Wirtschaftsforschungsinstitute revidieren Wachstumsprognose für 2023 kräftig abwärts
Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute prognostizieren für das Jahr 2023 einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Deutschland um 0,6 Prozent.
Für 2024 erwarten sie ein Wachstum von 1,3 Prozent und für 2025 von 1,5 Prozent. Damit werde die Prognose vom Frühjahr für 2023 kräftig um 0,9 Prozentpunkte nach unten revidiert, so das federführende Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). "Der wichtigste Grund dafür ist, dass sich die Industrie und der private Konsum langsamer erholen, als wir im Frühjahr erwartet haben", sagte IWH-Vizepräsident Oliver Holtemöller.
Deutschland befinde sich seit über einem Jahr im Abschwung. Der sprunghafte Anstieg der Energiepreise im Jahr 2022 habe der Erholung von der Pandemie ein jähes Ende bereitet. Die Stimmung in den Unternehmen habe sich zuletzt erneut verschlechtert, dazu trage auch politische Unsicherheit bei. Insgesamt deuteten die Indikatoren darauf hin, dass die Produktion im dritten Quartal 2023 nochmals spürbar gesunken sei. Allerdings hätten mittlerweile die Löhne aufgrund der Teuerung angezogen, die Energiepreise abgenommen und die Exporteure die höheren Kosten teilweise weitergegeben, sodass Kaufkraft zurückkehre.
"Daher dürfte der Abschwung zum Jahresende abklingen und der Auslastungsgrad der Wirtschaft im weiteren Verlauf wieder steigen", erwarteten die Institute. Für das Jahr 2024 liege die Prognose nur 0,2 Prozentpunkte unter der Prognose vom Frühjahr. In den Jahren danach werde sich bemerkbar machen, "dass das Potenzialwachstum aufgrund der schrumpfenden Erwerbsbevölkerung mittelfristig deutlich zusammenschmilzt".
Die konjunkturelle Schwäche sei mittlerweile auch auf dem Arbeitsmarkt angekommen. Die Institute erwarteten allerdings nur einen moderaten Anstieg der Arbeitslosigkeit auf 2,592 Millionen Personen im Jahr 2023. Im kommenden Jahr werde die Zahl der Arbeitslosen auf 2,582 Millionen und 2025 dann weiter auf 2,462 Millionen sinken. Die Arbeitslosenquote veranschlagen die Institute für dieses und nächstes Jahr mit 5,6 Prozent und für 2025 mit 5,3 Prozent. Bei den Preisen entspanne sich die Lage nach und nach. Die Inflationsrate dürfte im Jahr 2023 bei 6,1 Prozent liegen und auf 2,6 Prozent im Jahr 2024 und 1,9 Prozent im Jahr 2025 zurückgehen.
Privater Konsum dürfte 2024 anziehen
Der private Konsum dürfte im dritten Quartal nach Einschätzung der Institute wohl etwas gestiegen sein. Im weiteren Prognosezeitraum dürfte sich die Erholung mit anziehenden real verfügbaren Einkommen beschleunigen und der private Konsum insbesondere im Jahr 2024 mit recht hohen Raten expandieren. Insgesamt rechnen die Institute bedingt durch einen schwachen Start in das Jahr für 2023 mit einem Rückgang des privaten Konsums um 0,5 Prozent. Im Jahr 2024 dürfte er um 2,0 Prozent zulegen und im Jahr 2025 um 1,3 Prozent.
Kräftige Impulse für die Investitionstätigkeit seien von der öffentlichen Hand zu erwarten. Insbesondere das Sondervermögen Bundeswehr von 100 Milliarden Euro, das größtenteils für die Beschaffung von Rüstungsgütern vorgesehen sei, dürfte in den kommenden Jahren für Zuwächse der Ausrüstungsinvestitionen sorgen und sich vor allem 2025 niederschlagen. Insgesamt erwarten die Institute für 2023 einen Anstieg der Ausrüstungsinvestitionen um 2,8 Prozent. In den Jahren 2024 und 2025 dürften die Investitionen in Maschinen, Geräte und Fahrzeuge um 1,4 Prozent respektive 3,4 Prozent zulegen und damit im Jahresverlauf 2024 ihr Vor-Pandemie-Niveau erreicht haben.
Die Ausfuhren werden nach der Prognose in diesem Jahr um 1,0 Prozent sinken und in den kommenden beiden Jahren um 1,8 Prozent beziehungsweise 3,0 Prozent expandieren. Die Institute erwarten für das dritte Quartal 2023 einen leichten Anstieg der Importe um 0,3 Prozent. Im vierten Quartal dürften die Einfuhren im Rahmen der binnenwirtschaftlichen Erholung insbesondere bei den privaten Konsumausgaben etwas stärker steigen. Alles in allem dürften die Einfuhren in diesem Jahr noch um 1,4 Prozent fallen und in den beiden folgenden Jahren um 2,1 Prozent und 3,2 Prozent zulegen.
Die Institute sehen zudem den Zinsgipfel im Euroraum erreicht und gehen davon aus, "dass die Leitzinsen aufgrund nur langsam sinkender Kerninflationsraten bis zum Sommer 2024 unverändert bleiben".
BERLIN (Dow Jones)
Weitere News
Bildquellen: esfera / Shutterstock.com