Glück im neuen Jahr?

China: Start in ein aufregendes Jahr

17.02.15 16:00 Uhr

China: Start in ein aufregendes Jahr | finanzen.net

Bald ist Silvester im Reich der Mitte. Das neue Jahr steht im Zeichen des Schafs und der Gemütlichkeit. An den Aktienmärkten dürfte davon nichts zu ­spüren sein - vor allem nicht in Shanghai.

Werte in diesem Artikel
Fonds

59,44 EUR -0,77 EUR -0,01%

ETFs

14,33 USD -0,18 USD -0,01%

9,91 USD -0,13 USD -0,01%

Indizes

3.722,5 PKT -10,0 PKT -0,27%

von Christoph Platt, Euro am Sonntag

Die Vorbereitungen für das Fest laufen auf Hochtouren: In wenigen Tagen, am 19. Februar, beginnt in China das Jahr des Schafs. Die Menschen kleiden sich feierlich, schmücken ihre Häuser und so mancher holt sich das Zeichen des neuen Jahres gleich als Plüschtier ins Haus.

Wer­bung

Mit dem Schaf verbinden die Chinesen bestimmte Charaktereigenschaften. Es gilt als friedliebend, artig und bodenständig. Schafjahre werden als Jahre ohne große Höhen und Tiefen angesehen, die eher gemütlich verlaufen.

Etwas mehr Gemütlichkeit stünde dem chinesischen Aktienmarkt nach den jüngsten Schwankungen allerdings auch gut zu Gesicht. Die A-Aktien - chinesische Titel, die an der Börse Shanghai in der Landeswährung Renminbi gehandelt werden (siehe Glossar unten) - haben bewegte Monate hinter sich. Zunächst explodierten die Kurse Ende 2014 regelrecht. Der Index CSI 300, der die Entwicklung der 300 liquidesten Aktien aus Shanghai wiedergibt, stieg im November und Dezember um mehr als 40 Prozent. Auslöser der Hausse war eine Liberalisierung der chinesischen Finanzmärkte. Seit dem 17. November ­können A-Aktien von ausländischen ­Investoren weitgehend ohne Einschränkungen über die Börse in Hongkong gekauft werden.

Wer­bung

Die Freigabe für ausländische Investoren war zwar der Startschuss für die Rally. "Angetrieben wurde sie jedoch zu einem überwiegenden Teil von privaten Anlegern aus China", sagt Vanessa Donegan, Fonds­managerin des Threadneedle China Opportunities. Diese dominieren den Handel an der Börse in Shanghai: Sie haben dort einen Anteil von rund 85 Prozent.

Nachdem die Kurse seit Mitte 2014 fast kontinuierlich gestiegen waren, herrschte in den vergangenen Wochen plötzlich Katerstimmung. Die Notierungen kamen nach dem Mehrjahreshoch bei 3.640 Punkten Anfang Januar auf 3.315 Punkte zurück - extreme Schwankungen inklusive. Am 19. Januar kam es binnen eines Tages zu einem Rückgang um 7,7 Prozent, dem höchsten Tages­verlust seit August 2009.

Wer­bung

Die hohe Volatilität zeigt, dass der Markt nicht gerade für konservative Anleger geeignet ist. Für risiko­bereite Investoren bieten sich aber Chancen - speziell im Segment der A-Aktien. Für Kursfantasie sorgt vor allem die Tatsache, dass die A-Aktien im Lauf des Jahres in die wichtigen China-Indizes aufgenommen werden könnten. Momentan enthält beispielsweise der bedeutende MSCI China noch keine Aktien aus dem A-Segment, sondern nur die in Hongkong gehandelten H-Aktien und andere Aktienarten (siehe Glossar). Werden die A-Aktien nun in den Index integriert, müssen passive Produkte wie China-ETFs diese Werte kaufen, um die neue Zusammensetzung des Börsenbarometers korrekt abzubilden. Und auch aktive Fonds, die sich am Index orientieren, dürften sich verpflichtet fühlen, A-Aktien aufzunehmen. Hohe Zuflüsse wären die Folge und würden die Kurse antreiben. "Die jüngste Beruhigung ist nur eine Verschnaufpause", sagt daher Donegan.

Bei der Bewertung haben A-Aktien allerdings nicht mehr die Nase vorn. "Vor der Öffnung der Börse in Shanghai wurden A-Aktien mit einem Bewertungsabschlag gegenüber H-Aktien gehandelt. Dieser hat sich in einen Bewertungsaufschlag umgekehrt", sagt Wolfgang Fickus, Mitglied im Investmentkomitee der Fondsgesellschaft Comgest. A-Aktien sind inzwischen also sogar teurer als H-Aktien.

Ganz allgemein sind die Preise chinesischer Titel aber überschaubar. So liegt das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis von H-Aktien bei zehn, das von A-Aktien bei knapp 13. Damit sind sie preiswerter als deutsche, japanische oder US-Werte, aber auch als indische Titel.

Die niedrige Bewertung hat damit zu tun, dass sich die Kurse chinesischer Aktien - abgesehen von dem jüngsten Aufbäumen in Shanghai - in den vergangenen Jahren nicht gut entwickelt haben. Mehrere Gründe haben den Anlegern die Lust auf chinesische Werte verdorben. An erster Stelle steht die Verlangsamung der Konjunktur. So wuchs das Brutto­inlandsprodukt (BIP) zwischen 2012 und 2014 nur noch um rund 7,5 Prozent jährlich. Absolut gesehen ist das zwar ein hoher Wert. "Doch die ­Anleger erinnern sich noch immer an die Zeit von 2003 bis 2007, als Chinas Volkswirtschaft jedes Jahr um zehn bis 14 Prozent zulegte", erläutert Fickus.

Staatliche Eingriffe schrecken ab
Abschreckend wirken zudem die Eingriffe des Staates. Unternehmen werden scharf kontrolliert und gelenkt. Da in der Vergangenheit das reine Wirtschaftswachstum oberste Priorität hatte, wurde wenig getan, um die Profitabilität zu erhöhen. Auch eine schlechte Corporate Governance und mangelnde Rücksichtnahme auf Mitarbeiter und Natur trugen zum schlechten Bild chinesischer Konzerne bei.

Doch die Führung in Peking denkt um. Die Fixierung auf das nackte Wachstum ist passé. Zu dem Strategiewechsel gehört, dass das hohe BIP-Wachstum der früheren Jahre nicht mehr erreicht wird. Viele China-Kenner sehen diese Entwicklung positiv: "Das rein quantitative und investitionsgetriebene Wachstum soll sich in ein qualitatives und konsumgetriebenes wandeln", sagt Fickus. "Die Manager vieler Staatsunternehmen sind nicht mehr blind auf Expansion getrimmt, sondern achten vermehrt auf Profitabilität."

Gerade die seit 2013 amtierende Führung unter Staatspräsident Xi Jinping hat sich Reformen auferlegt. Eine behutsame Deregulierung findet statt. Sie zeigt sich nicht nur in der Realwirtschaft, der mehr Freiräume gelassen werden sollen. Besonders auch die Finanzmärkte werden offener. Der erweiterte Zugang zum Markt für A-Aktien ist das jüngste Beispiel dieser Entwicklung.

Nicht nur wegen der Reformbereitschaft stehen die Chancen gut, dass chinesische Aktien weiter steigen. Ein starker langfristiger Treiber dürfte in der bisherigen Vermögensverteilung der Chinesen zu finden sein. "Mehr als 60 Prozent ihres Kapitals stecken in Immobilien, fast 30 Prozent in Sparbüchern oder vergleichbaren Anlageprodukten", sagt Donegan. "In Aktien, Fonds und Altersvorsorgeprodukte haben sie fast nichts investiert, ganz anders als in Japan oder den USA." Die Threadneedle-Managerin erkennt deshalb einen Riesentrend, der für viele Jahre anhalten könnte, wenn Chinesen sich stärker am Aktienmarkt ­engagieren.

Glossar:

Aktienarten China
In China gibt es verschiedene Arten von Aktien. Sie unterscheiden sich in erster Linie durch ihren Börsenplatz und lassen sich in zwei übergeordnete Gruppen einteilen. Auf der einen Seite stehen die Onshore-Segmente (A- und B-Aktien). Sie enthalten Unternehmen, die auf dem chinesischen Festland notiert sind.
Auf der anderen Seite stehen die Offshore-Segmente (H-Aktien, Red Chips und ­P-Chips). Hier finden sich Unter­nehmen, die an einer ausländischen Börse gelistet sind. Dazu zählt auch der Handelsplatz in Hongkong.
A-Aktien
Das wichtigste Onshore-Segment sind die A-Aktien. Sie stammen von Unternehmen, die an den Börsen in Shanghai oder Shenzhen gelistet sind, und notieren in der Landeswährung Renminbi. Chinesische Privatanleger dominieren diesen Markt. Bis vor drei Monaten war der Zugang ausländischer Investoren zu den A-Aktien stark beschränkt. Small und Mid Caps machen rund 90 Prozent des Handels aus.

B-Aktien
B-Aktien gehören ebenfalls zum Onshore-Segment. Diese Anteilscheine werden allerdings in Fremdwährungen gehandelt: nämlich dem US-Dollar in Shanghai und dem Hongkong-Dollar in Shenzhen. Ausländische Investoren hatten früher schon Zugang zu B-Aktien, doch das Segment ist wesentlich kleiner und damit unbedeutender als das der ­A-Aktien.

H-Aktien
Lange Zeit waren H-Aktien für ausländische Investoren die einzige Möglichkeit, sich in chinesischen Unternehmen zu ­engagieren. Sie werden an der Börse in Hongkong gehandelt und notieren in Hongkong-Dollar. Institutionelle Investoren sind in diesem Markt weit in der Überzahl. Der Handel von Standard­werten steht im Mittelpunkt. Von vielen Unternehmen gibt es sowohl H- als auch A-Aktien, die allerdings nicht den gleichen Kurs haben müssen.

Red Chips/P-Chips
Red Chips und P-Chips werden in Hongkong gehandelt. Zum erstgenannten Segment gehören Unternehmen, die ­unter der Kontrolle von Organisationen oder Firmen stehen, die dem chinesischen Staat, den Provinzen oder den ­Regionen der Volksrepublik gehören.

Als P-Chips werden Unternehmen bezeichnet, die ihren Sitz außerhalb von China haben, aber eng mit dem Land verbunden sind. Diese Firmen müssen einige Kriterien erfüllen mit Blick auf den Umsatz, den sie in China erwirtschaften, die Reichweite der chinesischen Eigen­tümerstruktur und die regionale Konzentration ihres Firmenbesitzes.

Investor-Info

Aktienfonds China
Schwerpunkt Hongkong

Fonds für chinesische Aktien gibt es viele. Doch mit ihnen gezielt das Segment der A-Aktien abzudecken, das ist schwierig. In den aktiv gemanagten Fonds spielen A-Aktien bislang eine untergeordnete Rolle. Ihr Anteil liegt durchschnittlich bei weniger als fünf Prozent des Fondsvermögens. Anleger, die sich in China engagieren wollen, sollten das aber nicht als Nachteil verstehen. Die Fonds haben durch die Öffnung der Börse in Shanghai einen größeren Spielraum erhalten und können künftig aus A- und H-Aktien die besten Unternehmen heraussuchen. Da A-Aktien stärker schwanken als H-Aktien, ist es auch nicht im Sinne der meisten Fonds, sich überwiegend in A-Aktien zu engagieren. Wer ausschließlich auf ­A-Aktien setzen will, greift zu einem ETF.

Comgest Greater China
Defensive Ausrichtung

Der Comgest Growth Greater China investiert in ­Unternehmen aus China, Hongkong und Taiwan. Ins Portfolio aufgenommen werden Firmen mit einem gut prognostizierbaren stetigen Gewinnwachstum. A-Aktien machen einen Anteil von 18 Prozent aus. Finanztitel sind im Vergleich zum breiten Markt stark untergewichtet. Der Standardwertefonds zählt zu den defensiveren China-Investments.

Threadneedle China Opport.
Breite Streuung

Fondsmanagerin Vanessa Donegan streut das Vermögen des Threadneedle China Opportunities breit über 66 Titel. Sie kauft Aktien aus Bereichen, die von den Reformen in China profitieren. Auch wenn Donegan eigene Ideen verfolgt, bleibt sie näher am Vergleichsindex MSCI China als der Comgest-Fonds. A-Aktien spielen nur eine kleine Rolle. Für langfristige Anleger mit Risikobereitschaft.

db X-trackers CSI 300
A-Aktien in reinster Form

Der ETF folgt dem CSI 300, einem Index, der die 300 liquidesten A-Aktien aus China abbildet. Das Segment war 2014 so erfolgreich, dass der db X-trackers CSI 300 im vergangenen Jahr unter die besten 15 von mehr als 6000 Fonds kam. Der ETF ist eines der wenigen Produkte, mit denen ein reiner Einstieg in chinesische A-Aktien möglich ist.

Bildquellen: Aleksey Klints / Shutterstock.com, Lingchaupan / Shutterstock.com