Neues Kleinanleger-Schutzgesetz: Wird die Geldanlage jetzt sicherer?
Der "graue" Finanzmarkt soll "weißer" werden. Die Bundesregierung will Kleinanleger per Gesetz besser vor hochriskanten oder trügerischen Angeboten schützen.
Ein hehres Ziel, doch schon melden sich etliche Kritiker zu Wort. Die einen fordern Verschärfungen, die anderen Lockerungen. So gesehen scheint der Gesetzgeber diesmal einiges richtig gemacht zu haben...
Traumrenditen von acht, zehn und mehr Prozent - damit warb in der Vergangenheit so manches Unternehmen um Anleger. Doch das Risiko war oft hoch - tausende von Anlegern erlitten teilweise schwere finanzielle Verluste.
Die Bundesregierung will deshalb Kleinanleger besser vor risikoreichen Geldanlagen auf dem sogenannten Grauen Kapitalmarkt schützen.
Beim Grauen Kapitalmarkt handelt es sich um einen bisher nicht reglementierten Kapitalmarkt, was im Grunde nichts anderes bedeutet als: Der Staat hielt sich da bisher völlig raus. Transparenz war ein Fremdwort und so blieb oft im Dunkeln, wie gut die Geschäfte tatsächlich liefen und wie viel Risiko darin steckte.
Zudem kam, dass die Liquidität der im Grauen Kapitalmarkt gehandelten Schuldverschreibungen, geschlossenen Fonds, nicht-börsennotierten Aktien und anderen Kapitalanlagen in der Regel nur gering war. Dafür waren die Renditeversprechen dann aber oftmals atemberaubend, was immer wieder vor allem sehr unerfahrene Anleger dazu brachte, jegliche Vernunft auszuschalten und viel Geld zu verbrennen.
Das alles soll mit dem neuen Kleinanlegerschutzgesetz anders werden, wofür das Kabinett jetzt einen Entwurf verabschiedete. Künftig müssen alle wesentlichen Informationen, die für die Anlageentscheidung von Bedeutung sind, in einem Verkaufsprospekt enthalten sein. Dazu gehören u. a. das Konzernergebnis, also Gewinne und Verluste, ebenso Verpflichtungen und deren Fälligkeit. Durch den letzten Punkt soll ein "Schneeballsystems" verhindert werden.
Klar erkennbar muss sein, an welche Anleger sich die Vermögensanlage richtet. Privatanleger können im Idealfall die Erfolgsaussichten einer Anlage besser einschätzen. Ferner müssen die Kündigungsmöglichkeiten sowie die Fälligkeit der Anlage angegeben sein.
Auch muss der Verkäufer personelle Anlage-Verflechtungen offenlegen. Der Anbieter muss darüber hinaus gewährleisten, dass der Prospekt aktuell und vollständig ist und sicherstellen, dass Interessenten und Anleger jederzeit auf diese Informationen zugreifen können. Etwa, indem er sie auf seiner Internetseite einstellt.
Um den Prospekt immer auf dem neuesten Stand zu bringen, müssen ständig Nachträge gemacht werden. Das ist kostspielig, weil die Prospekte von Experten erstellt werden müssen, um eine Prüfung zu bestehen - ein (gewollter) zusätzlicher Abschreckungseffekt für unseriöse Anbieter, die nur auf einen schnellen Profit aus sind.
Wer einwendet, es gäbe nicht genug Anleger, die Bilanzen richtig lesen könnten, selbst wenn diese vollständig sind (einer der Hauptkritikpunkte von Verbraucherschützern) hat damit sicher Recht. Das heißt aber nicht, dass man auf eine solche Vorschrift verzichten sollte.
Denn wenn auch der Anleger am Zahlensalat scheitern mag, wird wenigstens den Finanzmedien und Verbraucherzentralen die Arbeit erleichtert. Sie können Warnungen vor unseriösen Produkten nun mit Fakten unterfüttern.
Der Fall Prokon war der letzte Tropfen, der bei der Bundesregierung das Fass zum Überlaufen brachte, meinte Bundesverbraucherminister Heiko Maas. Ein Beitrag zur Energiewende sollte die Öko-Geldanlage sein - gut fürs Gewissen und den Geldbeutel, denn die versprochene Rendite war hoch. Doch am Ende kam alles anders. Tausende Anleger des Windpark-Finanzierers bangen um ihr Geld, denn das Unternehmen ist mittlerweile insolvent.
Wahr ist: Hätte es das Kleinanlegerschutzgesetz schon vor dem ersten Prokon-Hype gegeben, wären viele Geschädigte möglicherweise früher hellhörig geworden oder hätten gar nicht erst in die in die hochriskanten Genussrechte investiert.
Wahr ist aber auch: Bei Prokon gab es durchaus einen Verkaufsprospekt. Der war nur so kompliziert formuliert, dass Laien bzw. "Otto Normalanleger" oft nicht verstanden, was sich hinter dem aufgeführten Zahlenmaterial verbarg. Einzig bei den Renditeversprechen sprach man bei Prokon Klartext und bog sich die Wahrheit teilweise zurecht.
Mit dem neuen Gesetz sollen nun weitere wichtige Informationen in den Prospekten Pflicht werden - etwa Angaben zum Konzernabschluss und früheren finanziellen Verpflichtungen. Diese Angaben müssen auch der Prüfung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) standhalten.
Apropos BaFin: Mit einigem Grund lange als "zahnloser Tiger" geschmäht, soll sie nun mehr Macht bzw. mehr Zuständigkeiten erhalten: Sie ist künftig auch für den sogenannten kollektiven Verbraucherschutz zuständig. Gemeint ist damit, dass sie aktiv wird, wenn eine ganze Reihe von Anlegern Schaden droht.
Bei Verstößen kann die BaFin zudem Sanktionen verhängen, bis hin zum Vermarktungsverbot der Vermögensanlage. Darüber informiert sie auf ihrer Internetseite. So weit, so gut: man wird sehen, was die BaFin daraus macht.
Die schärfste Kritik am Kleinanlegerschutzgesetz kommt aus der Crowdinvesting-Branche: "Die Bundesregierung konterkariert ihr Ziel, Start-ups künftig besser zu unterstützen. Das Kleinanlegerschutzgesetz schafft eine Vielzahl bürokratischer Hürden für Crowdinvesting und erschwert, neue Investoren zu gewinnen. Gleichzeitig nimmt es Anlegern die Chance, in Start-ups zu investieren", warnte beispielsweise Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder.
"Investoren in Start-ups sind sich ihres finanziellen Risikos bewusst und müssen nicht auf dieselbe Weise geschützt werden wie Sparer, die in klassische Geldanlagen mit einer gewissen Sicherheit investieren wollen."
Tatsächlich sind für Start-ups bei der Crowdfinanzierung sogar Ausnahmen vorgesehen. Sie reichen aus Sicht der Betroffenen jedoch nicht aus. So sollen diese Erleichterungen wie etwa der Verzicht auf eine Prospektpflicht nur für Investitionsrunden bis 1 Million Euro gelten (die Frage sei erlaubt: Was genau eigentlich macht ein 999.999-Euro-Cowdinvesting-Projekt weniger riskant?)
Zudem dürfen sich Einzelinvestoren nur mit 1.000 Euro beteiligen, für eine Obergrenze von maximal 10.000 Euro müsste der Käufer ein Vermögen von mindestens 100.000 Euro haben. Als weitere Obergrenze gilt auch das Zweifache des Nettoeinkommens des Anlegers.
Wie aber soll das gehen? Der Käufer eines Finanzprodukts müsste dem Verkäufer volle Auskunft über seine Vermögensverhältnisse geben. Unter dem Gesichtspunkt des Datenschutzes ein schwieriges Vorhaben, wie ich meine.
Kritisiert wird auch eine zunehmende Bürokratisierung, weil Start-ups vor neuen Crowdinvesting-Runden nun ein Infoblatt erstellen und bei der Finanzaufsicht hinterlegen sollen. Geldgeber wären dann gezwungen, bereits ab einer Beteiligung von nur 250 Euro diese Information auf Papier auszudrucken, zu unterschreiben und dieses Formular dann per Post oder als Scan an das Start-up oder die Crowdinvesting-Plattform zurückzusenden.
Das klingt wirklich umständlich und könnte wohl einige potenzielle Investoren abschrecken. Auf der anderen Seite: Wenn jemand wirklich mehrere tausend Euro in ein Start-up stecken will, ist ihm dann wirklich nicht zuzumuten ein, mehr als nur einen Mausklick dafür zu "verschwenden"? Steht durch das Ausdrucken eines Formulars Crowdinvesting in Deutschland international zukünftig im Abseits? Ich halte das für übertrieben.
Ausgenommen von der Prospektpflicht sind Genossenschaften und gemeinnützige Projekte, wenn es etwa um den Bau von bezahlbarem Wohnraum geht. Eine weitere Änderung: Teils aggressive Werbung, noch dazu im öffentlichen Raum - zum Beispiel in Bussen und Bahnen - soll von nun an unzulässig sein: Im Fernsehen und im Radio dürfen Anbieter von Produkten des grauen Kapitalmarkts nur noch im Umfeld von Wirtschaftssendungen werben, denn bei deren Zuschauern und Hörern wird ein größeres Interesse an Wirtschaftsthemen und dadurch mehr Sachverstand vermutet.
In Zeitungen und Zeitschriften muss die Werbung den deutlichen Hinweis auf die nicht unerheblichen Risiken der Anlage enthalten. Verbraucherschützern reicht das nicht aus, sie verlangen auch das Print-Verbot. Das allerdings schießt weit übers Ziel hinaus, auch wenn ich zugebe, dass die Warnhinweise kein scharfes Schwert darstellen: Ein wenig erinnern sie an die Aufdrucke auf Zigarettenpackungen, die kaum einen Raucher abhalten, sich einen der nikotinhaltigen Glimmstängel anzustecken.
Zeitungsverleger und Werbewirtschaft lehnen die Warnhinweise ganz ab, schimpfen über staatliche Bevormundung: "Es ist nicht akzeptabel, dass der Staat die Bürger aufgrund ihres redaktionellen Medienkonsums in intellektuell fähige und unfähige Gruppen einteilt."
Ich sehe das etwas anders: Alles, was es Abzockern erschwert andere übers Ohr zu hauen (um mehr kann es realistisch gar nicht gehen), ist grundsätzlich zu begrüßen. Und es ist einfach ein Fakt, dass die Mehrzahl der Kleinanleger mehr leicht zugängliche Informationen benötigt, um ein risikoreiches Investment zu erkennen.
Das kann notfalls auch ein Warnhinweis aber auch das Fehlen desselben sein. Hier besteht jedoch eine Gefahr: Auch die Fahrlässigkeit könnte gefördert werden. Und zwar dann, wenn sich der Glaube einbürgert, das Fehlen einer Warnung sei schon eine Befürwortung.
Ein großes Problem sehe ich auch in der Überwachung der vielen unterschiedlichen Angebote und Anbieter. Wird das die BaFin überhaupt leisten können? Dazu kommt: Bis juristisch ausreichende Fakten vorliegen, um eine Warnung auszusprechen (Indizien reichen da nicht), könnte das Kind schon längst im Brunnen liegen. Trotz neuem Kleinanlegerschutzgesetz.
MEIN FAZIT:
Ein Rundum-Sorglos-Paket bieten die geplanten Neuregelungen natürlich nicht. Auf der anderen Seite wird die Öffentlichkeit auch nicht ins Bockshorn gejagt, wie Kritiker mäkeln. Das geplante Kleinanlegerschutzgesetz kann nicht mehr als ein ganz kleiner Schritt in die richtige Richtung sein.
Es macht es unseriösen Geschäftemachern schwerer und sorgt für mehr Licht im Dunkel des Grauen Kapitalmarktes. Auch motiviert es zu mehr Aufklärung über Finanzprodukte, aber auch dazu, sich aufklären zu lassen. Und damit ist schon viel erreicht.
Anleger sind in Zukunft verpflichtet, vor der Anlageentscheidung ein Informationsblatt sorgfältig zu lesen und zu unterzeichnen. Sie sind somit über ihr Risiko-Engagement ausreichend gewarnt. Wer zukünftig etwas unterschreibt, ohne es zu lesen oder obwohl er nicht versteht, was er da gelesen hat, dem ist nicht mehr zu helfen. Auch durch das beste Gesetz nicht.
Unabhängig davon, ob an dem geplanten Gesetz noch gefeilt wird oder nicht: Die Aufklärungsmöglichkeiten für den einzelnen Anleger werden steigen. Dennoch ist jeder weiter selbst dafür verantwortlich, welches Risiko er bei einer Kapitalanlage eingehen will.
Armin Brack ist Chefredakteur des Geldanlage-Reports. Gratis anmelden unter: www.geldanlage-report.de. Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.