Halvers Kapitalmarkt-Monitor Robert Halver

September 2021: Ein schwieriger Börsenmonat?

03.09.21 10:36 Uhr

September 2021: Ein schwieriger Börsenmonat? | finanzen.net

Die Weltkonjunktur verliert an Dynamik und auch die Corona-Varianten können die fundamentale Kraft von Aktien schmälern. Zudem spricht die Fed von eingeschränkter Liquiditätszufuhr und rüttelt so am entscheidenden Megaargument der Aktienhausse.

Ebenso sorgt die Bundestagswahl für Anlegerverunsicherung. Folgt also im traditionell vergleichsweise schwachen September eine Aktienzäsur? Und lädt die bisherige Jahresperformance beim DAX mit verlockenden 15 Prozent nicht ohnehin zu Gewinnmitnahmen ein?

Weltkonjunktur mit weniger Dampf im Kessel

In China trüben Corona-Neuinfektionen, Regulierungswut der KP und verringerte Fiskalmaßnahmen die Stimmung bei Dienstleistern und in der Industrie. Als Taktgeber der Weltwirtschaft wirkt China damit hemmend auf den deutschen Export. Der gemäß ifo Geschäftserwartungen bislang große Wachstumsoptimismus verliert an Schwung.

Dieses weniger euphorische Stimmungsbild im Industrie- und vor allem Corona-sensitiven Dienstleistungssektor zeigt sich ebenso in Amerika.

Hintergrund ist vor allem, dass in den USA das verfügbare Einkommen in Ermangelung weiterer Konsum-Schecks und der im September auslaufenden Aufstockung der Arbeitslosenhilfen deutlich fällt. Das wird auf den Konsum als Haupt-Konjunkturstandbein unvermeidlich durchschlagen.

Zudem belasten zunehmende Preissteigerungen und die Delta-Variante des Corona-Virus die US-Konsumlaune. Laut University of Michigan ist sie insgesamt auf den niedrigsten Stand seit 2013 und damit noch unter ihr Corona-Tief gefallen.

Fed-Tapering oder die Kluft zwischen Reden und Handeln

Ein schwächeres konjunkturelles Umfeld verleiht der US-Notenbank mehr Beinfreiheit zur geldpolitischen Zurückhaltung. Daneben nimmt die Fed das Inflationsargument weniger ernst. Mit seiner Einschätzung auf dem virtuellen Notenbanker-Symposium in Jackson Hole, wonach die Inflation in den kommenden Monaten zwar erhöht bleiben, sich im nächsten Jahr aber abschwächen werde, hat Fed-Chef Powell den eigenen Handlungsdruck vermindert. Tatsächlich sprechen rückläufige Preise für Vorprodukte dafür, dass Lieferengpässe allmählich auslaufen und Preisüberwälzungen nicht epochal ausfallen.

Zwar hat Fed-Chef Powell zuletzt die Reduktion der Anleihekäufe (Tapering) gegen Jahresende in Aussicht gestellt. Doch scheint er es mit Blick auf Konjunkturernüchterungen, Delta-Variante und auch den verunsichernden Streit um die Erhöhung der US-Schuldenobergrenze damit nicht eilig zu haben.

Beim Tapering-Zeitplan dürfte sich die Fed am Vorgehen im Jahr 2014 orientieren. Bei möglichem Beginn im November oder Dezember 2021 würde sie insofern noch bis Herbst 2022 Anleihen aufkaufen, wenn auch in zunehmend geringerem Volumen. Jedoch ist von einer Netto-Rückführung der Liquidität auf dann neuem Rekordstand keine Rede.

Als wirkende Beruhigungspille an den Märkten betonte Powell, dass mit dem Ende der Aufkäufe nicht automatisch eine Erhöhung der Leitzinsen einhergeht. Negative reale US-Notenbankzinsen als Ausdruck üppiger Leitzinspolitik bleiben fest verankert.

Nicht zuletzt wird die US-Notenbank mit Blick auf den Rekordbestand hoher Wertpapierkredite an der New York Stock Exchange kein scharfes Zinswende-Manöver vollziehen können. Die Folgen zuerst für die Aktienmärkte und dann die Realwirtschaft wären unkontrollierbar. Tatsächlich, trotz des leichten Rückgangs kreditfinanzierter Aktienkäufe im Juli von den vorherigen Rekordniveaus vertrauen die Finanzmärkte auf das Fingerspitzengefühl der US-Notenbank.

Marktlage - Das Umfeld wird schwieriger, aber…

Auch die EZB bleibt eine geldpolitische Taube. Ihre Vertreter sprechen weiter von nur vorübergehender Preisbeschleunigung. Doch ist z.B. in Deutschland das Narrativ einer bald wieder fallenden Inflation heftigen Widersprüchen ausgesetzt. Zunächst ist die Produktion in China nicht mehr wie früher eine Quelle der Deflation. Mittlerweile hat sich die Entwicklung umgekehrt.

Und der Klimaschutz in Deutschland wird die Energiepreise langfristig deutlich ansteigen lassen. Nach der Bundestagswahl könnte sich zudem der Preis für Arbeit verteuern. Sollte sich der Mindestlohn von derzeit 9,60 auf 12 Euro erhöhen, werden dies die Unternehmen an die Verbraucher weitergeben. Ebenso wird das weiter sinkende Arbeitskräfteangebot die Lohnentwicklung anheizen.

Dennoch wird die EZB solche Entwicklungen links liegen lassen, weil sie ja nicht nur auf Deutschland schauen darf. Was für ein Alibi! Unabhängig davon haben die Erhaltung der Zahlungsfähigkeit der Euro-Staaten sowie eine reibungsfreie Finanzierung der anstehenden umfangreichen Infrastruktur- und Kapitalschutzmaßnahmen über umfangreiche und zinsgünstige Liquidität oberste Priorität.

Insgesamt bleibt das Szenario negativer Realzinsen intakt. Damit ist die Nach-Inflations-Rendite 10-jähriger deutscher Staatspapiere von minus vier Prozent keine echte Alternative für Aktien. Wenn Inflation nicht bekämpft wird, ist sie kein Feind des Aktienmarkts, sondern ihr bester Freund.

Strukturbruch in der DAX-Familiengeschichte

Beginnend mit dem Handelstag am 20. September steht der DAX-Familie die größte Veränderung ihrer Geschichte bevor, wenn die Mitgliederzahl des DAX um zehn bislang im MDAX vertretene Unternehmen von 30 auf 40 erweitert wird. Gleichzeitig schrumpft der MDAX um jene Werte auf dann 50 von bisher 60. Auf den ersten Blick ist der DAX dabei der große Gewinner. Schließlich erhält er jene Unternehmen, die den MDAX gegenüber dem DAX outperformen ließen. Gleichzeitig nimmt die Bedeutung der klassischen Old Economy ab, die in den letzten Jahren Handicaps aufwies: Banken, (Finanzkrise), Automobile (Dieselskandal) und die Versorger (fossile Energieträger). Jetzt kommen neue Wachstumssektoren wie e-Commerce oder Biotechnologie hinzu. Daher erhält der DAX eine Frischblutzufuhr.

Aber auch mit 40 Werten ist der Dax kein Eins-zu-Eins-Abbild der deutschen Wirtschaft. Das liegt auch daran, dass Deutschland eine echte Aktienkultur wie in den USA oder der Schweiz fehlt. So lässt BioNTech die Finger vom deutschen Kapitalmarkt und zieht es vor, in Amerika notiert zu sein. Und auch viele deutsche Weltmarktführer mit tollen Patenten denken gar nicht daran, aktiennotiert zu sein.

Daneben fehlen Deutschland die Aushängeschilder auf der Hightech-Ebene. Hier kann Amerika deutlich mehr punkten.

Der MDAX wird sich nach Abgabe seiner 10 größten Werte zunächst auf eine gewisse Durststrecke einstellen müssen. Zukünftig jedoch wird sich der Fokus auf (Mittelstands-)Werte mit größerem Wachstumspotenzial verschieben, um die uns die Welt immer noch beneidet. Gemeinsam mit einer steigenden Gewichtung von IT- und Kommunikationsdienstleistern sind die längerfristigen Aussichten durchaus vielversprechend.

Sentiment und Charttechnik DAX - Der Herbst wird volatiler

Während US-Börsen neue Allzeithochs erklimmen ist der Fear & Greed Index von CNN Money aber binnen Monatsfrist von extremer Angst auf Gier umgeschwenkt und signalisiert frühherbstliches Korrekturpotenzial.

Laut Bank of America Global Fund Manager Survey werden auch große Kapitalsammelstellen aufgrund zunehmender Konjunkturskepsis immer vorsichtiger. Anleger müssen sich daher auf mehr Kursschwankungen nach den ruhigen Sommermonaten einstellen.

Doch bei Schaukelbörsen bewähren sich regelmäßige Aktiensparpläne als solides Anlageinstrument. Bei nachgebenden Kursen erhalten Anleger mehr Aktienanteile für ihr Geld. Und bei zukünftig wieder steigenden Kursen sorgt das für einen großen Hebel der Kapitalvermehrung.

Charttechnisch trifft der DAX auf der Unterseite bei 15.800 Punkten auf eine erste Unterstützung. Bei fortlaufender Korrektur bieten die Marken bei 15.761 und 15.701 Halt. Auf dem Weg nach oben trifft der Index zunächst auf Widerstand bei 15.875. Darüber liegen weitere Hürden bei 15.930, 15.995 und an der psychologisch wichtigen Marke bei 16.000 Punkten.

Der Autor dieses Artikels ist Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG.

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: https://www.roberthalver.de/Newsletter-Disclaimer-725

Disclaimer
Die Baader Bank AG stellt Ihnen auf dieser Website verschiedenste Informationen zur Verfügung, insbesondere zum Unternehmen, zu Anlageprodukten, Dienstleistungen und Veranstaltungen, aber auch zu weiteren Themen. Die auf dieser Website enthaltenen Informationen sind von der Baader Bank AG sorgfältig zusammengestellt worden und werden von der Baader Bank AG regelmäßig überprüft und aktualisiert. Da sich Daten trotz aller Sorgfalt zwischen den Überprüfungsperioden geändert haben können, kann Baader Bank AG keine Gewähr für deren Richtigkeit oder Vollständigkeit übernehmen. Auch beruhen die Informationen teilweise auf öffentlich zugänglichen sowie als verlässlich geltenden Quellen. Daher kann von Baader Bank AG ebenfalls keine Gewähr für Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Informationen von Dritten übernommen werden.

Diese Website dient nur Informations- und Werbezwecken. Die auf dieser Website beschriebenen Anlageprodukte sind möglicherweise nicht für jeden Anleger geeignet und wir empfehlen, zuvor den Rat eines Anlage- und Steuerberaters einzuholen. Baader Bank AG hält möglicherweise eigene Positionen an den hier beschriebenen Anlageprodukten und dies kann Einfluss auf die dargestellten Informationen haben.

Die Vervielfältigung von auf dieser Website enthaltenen Informationen oder Daten ist ohne die vorherige schriftliche Zustimmung der Baader Bank AG nicht gestattet. Diese Website enthält möglicherweise Links oder Hinweise auf die Webseiten von Dritten, welche von der Baader Bank AG nicht kontrolliert werden können und daher kann die Baader Bank AG keine Verantwortung für den Inhalt von solchen Webseiten Dritter oder darin enthaltenen weiteren Links übernehmen.

Hinweise auf mögliche Interessenkonflikte
Unter Umständen halten Gesellschaften des Baader Bank Konzerns an der Gesellschaft oder den Gesellschaften der betroffenen Wertpapiere eine Beteiligung oder handeln mit den entsprechenden Wertpapieren. Auch Organe, Führungskräfte sowie Mitarbeiter halten möglicherweise Anteile oder Positionen an Wertpapieren oder Finanzprodukten, die Gegenstand von Bewertungen sind. Die Baader Bank gehört zudem möglicherweise einem Konsortium an, das die Emission von Wertpapieren der Gesellschaft, die Gegenstand einer Bewertung sind, übernommen hat. Die Baader Bank kann ferner auch Bankleistungen oder Beratungsleistungen für den Emittenten von solchen Wertpapieren erbringen und betreut möglicherweise analysierte Wertpapiere auf Grund eines mit dem jeweiligen Emittenten geschlossenen Vertrages an der Börse oder am Markt. Organe der Baader Bank bzw. Mitarbeiter können zudem Aufsichtsratsfunktionen bei Emittenten wahrnehmen, deren Wertpapiere Gegenstand von Bewertungen sind.

Copyright ©: Verantwortlicher Ersteller für diese Internetseiten ist die Baader Bank Aktiengesellschaft, Weihenstephaner Straße 4, 85716 Unterschleißheim, Deutschland.

Nach Abschluss seines betriebswirtschaftlichen Studiums begann Robert Halver seinen beruflichen Werdegang zunächst als Wertpapieranalyst bei der Sparkasse Essen. Anschließend arbeitete er als Analyst und Aktienstratege bei der Privatbank Delbrück & Co in Frankfurt.

2001 wechselte Robert Halver zur Schweizer Privatbank Vontobel. Sein Aufgabenschwerpunkt war die Formulierung der Anlagestrategie der Vontobel Gruppe in Deutschland.

Seit 2008 leitet Herr Halver die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG in Frankfurt. In dieser Funktion ist er auch für die Außendarstellung der Baader Bank tätig.
Robert Halver ist durch regelmäßige Medienauftritte, auf Fachveranstaltungen und Anlegermessen sowie durch Fachpublikationen und als Kolumnist präsent.