell schloss einen solchen Fall nicht völlig aus und sagte Ende September vor dem Bankenausschuss des US-Senats, dass die Fed mit all ihren Möglichkeiten reagieren werde, sollte sich die Inflation als hartnäckiger herausstellen. Für Siegel ist klar, dass der Markt in einem solchen Fall auf Turbulenzen zusteuern würde. "Powell hat die Tür geöffnet, indem er gesagt hat, wenn die Dinge schlechter werden, werden wir schneller die Zügel anziehen müssen […] Falls das gegen Ende des Jahres passiert, würde das die Märkte durchschütteln", so der Experte.

Einfluss der Inflation auf die Märkte lässt Alarmglocken schrillen

Für den Wharton-Finanzprofessor ist ein solches Szenario jedoch keine graue Theorie mehr, sondern längst zu einer großen Wahrscheinlichkeit geworden. "Die Inflation, im Allgemeinen, wird ein sehr viel größeres Problem werden, als die Fed glaubt", sagte Jeremy Siegel gegenüber "CNBC". Angesichts der hohen Inflation werde es "Druck auf die Fed geben, den Tapering-Prozess zu beschleunigen und ich glaube nicht, dass der Markt auf ein beschleunigtes Tapering vorbereitet ist", so Siegel. Aktuell geht man am Markt davon aus, dass die US-Notenbank bei ihrer nächsten Sitzung Anfang November eine Drosselung der Wertpapierkäufe beschließen wird und diese dann bis Mitte 2022 schrittweise ganz eingestellt werden.

"Wir alle wissen, dass viel von der Unbeschwertheit der Aktienmärkte mit der Liquidität zusammenhängt, die die Fed bereitgestellt hat. Falls diese schneller weggenommen wird, bedeutet das auch, dass Zinsanstiege früher stattfinden werden. Beide Dinge sind nicht positiv für den Aktienmarkt", erklärte Siegel. "Ich denke, wir steuern auf einigen Ärger zu", so seine wenig optimistische Schlussfolgerung.

Siegel rät zu Dividendentiteln

In einem Umfeld, in dem die Fed die Politik des lockeren Geldes aufgrund der Inflationsentwicklung früher aufgibt als erwartet, werden es laut Siegel vor allem Wachstumsaktien aus dem Tech-Bereich schwer haben. Daher sollten sich Anleger auf herbe Verluste beim NASDAQ Composite einstellen, gibt "CNBC" den Experten wieder, der allerdings kein konkretes Kursziel nennt.

Doch es gibt auch Aktien, die laut Siegel profitieren werden. "Die Neigung wird in Richtung Value-Aktien gehen", glaubt der Wharton-Finanzprofessor. Unter den Value-Titeln dürften nach seiner Einschätzung vor allem Dividendentitel aus dem Bereich der Versorger und Basiskonsumgüterhersteller profitieren, die aktuell eher zu den Underperformern gehören. "Wenn man eine Dividende hat, können Unternehmen ihre Preise erhöhen und historisch gesehen sind Dividenden inflationsgeschützt. Sie sind natürlich nicht so stabil wie eine Staatsanleihe. Aber sie haben diesen Inflationsschutz und eine positive Rendite", so der Experte.

Redaktion finanzen.net

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