Halvers Kapitalmarkt-Monitor Robert Halver

Und, Konjunktur, bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt

14.08.20 09:51 Uhr

Und, Konjunktur, bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt | finanzen.net

Selbst wieder ansteigende Corona-Neuinfektionen, zäheste Verhandlungen über ein fünftes US-Hilfspaket und handelspolitische Scharmützel tun der guten Konjunkturstimmung an den Aktienmärkten überhaupt keinen Abbruch. Die Anleger vertrauen darauf, dass die Konjunktur zur Not weiter kaltgestartet wird.

Kein Double Dip der Wirtschaft

Die heikle Infektionslage in den USA und weitersteigende Corona-Fälle in Europa lassen die Wirtschaft nicht in eine neue Schockstarre verfallen. Die von der Investment-Beratungsfirma Sentix ermittelten Konjunkturerwartungen für die kommenden sechs Monate setzen ihren Höhenflug zwar nicht fort, bleiben aber auf hohem Niveau. Deutschland und den Schwellenländern Asiens - hier insbesondere China - werden dabei die vergleichsweise positivsten Konjunkturperspektiven bescheinigt.

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Im Trend erholt sich auch der US-Mittelstand weiter. Auch wenn von Normalität keine Rede sein kann, zeigt sich bei den Absichten, Investitionen zu erweitern, eine V-förmige Erholung. Grundsätzlich ist der Mittelstand für rund 50 Prozent der Jobs im US-Privatsektor verantwortlich.

Wegen des US-Wahlkampfs sind Konjunkturhilfen keine Grenzen mehr gesetzt

Trump, der in Wahlumfragen deutlich hinter dem demokratischen Gegenkandidaten Biden liegt, präsentiert sich aktuell im Alleingang als Retter der US-Konjunktur und der notleidenden Amerikaner. Mit der Stundung von Lohnsteuerzahlungen zwischen September und Jahresende für Bruttojahreseinkommen von weniger als 100.000 US-Dollar verschafft er den Beschäftigten in der Tat vorübergehend mehr Kaufkraft. Aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben. Ob sie dazu dann überhaupt in der Lage sind, interessiert den Wahlkämpfer Trump nicht. Und mit der Umwidmung von zuvor anderweitig verplanten Katastrophenhilfen über 44 Mrd. US-Dollar verlängert er die Aufstockung der Arbeitslosenhilfe um schätzungsweise einen Monat, die nun statt bislang 600 immerhin noch 400 US-Dollar pro Woche beträgt.

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Diese Maßnahmen sind jedoch eher nur Übergangslösungen. Zur Sicherstellung, dass aus positiven Konjunkturstimmungen auch positive -fakten werden, die am Aktienmarkt entsprechende Blüten treiben, ist die amerikanische Wirtschaft dringend auf weitere staatliche Unterstützung angewiesen. Spätestens im September, wenn die einseitig von Trump verlängerten Arbeitslosenhilfen auslaufen, werden sich die noch zerstrittenen Republikaner und Demokraten auf das nächste, dann fünfte Billionen schwere US-Konjunkturpaket einigen. Angesichts des Wahlkampfes will keine Seite als Konjunkturbremser und Arbeitslosigkeitsförderer auftreten, schon gar nicht die Demokraten, die Chancen auf eine Präsidentschaft Bidens haben. Noch höhere Haushaltsdefizite stören dabei niemanden. Amerika hat schon immer gerne bei Neuverschuldung das Alibi höherer Gewalt vorgeschoben. Im Übrigen hat die US-Notenbank weitere Fiskalhilfen förmlich angemahnt und deren zinsgünstige Finanzierung quasi zugesichert. Mehr Einladung zur Instabilität geht nicht. Man wird ihr gerne folgen.

Um die exportseitige Konjunkturerholung Amerikas nicht ohne Not über erneute transpazifische Handelsspannungen zu belasten, wird Washington der Umsetzung des Phase 1-Handelsabkommens mit China gemäß bevorstehender Halbjahres-Prüfung ein eher wohlwollendes Zeugnis ausstellen. China hat zwar Corona-bedingt nur ein Viertel der für 2020 vereinbarten US-Importe umgesetzt und wird diesen Rückstand auch nicht mehr aufholen können. Dennoch betonte US-Wirtschaftsberater Larry Kudlow, dass der Handel zwischen den USA und China ungeachtet der vorhandenen Spannungen "der eine Bereich ist", in dem man zusammenfindet. Nicht zuletzt wollen die Republikaner damit den Demokraten im Wahlkampf kein Wasser auf ihre Mühlen leiten, nachdem Joe Biden den Handelsdeal bereits als gescheitert bezeichnete.

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Den Aktienmärkten bleibt das amerikanische China-Bashing im Wahlkampf als zwischenzeitlich irritierender Faktor allerdings erhalten. Laut einer Umfrage des Pew Research-Instituts ist die kritische Sicht der republikanischen Wähler auf China zuletzt auf 83 Prozent gewachsen nach 72 Prozent im Mai. Bei den Demokraten sind 68 Prozent der gleichen Ansicht, während es im Mai 62 Prozent waren. Mit dem Verbot der chinesischen Apps TikTok und WeChat ab 20. September 2020 aus Gründen nationaler Sicherheit - wenn sich für die US-Ableger der Apps kein amerikanischer Käufer findet - hat Trump bereits eine neue Frontlinie eröffnet.

Marktlage - Pessimismus sieht anders aus

Aus Sentimentsicht zeigt sich die Aktienverfassung stabil. Eine zweite Corona-Welle wird von Anlegern offensichtlich wenig gefürchtet. Entsprechend bleibt die Investitionsquote unter US-Fondsmanagern hoch. Der Anteil der Optimisten am US-Aktienmarkt abzüglich des Anteils der Pessimisten liegt im neutralen Bereich und zeigt damit keine Verkaufspanik an.

Insofern ist damit auch die Erholung konjunkturabhängiger deutscher Aktien im MDAX gut unterfüttert.

Sentiment und Charttechnik - Verlässt der DAX seinen Seitwärtstrend nach oben?

Aus Sentimentsicht zeigt sich die Aktienverfassung stabil. Eine zweite Corona-Welle wird von Anlegern offensichtlich wenig gefürchtet. Entsprechend bleibt die Investitionsquote unter US-Fondsmanagern hoch. Auch der Anteil der Optimisten am US-Aktienmarkt abzüglich des Anteils der Pessimisten liegt im neutralen Bereich und zeigt damit keine Verkaufspanik an.

Charttechnisch setzt sich die Erholung fort, wenn der DAX nachhaltig über der Barriere bei 13.101 Punkten schließt. Positiv wäre auch die Überquerung des Zwischenhochs bei 13.171 am 21. Juli. Darüber liegen weitere Widerstände bei 13.217, 13.236 sowie 13.314. Dreht der Index jedoch deutlich unter die Unterstützung bei 12.905, drohen weitere Kursverluste bis zur Marke bei 12.812. Darunter liegen die nächsten Haltelinien bei 12.762, 12.730 und 12.640 Punkten.

Der Wochenausblick für die KW 34 - Konjunkturstimmung weiter auf dem Prüfstand

In Japan fällt der Wirtschaftseinbruch im II. Quartal gemäß BIP-Zahlen wie erwartet verheerend aus. Der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe signalisiert anhaltende Schrumpfung.

In den USA setzt sich die Konjunkturerholung laut der vom Finanzinformationsanbieter IHS Markit ermittelten Einkaufsmanagerindices für Industrie und Dienstleistungen fort. Stützend wirkt hierbei auch der US-Immobiliensektor gemäß gefestigter Baubeginne und -genehmigungen. Im Trend dürfte sich auch die Erholung am Arbeitsmarkt fortsetzen.

Bei anhaltend verhaltenem Inflationsdruck in der Eurozone signalisieren die Einkaufsmanagerindices für das Verarbeitende und Dienstleistungsgewerbe eine mindestens stabile Konjunkturstimmung.

Der Autor dieses Artikels ist Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG.

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Nach Abschluss seines betriebswirtschaftlichen Studiums begann Robert Halver seinen beruflichen Werdegang zunächst als Wertpapieranalyst bei der Sparkasse Essen. Anschließend arbeitete er als Analyst und Aktienstratege bei der Privatbank Delbrück & Co in Frankfurt.

2001 wechselte Robert Halver zur Schweizer Privatbank Vontobel. Sein Aufgabenschwerpunkt war die Formulierung der Anlagestrategie der Vontobel Gruppe in Deutschland.

Seit 2008 leitet Herr Halver die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG in Frankfurt. In dieser Funktion ist er auch für die Außendarstellung der Baader Bank tätig.
Robert Halver ist durch regelmäßige Medienauftritte, auf Fachveranstaltungen und Anlegermessen sowie durch Fachpublikationen und als Kolumnist präsent.