Georgia geht an Biden

Sender-Prognosen: Biden gewinnt US-Wahl mit 306 Wahlleuten - Trump: "Betrug"

16.11.20 06:36 Uhr

Sender-Prognosen: Biden gewinnt US-Wahl mit 306 Wahlleuten - Trump: "Betrug" | finanzen.net

Der neu gewählte US-Präsident Joe Biden hat nach jüngsten Prognosen auch den Bundesstaat Georgia gewonnen - und seinen Vorsprung auf den unterlegenen Amtsinhaber Donald Trump damit weiter ausgebaut.

Den Berechnungen von CNN, NBC, ABC und CBS zufolge kommt der Demokrat Biden bei der US-Wahl nun auf 306 Wahlleute, exakt so viele wie der Republikaner Trump vor vier Jahren hatte - und deutlich mehr als die für einen Sieg erforderlichen 270. Trump hatte bei seinem Überraschungserfolg 2016 von einem "Erdrutschsieg" gesprochen.

Zweifelt Trump?

Trump ließ am Freitag erstmals Zweifel an der bisher von ihm demonstrierten Siegesgewissheit erkennen. "Diese Regierung wird keinen Lockdown machen", sagte er bei einem Auftritt im Rosengarten des Weißen Hauses, bei dem es um einen Impfstoff gegen das Coronavirus ging. Er fuhr fort mit den Worten: "Hoffentlich wird die", hielt kurz inne - und begann seinen Satz dann noch einmal neu: "Was immer in der Zukunft passiert, wer weiß, welche Regierung es sein wird, ich denke, das wird sich zeigen. Aber ich kann Ihnen versichern, diese Regierung wird keinen Lockdown machen."

Biden bei landesweiten Stimmen weit vorne

US-Sender prognostizierten am Freitag, dass Biden Georgia (16 Wahlleute) gewonnen habe und Trump den Bundesstaat North Carolina (15). Das waren die letzten beiden Bundesstaaten, in denen noch kein Sieger der Wahl vom 3. November ausgerufen worden war. Damit käme Biden auf 306 Wahlleute, Trump auf 232. Bei der Wahl vor vier Jahren hatte Trump 306 Wahlleute hinter sich gebracht, seine Herausfordererin Hillary Clinton kam auf 232. Trump hatte damals die meisten Wahlleute in den Bundesstaaten gewonnen, landesweit aber knapp drei Millionen Wählerstimmen weniger als Clinton bekommen.

Bei dieser Wahl liegt Biden auch bei den landesweiten Stimmen mehr als fünf Millionen vor Trump: Der Demokrat kommt auf knapp 78 Millionen Stimmen (50,8 Prozent), der Republikaner auf 72,7 Millionen (47,5 Prozent). Der US-Präsident wird nur indirekt vom Volk gewählt. Die Stimmen der Wähler entscheiden über die Zusammensetzung des Wahlkollegiums, das den Präsidenten dann im Dezember wählt. Für einen Sieg braucht ein Kandidat die Mehrheit der 538 Wahlleute.

China gratuliert Biden

Erstmals gratulierte nun auch Chinas Staatsführung Biden und der künftigen Vizepräsidentin Kamala Harris zum Wahlsieg. Die Regierung in Peking hatte sich zuvor mit offiziellen Glückwünschen zurückgehalten. "Wir respektieren die Wahl der Menschen in Amerika und übermitteln Herrn Biden und Frau Harris unsere Glückwünsche", erklärte ein Sprecher des Außenministeriums am Freitag. Man verstehe, dass das Ergebnis der US-Wahlen gemäß der US-Gesetze und der dortigen Verfahren festgelegt werde. Das Verhältnis zwischen China und den USA hatte sich während der Präsidentschaft Trumps stark verschlechtert.

Trump: Biden hat durch Betrug gewonnen

US-Präsident Donald Trump scheint einem Eingeständnis seiner Wahlniederlage gegen Joe Biden näherzurücken. Am Sonntag kommentierte er den Tweet eines TV-Moderators mit Zweifeln an Bidens Erfolg mit den Worten: "Er hat gewonnen, weil die Wahl manipuliert war."

Es war zwölf Tage nach der Wahl das erste Mal, dass Trump die Worte "er hat gewonnen" benutzte - allerdings gehen seine Klagen gegen das Wahlergebnis weiter. Trump verwies kurz darauf auf einen anstehenden Auftritt seines Anwalts Rudy Giuliani, der die Wahlfälschungen aufdecke. Wenige Stunden zuvor hatte er Guiliani das Kommando über die Klagen übertragen.

Ein Sprecher von Trumps Republikanern in Deutschland, Jeffrey Jowett, sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Montag), es sei in mindestens fünf US-Bundesstaaten zu "offensichtlichem Wahlbetrug" gekommen. "Wir haben nie behauptet, dass die gesamte Wahl gefälscht wurde, schon kleine Veränderungen in einigen Bezirken könnten aber deutliche Effekte auf den Ausgang der Wahl haben", sagte er. Er sei offen für eine Modernisierung des Wahlrechts. Die Demokratie in den USA werde aber nicht wegen der aktuellen Spannungen Schaden nehmen.

Während sich in den USA eine massive Corona-Welle aufbaut, tauchte der noch bis zum 20. Januar amtierende Präsident immer tiefer in Verschwörungstheorien zu seiner Wahlniederlage ab. So twitterte Trump über Gerüchte, wonach bei der Stimmauszählung verwendete Software anfällig für Hackerangriffe gewesen sei und für ihn abgegebene Stimmen seinem Herausforderer Biden zugeschlagen habe. Behörden wiesen dies zurück. Wahlsieger Biden bereitet sich weiter auf die Amtsübernahme vor. Dazu gehört insbesondere der Kampf gegen die Pandemie.

Trump verweigert Bidens Lager Zugang zur Regierungsinfrastruktur. Seine Anwälte reichten Klagen in mehreren Bundesstaaten ein, konnten bisher jedoch keine überzeugenden Belege für Wahlfälschungen präsentieren. Allein am Freitag scheiterten diverse Klagen in Pennsylvania, Michigan und Arizona.

Der Präsident von den Republikanern behauptete im Wahlkampf immer wieder, dass die USA in der Corona-Krise bald über den Berg seien. Tatsächlich verschlimmert sich die Lage jedoch. Am Freitag gab es mit 177 224 Neuinfektionen binnen 24 Stunden einen Höchstwert, wie aus Daten der Johns-Hopkins-Universität (JHU) hervorgeht. Am Samstag wurden 166 555 Neuinfektionen registriert - erstmals seit mehreren Tagen ein Rückgang. Inzwischen ergreifen zunehmend auch republikanische Gouverneure striktere Maßnahmen wie Masken-Vorschriften - jüngst in North Dakota und West Virginia.

Trump spielte am Samstag Golf in seinem Club in der Nähe von Washington. Auf dem Weg dorthin winkte er kurz aus dem Auto Anhängern zu, die sich im Zentrum der Hauptstadt zu einer Demonstration zu seiner Unterstützung versammelt hatten. Trumps Sprecherin Kayleigh McEnany sprach bei Twitter von einer Million Teilnehmern. Einschätzungen von Beobachtern und Medien reichten dagegen nur bis gut 10 000. Trump selbst verkündete, es seien Hunderttausende gewesen. Seine Regierung hatte bereits ihre Amtszeit mit der Übertreibung der Teilnehmerzahl bei der Amtseinführung 2017 begonnen.

Vor einer Woche, als Bidens Sieg verkündet wurde, hatten deutlich mehr Menschen in den Straßen von Washington gefeiert. Anders als damals trugen viele Trump-Unterstützer keine Masken. Anschließend kam es vereinzelt zu Schlägereien zwischen Anhängern und Gegnern des Präsidenten. Eine Person wurde durch Messerstiche verletzt, wie der TV-Sender Fox berichtete. Auch zwei Polizisten seien verletzt worden. Es habe 20 Festnahmen gegeben.

Die rechtsextreme US-Organisation Proud Boys will nach den Worten ihres Chefs Enrique Tarrio bei ihrem Einsatz für Trump als US-Präsidenten nicht zur Gewalt greifen. "Wir werden friedlich bleiben, definitiv", sagte Tarrio dem "Tagesspiegel" (Montag) am Rande der Demonstration. Wenn sich Bidens Erfolg bestätigen sollte, würden die Proud Boys "ein Bier trinken und rausgehen, protestieren", und zwar definitiv "friedlich, aber kraftvoll". Trump hatte im Wahlkampf die Proud Boys aufgefordert, sich "bereitzuhalten". Das war von einigen als Billigung von Gewalt interpretiert worden.

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WASHINGTON (dpa-AFX)

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