Im II. Quartal rückt die Konjunktur in den Anlegerfokus
Mit Blick auf die sehr positive Aktienperformance ist von Krisen offensichtlich keine Spur mehr zu sehen. Mittlerweile hellt sich die lange getrübte Stimmung in der Weltkonjunktur immer mehr auf. Trotz vielfältiger Standortprobleme steigt sogar der deutsche ifo Geschäftsklimaindex im März auf den höchsten Stand seit Sommer 2023. Wie ungetrübt sind die Rahmenbedingungen und damit die weiteren Börsenaussichten?
Relativ ist nicht absolut
Die Stabilisierung der ifo Geschäftsklimazahlen zeigt, dass das Schlimmste für die deutsche Wirtschaft wohl hinter uns liegt. Die klare Verbesserung der ifo Geschäftserwartungen zum zweiten Mal in Folge ist sicherlich erfreulich. Doch erfolgt diese von sehr geringem Niveau aus. Und historisch liegen die Erwartungen noch unter den Indexständen der Eurokrise 2012 oder des Handelskriegs in der Trump-Ära. Und ein Ende der Rezession im Sommerhalbjahr ist noch kein Aufschwung.
Die Erwartungen auf Branchenebene zeigen ein gemischtes, aber insgesamt stabileres Bild.
Im Bausektor hält die Krise an. Man wartet sehnsüchtig auf Schmerzlinderung durch wieder bessere Zinskonditionen der EZB.
Der Handel profitiert von der wieder etwas besseren Kaufkraft der Konsumenten. Und während Dienstleister ihre Stabilisierung fortsetzen, schaut auch die Industrie vom Maschinenbau bis hin zu den besonders energieintensiven Bereichen weniger pessimistisch in die Zukunft. Die Neuaufträge lassen allerdings zu wünschen übrig.
Immerhin kommt Schützenhilfe von der sich aufhellenden Stimmung der Weltkonjunktur und damit Auslandsnachfrage. Die ifo Exporterwartungen gewinnen an Schwung.
Im Vergleich zu früheren Erholungszyklen profitiert der deutsche Wirtschaftsstandort von der anstehenden Konjunkturstabilisierung in den USA und China ab etwa Mitte des Jahres aber deutlich weniger.
Das "Heimatproblem" irritiert den DAX nicht
Zunächst ist das deutsche Industrie-Know How durch die massive Aufholung unserer Konkurrenten nicht mehr einzigartig. Insbesondere jedoch werden die offenkundigen Standortdefizite der letzten Jahrzehnte nicht nur nicht behoben, sondern noch verstärkt. Geradezu toxisch wirken sich Planungsunsicherheit, krankhaft adipöse Bürokratie, Vernachlässigung des Leistungsprinzips und die immer staatswirtschaftlichere Orientierung aus. Weniger arbeiten bei gleichem Lohn wird am Ende nur ausländische Wirtschaftsstandorte freuen.
Tatsächlich suchen immer mehr Unternehmen ihre Zukunft im Ausland, übrigens auch in der Schweiz, die zwar höhere Löhne als in Deutschland hat, aber deutlich produktiver ist. Aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Konkurrenzunternehmen haben sie keine andere Wahl. Vogel friss oder stirb. Einzelne Investitionsentscheidungen pro Deutschland, denen mit kräftigen Subventionen auf die Beine geholfen wird und die von der Politik groß gefeiert werden, können diesen allgemeinen Negativtrend nicht kompensieren. Das sind Potemkinsche Dörfer.
Natürlich sind die Außeneinflüsse eine schwere Belastung. Wenn aber eine früher beeindruckende Volkswirtschaft immer mehr auf links gedreht wird, darf man sich über Pessimismus in Deutschland nicht wundern. Bleibt der wirtschaftspolitisch unbehandelt, wird er chronisch. Dann geht der Exodus deutscher Industriegüterkultur mit Verlust an Jobs munter weiter.
Der rational operierenden Börse ist es gleichgültig, wo deutsche Aktiengesellschaften gute Umsätze und solide Gewinne erwirtschaften, solange sie sie machen. Das erklärt die Diskrepanz zwischen der deutschen Wirtschaftsstimmung und der guten Laune des DAX.
Geldpolitik, die Zinsen senkt und mehr Inflation zulässt, kommt Aktien zugute
Die voranschreitende Erholung der Weltkonjunktur schlägt sich bereits in einer Befestigung der Rohstoffpreise nieder. Bei Rohöl trifft die Nachfragestabilisierung auf Angebotssorgen aufgrund geopolitischer Risiken (s. Krise am Roten Meer, Angebotsausfälle nach Anschlägen auf russische Raffinerien). Zwar fehlt das Drohpotenzial für sprunghafte Ölpreisanstiege und ein Aufflammen massiver Inflationsängste. Doch tragen Energiepreise auf dem aktuell erhöhten Niveau ab April im Vorjahresvergleich wieder zur Inflation bei, anstatt wie bislang zu desinflationieren. Die letzten Preissteigerungsdaten haben wieder "überrascht".
Notenbanken lassen sich davon nicht irritieren. Sie wissen, dass sie zinspolitisch nicht überreizen dürfen, um Systemkrisen wie Überschuldung mit Folgeschäden wie Finanzkrisen zu verhindern. Die reine Stabilitätslehre kann nicht mehr ex cathedra verkündet werden.
Trotz eines latenten Inflationsdrucks bleiben also die Zinssenkungsphantasien intakt. Zuletzt hat die Schweizerische Nationalbank als erste Notenbank der G10-Staaten ihre Zinsen gesenkt. Diesem Beispiel dürften auch Fed und EZB ab Juni folgen. Dies wird die Attraktivität von geldmarknahen Anlagen schwächen, weil Zinsanbieter jede Zinssenkung unverzüglich an die Kundschaft weitergeben. Die Aktienmärkte wird es freuen, die es mit weniger Attraktivität des größten Anlagekonkurrenten zu tun haben.
Zudem zeigt sich die nachlassende Zinsangst in einer weiter rückläufigen Schwankungsbreite bei US-Staatsanleihen auf dem mittlerweile niedrigsten Stand seit gut zwei Jahren. Auch das kommt "über Bande" den Aktien zugute.
Nicht zuletzt, Inflation, die von Notenbanken nicht mehr konsequent wie früher bekämpft wird, kommt den sachkapitalistischen Anlageklassen Gold und Aktien zugute. Inflation macht sie teurer.
Marktlage - Die Konjunktur kommt und die Aktienbreite nimmt zu
Auf der fundamentalen Ebene erwartet Zacks Investment Research im Rahmen der US-Berichtssaison für das I. Quartal 2024 zwar noch eine leichte Gewinndelle. Doch liegt die Hürde so niedrig, dass kaum Enttäuschungs-, aber Überraschungspotenzial für die Aktienmärkte vorhanden ist.
Perspektivisch arbeiten sich die Gewinne wieder deutlich in den unteren zweistelligen Wachstumsbereich vor. In den weiteren Quartalen geht es dann im Einklang mit einer besseren Weltkonjunktur nach oben.
Branchenseitig zeigt sich ein gemischtes Bild. Tech-Werte - sie tragen ein Drittel zum Gewinnwachstum im S&P 500 bei - sind wieder fest im Wachstumsmodus, der sich fortsetzen dürfte. Aber auch der Einzelhandel sowie zyklische Konsumwerte werden überzeugen. Dem stehen Rückgänge bei Energie, Autos, Grundstoffen und Transport gegenüber. Besonderes Augenmerk ist auf die Ausblicke gerichtet, die sich unter dem Strich aufhellen.
Kursnachholbedarf besteht vor allem bei Firmen, die lange unter den globalen Konjunktursorgen gelitten haben und die besonders positiv auf das bald wieder günstigere Zinsumfeld reagieren. Antizyklische Investoren suchen daher frühzeitig den Einstieg bei Unternehmen aus der zweiten und dritten Reihe. Während der amerikanische Mittelstandsindex Russel 2000 bereits angezogen hat, wird auch der MDAX mit seinen international gefragten Titeln mehr und mehr Fahrt aufnehmen.
Stützende Wirkung kommt von der bevorstehenden Dividendensaison im April und Mai. Mit 52,3 Mrd. Euro werden die 40 Dax-Konzerne in diesem Jahr so viel ausschütten wie noch nie. Insgesamt haben 24 Unternehmen ihre Ausschüttungen angehoben, während nur fünf Senkungen bekanntgaben. Bei deutschen Einzelaktien lassen sich momentan Dividendenrenditen von bis zu gut sieben Prozent erzielen.
Der Vergleich von "Brutto- und Netto-Dax" zeigt die Bedeutung der Dividendenrendite, die seit Einführung des DAX 1988 durchschnittlich 2,7 Prozent jährlich ausmacht. Ausschüttungsstarke Aktien bieten zudem ein Risikopolster gegen Kursschwankungen.
Sentiment und Charttechnik DAX - Wir sind überkauft!
Aus Sentimentsicht wischen Anleger, die zuletzt noch abwartend an der Seitenlinie standen, ihre Bedenken beiseite und treiben durch ihre Engagements die Kurse weiter in die Höhe. Welcher Vermögensverwalter will schon vor seine Anleger treten und mitteilen, dass die Rallye verpasst wurde? Dadurch hat sich nach der DAX-Rallye von gut 1.800 Punkten in rund zehn Wochen allerdings klares Korrekturpotenzial aufgestaut.
Als Kontraindikator dient auch der im Bereich der Gier liegende Fear & Greed Index von CNN Business, der die Gefahr von gesunden Gewinnmitnahmen nährt, die den Druck im Aktien-Kessel abbauen.
Damit allerdings bieten sich Anlegern wieder günstige Kaufgelegenheiten. Denn aufgrund der Rahmenbedingungen für das verbleibende Jahr (Zinssenkungsphantasie, weltkonjunkturelle Erholung) sind Konsolidierungen Kaufgelegenheiten.
Charttechnisch liegen bei Fortsetzung der Aufwärtsbewegung die nächsten Widerstände bei 18.643 und 18.657 Punkten. Im Falle einer Korrektur trifft er bei 18.468, 18.466, 18.410 und 18.360 Punkten auf Unterstützungen.
Der Autor dieses Artikels ist Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG.
Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: https://www.roberthalver.de/Newsletter-Disclaimer-725
Disclaimer
Die Baader Bank AG stellt Ihnen auf dieser Website verschiedenste Informationen zur Verfügung, insbesondere zum Unternehmen, zu Anlageprodukten, Dienstleistungen und Veranstaltungen, aber auch zu weiteren Themen. Die auf dieser Website enthaltenen Informationen sind von der Baader Bank AG sorgfältig zusammengestellt worden und werden von der Baader Bank AG regelmäßig überprüft und aktualisiert. Da sich Daten trotz aller Sorgfalt zwischen den Überprüfungsperioden geändert haben können, kann Baader Bank AG keine Gewähr für deren Richtigkeit oder Vollständigkeit übernehmen. Auch beruhen die Informationen teilweise auf öffentlich zugänglichen sowie als verlässlich geltenden Quellen. Daher kann von Baader Bank AG ebenfalls keine Gewähr für Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Informationen von Dritten übernommen werden.
Diese Website dient nur Informations- und Werbezwecken. Die auf dieser Website beschriebenen Anlageprodukte sind möglicherweise nicht für jeden Anleger geeignet und wir empfehlen, zuvor den Rat eines Anlage- und Steuerberaters einzuholen. Baader Bank AG hält möglicherweise eigene Positionen an den hier beschriebenen Anlageprodukten und dies kann Einfluss auf die dargestellten Informationen haben.
Die Vervielfältigung von auf dieser Website enthaltenen Informationen oder Daten ist ohne die vorherige schriftliche Zustimmung der Baader Bank AG nicht gestattet. Diese Website enthält möglicherweise Links oder Hinweise auf die Webseiten von Dritten, welche von der Baader Bank AG nicht kontrolliert werden können und daher kann die Baader Bank AG keine Verantwortung für den Inhalt von solchen Webseiten Dritter oder darin enthaltenen weiteren Links übernehmen.
Hinweise auf mögliche Interessenkonflikte
Unter Umständen halten Gesellschaften des Baader Bank Konzerns an der Gesellschaft oder den Gesellschaften der betroffenen Wertpapiere eine Beteiligung oder handeln mit den entsprechenden Wertpapieren. Auch Organe, Führungskräfte sowie Mitarbeiter halten möglicherweise Anteile oder Positionen an Wertpapieren oder Finanzprodukten, die Gegenstand von Bewertungen sind. Die Baader Bank gehört zudem möglicherweise einem Konsortium an, das die Emission von Wertpapieren der Gesellschaft, die Gegenstand einer Bewertung sind, übernommen hat. Die Baader Bank kann ferner auch Bankleistungen oder Beratungsleistungen für den Emittenten von solchen Wertpapieren erbringen und betreut möglicherweise analysierte Wertpapiere auf Grund eines mit dem jeweiligen Emittenten geschlossenen Vertrages an der Börse oder am Markt. Organe der Baader Bank bzw. Mitarbeiter können zudem Aufsichtsratsfunktionen bei Emittenten wahrnehmen, deren Wertpapiere Gegenstand von Bewertungen sind.
Copyright ©: Verantwortlicher Ersteller für diese Internetseiten ist die Baader Bank Aktiengesellschaft, Weihenstephaner Straße 4, 85716 Unterschleißheim, Deutschland.
Stephan Feuerstein ist Chefredakteur des Börsenbriefes Hebelzertifikate-Trader. Bereits seit Anfang der 90er Jahre beschäftigt er sich mit dem Thema Börse, speziell der Technischen Analyse. Infos: www.hebelzertifikate-trader.de Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.