Die verzweifelte Suche der Bären nach dem Aktieneinbruch
Im mittlerweile neunten Jahr des Aktienaufschwungs fragen sich Marktteilnehmer, wann denn endlich die große Trendwende kommt.
Risiken gibt es vermeintlich genug: Ein ergebnisoffener Brexit-Verhandlungsmarathon, Angst vor "falschen" Wahlergebnissen in Frankreich, ein aktuell (wirtschafts-)politisch angeschlagener Trump, Inflationsgefahren und Notenbanken, die doch nur auf ihren restriktiven Einsatz warten. Oder haben die Risiken nachhaltig an Drohpotenzial verloren?
Der US-Kongress tanzt nicht nach Trumps Pfeife
Handelsprotektionismus unter Donald Trump bleibt zwar eine Gefahr. Doch schon bei der gescheiterten Rückabwicklung von Obamacare zeigte sich, dass das republikanisch dominierte Parlament durchaus ein politisches Eigenleben führt. Das nährt die Erwartung, dass drohende Handelsbeschränkungen im Kongress abgemildert werden, zumal republikanische Wirtschaftsexperten die Bedeutung des Exports für die US-Volkswirtschaft betonen. Die von Amerika angestrebte starke Position in der Digitalisierung soll weltweit Wohlfahrtsimpulse generieren.
Als handelsentspannendes "Abfallprodukt" könnten gleichzeitig deutsche Exportunternehmen profitieren. Tatsächlich sind die Befürchtungen hinsichtlich weltweiter Handelsschranken bei deutschen Unternehmen geringer ausgeprägt als in Politik und Medien. Investieren sie in Amerika, kommen sie längerfristig auch in den Genuss der Trumponomics. Laut ifo Exporterwartungen berichten Unternehmen aus den deutschen Kernbranchen Maschinenbau und Elektrotechnik weiterhin von guten Geschäftsaussichten in den USA. Aber auch die sich stabilisierenden Wirtschaftsprozesse in den Emerging Markets werden positiv erwähnt. Insgesamt wird nach zwei Jahren Stagnation wieder stärkerer Importsog aus den Schwellenländern vermeldet.
Die Konjunkturzuversicht der deutschen Industrie schlägt sich folgerichtig in einem aufwärtsgerichteten DAX nieder.
Schließlich signalisierten in der Vergangenheit verbesserte ifo Geschäftserwartungen mit einer zeitlichen Verzögerung von sechs Monaten im Trend immer eine Erholung deutscher Unternehmensgewinne. Diese Wiedergewinnung fundamentaler Stärke entspannt nicht zuletzt die aktuell sportlichen Aktienbewertungen.
Die Britannic sticht in See und der Eisberg scheint noch außer Reichweite zu sein
Nach Einreichung des britischen EU-Scheidungsantrags stehen nun zermürbende Verhandlungen mit der EU bevor. Einerseits kann Brüssel den Briten keinen guten vor allem handelspolitischen Deal anbieten, der ihren Austritt noch belohnte und andere EU-Ländern zu unerwünschten Nachahmeffekten animierte. Andererseits wird Premierministerin May den Briten kein Austrittsergebnis mit markanten Wohlstandseinbußen präsentieren wollen. Die Briten würden dann ihren Abstimmungsfehler von Juni 2016 noch bitter bereuen. Dann könnte es über das Ausscheiden Schottlands auch zu einem Zerfall des Vereinigten Königreichs kommen. Vor diesem Hintergrund ist in puncto Brexit von einem ungeregelten Austritt bis zum Verbleib des Landes in der EU alles möglich.
Die heraufziehenden Scheidungsturbulenzen lassen britische Aktien derzeit noch kalt. Ein exportfreundlich schwaches britisches Pfund unterstützt sogar noch Aktienindexstände des Noch-EU-Landes nahe Rekordhoch. Am Horizont signalisiert eine ins Stocken geratene britische Industriestimmung jedoch erstes wirtschaftspolitisches Enttäuschungspotenzial für Aktien.
Natürlich sind Beeinträchtigungen im bisherigen Freihandel zwischen Großbritannien und Deutschland Handicaps für deutsche Exportunternehmen. Doch wird sich im Rahmen europäischer Anlagestrategien der deutsche Aktienmarkt als natürliche Anlagealternative für Exit-belastete britische Aktien etablieren können.
Euro-Stärke: Wie viel ist noch möglich?
Mit steigenden Netto-Long-Positionen an den Terminmärkten spekulieren Devisenanleger kurzfristig auf eine Euro- und eben keine Dollar-Befestigung. Der Aufwertungsdruck des US-Dollars hält sich aufgrund einer erst vermutlich 2018 in Kraft tretenden Senkung der Unternehmenssteuern in Grenzen. Damit bleiben Billionen-schwere Rückführungen von Auslandskapital der US-Firmen zunächst aus. Ebenso ist der taubenhafteste Zinserhöhungszyklus der US-Notenbank aller Zeiten kein Dollar-Treiber.
Nach zwischenzeitlich volatilen Währungsbewegungen dürfte sich der Euro-USD-Wechselkurs im weiteren Jahresverlauf 2017 um 1,04 einpendeln. Die Parität ist 2017 nicht zu erwarten. Damit hält sich für Nicht-Europäer das Währungsrisiko bei Aktienanlagen in Euroland in Grenzen.
Politische Risiken sind überschaubar
Trotz aller politischen Unsicherheit zeigen sich die Aktienmärkte robust. Der unabhängige, Europa-freundliche und eher wirtschaftsnahe Kandidat Macron findet immer mehr Zustimmung. Und selbst nach dem Wahlsieg Trumps halten sich die politischen Risiken auf bemerkenswert niedrigem Niveau.
Insgesamt hat der politische Risikoindex nach Brexit-Votum im Juni 2016 massiv verloren und passt sich damit immer mehr der geringen deutschen Aktienvolatilität als der bestimmenden Größe an.
Marktstimmung - Acht Jahre Hausse und kein bisschen leise, dafür weise
Überdies wirkt die weiterhin üppige Geldpolitik hohen Aktienschwankungen entgegen. Die EZB hat ein willkommenes Alibi für "Weiter so" erhalten. So ist die deutsche Preissteigerung im März stärker als erwartet um 0,6 Prozentpunkte auf 1,6 Prozent gefallen. Verantwortlich hierfür ist der auslaufende Basiseffekt durch nicht weiter steigende Preise. Eine ähnliche Bremswirkung ist auch für die Inflationsrate der Eurozone insgesamt zu erwarten, die sich bis zum Jahresende fortsetzt.
Im Übrigen müssen die Notenbanken mögliche Finanzrisiken aus der Brexit-Debatte einkalkulieren. Sie werden kein Risiko eingehen. Attraktivere Anlagezinsen sind insofern nicht zu erwarten. Ungleich höhere Dividendenrenditen behalten die Nase vorn. Geldpolitisch spricht wenig für ein Ende der mittlerweile achtjährigen Aktienhausse. Es sei daran erinnert, dass Aktieneinbrüche in den letzten Jahrzehnten immer von restriktiver Geldpolitik eingeleitet wurden.
Entspannung kommt nicht zuletzt von den Sentimentindikatoren. Der Aktienmarkt der Eurozone hat die Panik- Richtung neutrale Zone verlassen. Die geringere politische Risikowahrnehmung in Europa und die politische Angeschlagenheit Donald Trumps machen es möglich.
Charttechnik DAX - Auf dem Weg zum Allzeithoch
Charttechnisch setzt sich die Konsolidierung auf hohem Niveau fort, wenn die Unterstützung bei 12.219 Punkten unterschritten wird. Darunter geben dann die Marken bei 12.159 und 12.083 Halt, bevor der DAX bei 12.010 auf eine weitere Unterstützung trifft. Setzt der Index seinen intakten langfristigen Aufwärtstrend fort und überwindet dabei nachhaltig den Widerstand am bisherigen Allzeithoch bei 12.391 Punkten, ist der Weg zu neuen Höchstständen frei.
Gold: Es zählt der langfristige Besitz, nicht die kurzfristige Rendite
Die umsetzungsschwierigen Wirtschaftsreformen Trumps hemmen die ungebremste Beflügelung der US-Konjunktur. In der Konsequenz ist der Renditeanstieg am US-Anleihemarkt abgeebbt. Die größte konkurrierende Anlageklasse zu Edelmetallen hat also an Attraktivität verloren. Diese Einschätzung unterstreichen die Rohstoffpreise, die ihren Zenit erreicht haben und den Inflationsdruck hemmen.
Allerdings werden sie Notenbanken ihrer bisherigen Praxis treu bleiben und einen deutlichen Anstieg des Goldpreises unterbinden, der die anhaltende Rettung der Finanzwelt mit Zentralbankgeld untergraben würde. Dennoch bleibt mit Blick auf längerfristige Finanzstabilitätsrisiken der Besitz von Gold empfehlenswert. Und tatsächlich bleibt die physische Nachfrage weltweit robust.
Der Wochenausblick für die KW 14 - Was steht im Fed-Sitzungsprotokoll?
Während in China der vom Finanznachrichtendienst Caixin veröffentlichte Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende auf eine stabile konjunkturelle Seitenlage hindeutet, signalisiert auch in Japan der Tankan Index der Großindustrie eine konjunkturelle Verbesserung im I. Quartal.
In den USA ist eine Stabilisierung des ISM Index für die Industrie sowie der Auftragseingänge zu erwarten. Auch die quantitative Erholung am Arbeitsmarkt setzt sich fort. Im Sitzungsprotokoll der Fed werden sich weiter Argumente gegen eine rasche Fortsetzung der Zinswende finden.
In Deutschland unterstreicht der positive Dreiklang aus Auftragseingängen, Industrieproduktion sowie Exporten im Februar die sich festigende Wirtschaftslage.
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Herausgeber:
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Redaktion:
Robert Halver,
Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG
Marc Schlömer, Kapitalmarktanalyse, Baader Bank AG
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Nach Abschluss seines betriebswirtschaftlichen Studiums begann Robert Halver seinen beruflichen Werdegang zunächst als Wertpapieranalyst bei der Sparkasse Essen. Anschließend arbeitete er als Analyst und Aktienstratege bei der Privatbank Delbrück & Co in Frankfurt.
2001 wechselte Robert Halver zur Schweizer Privatbank Vontobel. Sein Aufgabenschwerpunkt war die Formulierung der Anlagestrategie der Vontobel Gruppe in Deutschland.
Seit 2008 leitet Herr Halver die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG in Frankfurt. In dieser Funktion ist er auch für die Außendarstellung der Baader Bank tätig.
Robert Halver ist durch regelmäßige Medienauftritte, auf Fachveranstaltungen und Anlegermessen sowie durch Fachpublikationen und als Kolumnist präsent.