Makrelen und Touristen helfen uns
Vor fünf Jahren kollabierte die Investmentbank Lehman Brothers und riss Island in den Abgrund. Ólafur Ísleifsson, Professor an der Universität Reykjavík, beschreibt die aktuelle Lage in Island.
Das Interview führte Astrid Zehbe
€uro: Mittlerweile wächst die Isländische Wirtschaft wieder. Ist die Krise in Island vorbei?
Ólafur Ísleifsson: Von einem Ende der Krise würde ich noch nicht sprechen. Wir sind noch immer hoch verschuldet, was für das Land eine sehr große Belastung darstellt. Dass die Wirtschaft seit 2010 wieder wächst ist eher auf einzelne und vor allem Faktoren zurückzuführen.
Welche sind das?
Unsere Währung, die Isländische Krone, hat stark abgewertet und lockt viel mehr Touristen ins Land, die hier Geld ausgeben. Für sie ist es viel günstiger, in Island Urlaub zu machen als noch vor der Krise. Außerdem boomt der Makrelenfang, seit sich die Fische wegen des Klimawandels immer weiter in isländische Gewässer vorwagen. Das hilft uns, aber es reicht nicht.
Was braucht Islands Wirtschaft?
Wir brauchen Investitionen. Das derzeitige Niveau ist viel zu niedrig, als dass es ein nachhaltiges Wachstum generieren könnte. Zudem müssen die Kapitalkontrollen abgeschafft werden. Sie erhöhen das Risiko von Preisblasen mit all ihren Folgen.
Sehen Sie denn konkrete Gefahren?
Es gibt Anzeichen einer Vermögensblase. Isländische Aktien sind beträchtlich gestiegen, weil ausländische Anleger ihre Kronen nicht abziehen können und in den Aktienmarkt pumpen.
Die Angst, dass es erneut zu einem Crash kommt, scheint gering zu sein? Haben die Isländer die Folgen der Finanzkrise schon vergessen?
Nein, zu schmerzhaft waren die Einschnitte: Der Schaden bei Vermögenswerten war immens. Aktien und Anleihen sind wertlos geworden und haben sich auch nicht mehr erholt. Auch gesunkene Löhne und die gestiegene Arbeitslosigkeit haben das Land stark getroffen.
Aber die Arbeitslosigkeit ist schon fast wieder auf dem Niveau von 2007.
Das stimmt, aber vor allem deshalb, weil ein Teil der Menschen, die ihren Job verloren haben, ausgewandert sind. Zudem hatte Island viele Arbeitsmigranten, zum Beispiel aus Polen. Die haben wegen der Krise das Land verlassen und tauchen heute in keiner Statistik auf. Irgendwann wird sich Island von diesen Schäden, die man ganz gut in Geld messen kann, erholen. Viel länger wird es dauern, das gutzumachen, was die Krise in den Köpfen der Menschen ausgelöst hat.
Was genau meinen Sie?
Die Menschen haben das Vertrauen in die Regierung, das Parlament und auch Behörden verloren, vom Finanzsektor ganz zu schweigen. Es wird eine Weile dauern bis das Vertrauen wieder hergestellt ist.
Ist das auch der Grund, weshalb es Island plötzlich nicht mehr so eilig hat mit einem EU-Beitritt?
Die 2009 abgegebene Bewerbung für eine EU-Mitgliedschaft hat die im April gewählte Regierung erstmal auf Eis gelegt. Das Volk wünscht sich ein Referendum, so dass ein Anschluss an die EU in dieser Legislaturperiode sehr unwahrscheinlich ist. Den Isländern sind die Schwierigkeiten, welche die EU hat, die Finanzkrise in den Griff zu bekommen, sehr bewusst. Außerdem fürchten viele, dass das Land einen Teil seiner Souveränität einbüßen könnte.
Dabei könnte die Eurozone vielleicht von Island lernen, wie es seine Finanzen in Ordnung bekommt.
Die EU und Island in dieser Hinsicht zu vergleich ist schwierig. Es gibt zwei fundamentale Unterschiede. Zum einen hat Island seine eigene Währung, die das Land abwerten konnte. Das hat den Exporten geholfen und so inländische Unternehmen gestärkt, die mit Importen konkurriert haben. Zum anderen war es angesichts des Volumens des aufgeblasenen Bankensektors keine Option, dass der Staat die Schulden der Banken übernimmt – anders als jetzt in der Eurozone.
Vita
Ólafur Ísleifsson ist Professor an der -Universität Reykjavík. Zuvor hat der studierte Ökonom und Mathematiker beim Internationalen Währungsfonds (IWF) sowie der isländischen Zentralbank gearbeitet. Ende der 80er-Jahre beriet er den Ministerpräsidenten -Thorstein Palsson in Wirtschaftsfragen