Continental-Aktie dreht ins Minus: Continental geht neue Kooperation in den USA ein - Vertrag von CEO Setzer bis 2029 verlängert - Weniger Gegenwind erwartet
Continental will sein künftiges Geschäft rund um Technologien für das autonome Fahren mit einer weiteren Kooperation in den USA stärken.
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Der DAX-Konzern vereinbarte eine Partnerschaft mit dem Unternehmen Aurora Innovation, das hochautomatisierte Systeme für Lastwagen und Nutzfahrzeugflotten anbietet. Dabei wird Continental vor allem Hardware und Entwicklungsdienste einbringen. Speditionsfirmen sollen mithilfe der Technik ihre Kosten verringern und effizientere lange Auslieferungstouren planen können, wodurch auch Spritverbrauch und Lieferzeiten sinken könnten, wie es am Donnerstag hieß. Ab voraussichtlich 2027 werde das gemeinsame Konzept in den Vereinigten Staaten in die Produktion gehen.
Die Technik solle helfen, den wachsenden Güterverkehr zu entlasten. Das Basissystem Aurora Horizon werde bereits "menschliche Kapazitäten ergänzen" können. Ziel sei darüber hinaus eine autonome Steuerung von Trucks. Von Conti wird ein "Rückfallsystem" stammen: "Im Fall eines Ausfalls des autonomen Primärsystems dient es dazu, sicherzustellen, dass der fahrerlose Lkw die Fahraufgabe weiter übernimmt und bis zur nächstmöglichen, sicheren Position weiterfährt."
Conti stellt dabei Sensorik, Steuergeräte und schnelle Rechner zur Verfügung. "Das erste kommerziell skalierbare autonome Lkw-System wird Spediteuren und Flottenbetreibern neue Transportmöglichkeiten eröffnen", versprach der zuständige Manager Frank Petznick.
Der Sparte der Automatisierungs- und Assistenzsysteme kommt bei den Hannoveranern seit einem Konzernumbau eine größere Bedeutung zu. Es gibt schon länger Gerüchte über einen Börsengang. Derzeit bestehen bereits mehrere Beteiligungen und Partnerschaften. Anfang Januar stellte Continental auf der Technikmesse CES in Las Vegas eine strategische Zusammenarbeit mit der US-Firma Ambarella vor, die auf Mikrochip-Module mit Künstlicher Intelligenz (KI) spezialisiert ist.
Bei der Software-Firma Apex.AI stieg Conti 2021 als Anteilseigner ein - hier geht es etwa um ein Basis-Betriebssystem, das den Grundstein für kompliziertere Anwendungen zum autonomen Fahren oder für verschiedene Sicherheits- und Assistenzfunktionen bilden kann. In China wurde mit der chinesischen KI-Firma Horizon Robotics ein Gemeinschaftsunternehmen gegründet. Auch derVolkswagen-Konzern steckt große Summen in ein Joint-Venture mit dieser Firma.
Conti-Chef: Behalten Preisentwicklung im Blick - Vertrag verlängert
Continental-Chef Nikolai Setzer hat die Aktionäre des Konzerns nach seiner Vertragsverlängerung auf ein stabileres Restjahr 2023 eingestimmt - und gleichzeitig anhaltend hohe Preise bei Autotechnik und Reifen angedeutet. Zu den Gesprächen mit großen Kunden des Zulieferers sagte er am Donnerstag: "Auch in den kommenden Monaten behalten wir das Thema im Blick. Denn die Inflation bleibt - unsere Verhandlungen auch." Der Kostendruck etwa aus Transporten und Logistik sei uneinheitlich, liege jedoch teils oft noch über dem Vor-Corona-Niveau. Lohnerhöhungen spielten ebenfalls eine Rolle.
Vor der von einer technischen Panne geprägten Online-Hauptversammlung hatte der Aufsichtsrat Setzer für mehrere weitere Jahre an die Spitze des DAX 40-Unternehmens berufen. Er soll Conti bis zum März 2029 führen.
Finanzvorständin Katja Dürrfeld erklärte, im Auto-Kerngeschäft müsse man noch mit "wesentlichen Preissteigerungen" für Rohstoffe rechnen. Bei manchen Mikrochips hingegen entspanne sich die Knappheit, insgesamt gelte aber: "Der Halbleitermarkt in Gänze stellt eine substanzielle Herausforderung dar." Für 2023 erwarte Continental Inflationseffekte von weiteren rund 1,7 Milliarden Euro. Wie stark diese auf Endkundenpreise durchschlagen könnten, ist noch unklar.
Die Firmenleitung hatte das Lieferantennetzwerk erweitert, um weniger abhängig von einzelnen Anbietern zu sein. Einige Rohstoffe beziehe man nun aus Alternativquellen, so Setzer. Bei besonders nachgefragten Halbleitertypen werde sich die Lage indes frühestens 2025 bessern.
Mehrere Aktionärsvertreter fragten nach dem Stand der Aufarbeitung der Cyberattacke aus dem vorigen Herbst. Hacker hatten 40 Terabyte an Daten von Continental gestohlen. Einzelheiten hierzu gab es nicht, laut Dürrfeld laufen die Untersuchungen noch. Die Kosten summierten sich bisher auf einen "niedrigen einstelligen Millionenbetrag".
Christian Retkowski von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger kritisierte das Tempo: "Nach über zehn Monaten forensischer Analyse können Sie nicht sagen, welche Arten von Dokumenten geklaut wurden?" Conti müsse sich seiner Verantwortung als Vorreiter beim autonomen Fahren bewusst sein. Sonst könnte es im Fall von IT-Hacks auch in Auto-Software bald "ganz viele scharfe Waffen auf der Straße" geben.
Die Anteilseigner lobten die Beschäftigten und das Management für die erzielten Geschäftsergebnisse im zurückliegenden Jahr, das laut Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle "erneut nicht einfach" war. Contis Nettogewinn schrumpfte von rund 1,4 Milliarden Euro (2021) auf 67 Millionen Euro. Allerdings kamen dabei auch hohe Abschreibungen wegen des gestiegenen Zinsniveaus und der Russland-Sanktionen zum Tragen.
Für 2023 gibt sich die Führung relativ optimistisch, sie geht von einer Zunahme der weltweiten Autoproduktion sowie des Umsatzes und der Ertragsspanne aus. Ausgeschüttet wird eine Dividende von 1,50 Euro je Aktie, eine Kürzung um 70 Cent. Der Umbau- und Sparkurs dauert an. Bis 2029 läuft bei Conti ein Programm, in dessen Rahmen auch etliche Stellen wegfallen. "Ab dem nächsten Jahr wollen wir jährlich mehr als 850 Millionen Euro brutto sparen", sagte Setzer.
Unmut kam auf, weil die Hauptversammlung abermals nur rein digital veranstaltet wurde - mit beträchtlichen technischen Schwierigkeiten. Bald nach dem Beginn brach die Übertragung über das Internet ab. Nach knapp dreiviertelstündiger, mit Image-Videos gefüllter Zwangspause musste Reitzle seinen Bericht ein zweites Mal vortragen, nachdem er die Online-Variante zuvor noch mit der Möglichkeit eines "lebhaften Dialogs analog einer Präsenz-Hauptversammlung" gerechtfertigt hatte.
Ein Vertreter der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz zeigte sich genervt davon: "Der Stream war ein Desaster, das darf so nicht sein", sagte Alexander von Vietinghoff-Scheel. Ohne einen stabilen Austausch sei die Aktionärsdemokratie gefährdet. "Wir werden uns da rechtliche Schritte für unsere Mitglieder vorbehalten."
Die Führung entschuldigte sich - und bat die Aktionäre dennoch um das Recht, Hauptversammlungen für zunächst drei Jahre weiter "virtuell" veranstalten dürfen. Der Vorschlag wurde, wie alle übrigen, am Ende mit großer Mehrheit angenommen. Als einziger Aufseher kam Reitzle bei der abschließenden Entlastung auf weniger als 90 Prozent Ja-Stimmen.
Keine inhaltlichen Details wurden zum Stand interner Untersuchungen über mögliche Verwicklungen von Continental in den VW-Diesel-Skandal sowie über Qualitätsmängel bei Klimaanlagen-Leitungen und Schläuchen genannt. Für beide Themen bildete der Konzern Sonderausschüsse. "Das waren und sind besondere Belastungen", sagte Setzer allgemein. "Wir ziehen Konsequenzen." Ab Mai leitet der bisherige Mercedes-Benz)-Manager Olaf Schick ein neues Ressort für Integrität und Recht im Vorstand.
Neuigkeiten gab es hingegen zu Plänen in den USA. Dort will Conti sein künftiges Geschäft mit Technologien für das autonome Fahren mit einer weiteren Kooperation stärken. Der Konzern schloss eine Partnerschaft mit dem Unternehmen Aurora Innovation, das hochautomatisierte Systeme für Lkw und Nutzfahrzeugflotten anbietet.
Auf XETRA gewinnt die Conti-Aktie zunächst, bevor sie ins Minus dreht und zeitweise 0,50 Prozent auf 63,90 Euro verliert.
HANNOVER/PITTSBURGH (dpa-AFX) / FRANKFURT (Dow Jones) / Hamburg (Reuters)
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