Geldpolitik im Fokus

Fondsmanager: Market-Timing ist "Unsinn" - was Anleger stattdessen beachten sollten

05.06.22 16:57 Uhr

Fondsmanager: Market-Timing ist "Unsinn" - was Anleger stattdessen beachten sollten | finanzen.net

Inflations-, Zins- und Konjunktursorgen drücken derzeit auf die Anlegerstimmung. Dennoch ist Fondmanager Michael Farr für den Aktienmarkt bullish - warnt aber auch vor Risiken, die Anleger im Auge behalten sollten.

Werte in diesem Artikel
Indizes

6.021,6 PKT 34,3 PKT 0,57%

• Michael Farr bleibt bullish
• Fed könnte Geldpolitik zu sehr straffen
• Anleger sollten sich nicht an Market-Timing versuchen

Der Ukraine-Krieg sowie eine starke Nachfrage und globale Lieferkettenprobleme nach der Corona-Krise haben die Inflation in den USA auf den höchsten Stand seit über 40 Jahren getrieben. Infolge dessen hat die US-Notenbank eine Zinswende eingeleitet und ihren Leitzins nun schon zwei Mal erhöht. Für die Währungshüter ist diese Straffung der Geldpolitik jedoch ein Balanceakt, denn höhere Zinsen helfen zwar dabei, die Inflation zu dämpfen, können aber zugleich das Wirtschaftswachstum bremsen. Deshalb kommen nun bei vielen Marktteilnehmern Rezessionsängste auf.

Michael Farr rät von Timing-Strategie ab

Angesichts dieser Unsicherheiten hat der S&P500, der den breiten US-Aktienmarkt widerspiegelt, seit Jahresbeginn bereits 13,8 Prozent (Stand: 03.06.2022) an Wert verloren. Phasenweise war der Index sogar in den Bärenmarktmodus gefallen. An der Wall Street spricht man von einem Bärenmarkt, wenn ein Index mindestens 20 Prozent von seinem jüngsten Höchstwert einbüßt.

Viele Anleger fragen sich nun, ob jetzt ein günstiger Zeitpunkt zum Einstieg ist. Laut "MoneyWise" hat Michael Farr, der President und CEO des US-Vermögensverwalters Farr, Miller & Washington LLC, diesbezüglich einen einfachen Rat für Anleger: Sie sollten nicht versuchen, durch die Bestimmung günstiger Zeitpunkte für Aktienkäufe bzw. -verkäufe Gewinne zu erzielen.

"Market-Timing funktioniert nicht, das wird am Ende schief gehen", warnte Farr. "Zu glauben, dass man bei einem zehnprozentigen Pullback am Aktienmarkt einsteigt, und dass sich dies in zwanzig Jahren wesentlich auswirkt, ist Unsinn", so der Fondsmanager.

Fed im Blick behalten

Zwar ist Michael Farr für den Aktienmarkt bullish, dennoch rät er Anlegern dazu, die Geldpolitik der US-Notenbank genau im Blick zu behalten. Denn "der Markt kann zwar höhere Zinsen verkraften, aber nicht viel höhere".

Seiner Meinung nach würden zwei bis drei Zinserhöhungen ausreichen, um die Inflation einzudämmen ohne das Wachstum-Momentum der Wirtschaft abzuwürgen. Jedoch sieht er die drohende Gefahr, dass die Währungshüter zu weit gehen. "Historisch gesehen liegt die Fed meistens falsch", so Farr und erklärt: "Das liegt daran, dass es so furchtbar schwierig ist. Und in über 80 Prozent der Fälle folgt eine Rezession, nachdem die Fed einen Zinserhöhungszyklus startet."

Empfehlungen

Da Growth-Aktien meist stärker mit Fremdkapital finanziert sind, trifft sie Leitzinserhöhungen oft besonders hart. Deshalb glaubt Michael Farr, dass nun für Value-Titel die Zeit gekommen sein könnte, zu glänzen.

"Über ein Jahrzehnt haben Value-Aktien im Vergleich zu Growth-Titel underperformt", so der Fondsmanager. Doch nun würden "Unternehmen mit wirklich guten Bilanzen und Cash-Flows sowie mit einem begrenzten, angemessenem Verschuldungsgrad" beginnen zu performen. Solch eine Veränderung passiere typischerweise über mehrere Jahre.

Doch in welche Blue Chips sollten Anleger nun investieren? Farr ist für die meisten Sektoren optimistisch: Gesundheit, Industrie, Finanzwirtschaft. Sogar bei großen Tech-Konzernen mit soliden Bilanzen sollten sich Gelegenheiten bieten, ist der Experte überzeugt. Etwas vorsichtiger ist Farr jedoch beim Energie-Sektor - trotz der derzeit hohen Öl- und Gaspreise. Seine Zurückhaltung begründet er mit der volatilen Natur von Zyklikern wie Öl-Aktien.

Schwankungen ignorieren

Da es so schwierig ist, Kauf- und Verkaufsentscheidungen richtig zu timen, rät Michael Farr von der Timing-Strategie (englisch: Market Timing) ab. Statt dessen sei es für langfristig orientierte Anleger besser, die Marktschwankungen einfach zu ignorieren: "Mein Partner John Washington pflegte zu sagen, die beste Zeit um Aktien zu kaufen ist dann gekommen, wenn man dazu Geld zur Verfügung hat und der beste Zeitpunkt Aktien zu verkaufen sei dann, wenn man Geld benötigt", so der Fondsmanager.

Redaktion finanzen.net

Bildquellen: onairda / Shutterstock.com, Mary Altaffer/AP

Mehr zum Thema S&P 500