Marktbericht vom KMU-Segment Scale: Kursverdopplungen, spannende Joint-Ventures, Kaufempfehlungen und rote Laternen
In den vergangenen Wochen hat sich der Scale All Share-Index seitwärts bewegt. Auf längere Sicht geht die Kursentwicklung der Index-Mitglieder weit auseinander
18. September 2018. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Anders als in den USA, wo Technologieaktien in den vergangenen Monaten ganz klar das Rennen gemacht haben, sind es im Scale-Segment der Frankfurter Börse Unternehmen aus ganz unterschiedlichen Branchen, die oben auf der Bestenliste stehen. Zu den Top-Performern der vergangenen zwölf Monate gehören ein Fondsemissionshaus, ein Fintech-Unternehmen, ein Messtechniker, ein Immobilienentwickler und ein Softwareunternehmen.
Es ist ein buntes Segment, mit vielen Gewinnern, aber auch einigen Verlierern. Auf kleine Unternehmen spezialisierte Analysehäuser sehen allerdings viele interessante Einstiegsgelegenheiten bei Scale-Aktien.
Der Scale All Share-Index, der die Entwicklung aller Scale-Werte widergibt, hat sich nach Kursgewinnen und -verlusten unter dem Strich gegenüber dem Vormonat kaum bewegt und liegt am Dienstagmorgen bei 1.276 Punkten. Seit Start des Börsensegments im März 2017 kommt der Index damit auf ein Plus von knapp 28 Prozent. Der Auswahlindex Scale 30 liegt mit aktuell 1.165 Punkten auf ähnlichem Niveau wie vor vier Wochen.
Lloyd Fonds mit Kursverdopplung
Auf der Liste der vergangenen zwölf Monate auf Platz eins steht nun das Fondsemissionshaus Lloyd Fonds (WKN A12UP2) mit einem Plus von 116 Prozent, allein seit März hat sich der Kurs mehr als verdoppelt. Auf den Plätzen zwei und drei finden sich jetzt die Frankfurter FinTech Group (WKN A0MSN1) - ehemals m-u-t - mit 61 Prozent und dem Immobilienentwickler Noratis (WKN A2E4MK) mit 57 Prozent. Auf Sicht von drei Monaten hat jetzt der Anbieter von Videosystemen artec technologies die Nase vorn, auf Platz zwei und drei stehen der Immobilienentwickler Consus Real Estate (WKN A2DA41) und Lloyd Fonds.
Wie in den Vormonaten sind Fintechs aber nicht nur unter den Besten, sondern auch unter den Schlechtesten: Auf Sicht von zwölf Monaten hält das Fintech-Unternehmen Naga Group (WKN A161NR) mit einem Minus von 81 Prozent die rote Laterne, zu den größten Verlierern gehören außerdem der Immobilieninvestor Publity (WKN 697250), der Streaming-Dienst Pantaflix (WKN A12UPJ), der Klingeltonanbieter CLIQ Digital (WKN A0HHJR), der Anbieter von Kassensystemen Vectron Systems (WKN A0KEXC) und das Fintech MyBucks (WKN A2AJLT).
Joint Venture von FinTech Group und Österreichs Post
Viele Scale-Unternehmen haben in den vergangenen Wochen ihre Zahlen für das zweite Quartal bzw. das erste Halbjahr vorgelegt. Der Umsatz der FinTech Group stieg um 18 Prozent auf 58,5 Millionen Euro, vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen kletterte das Ergebnis um 42 Prozent auf 18,4 Millionen Euro. Die Broker-Tochter Flatex sorgte auch im ersten Halbjahr 2018 für den Löwenanteil der Erträge und Erlöse. Außerdem kündigte das Unternehmen ein Joint Venture mit der österreichischen Post an, die demnächst Bankdienstleistungen der FinTech-Group verkaufen soll. Die Post wird sich im Gegenzug mit 7 Prozent an den Frankfurtern beteiligen
Die JDC Group (WKN A0B9N3) hat im August eine Kapitalerhöhung erfolgreich abgeschlossen. Nach eigenen Angaben wurden 1,2 Millionen neue Aktien zu 8,70 Euro im Rahmen einer Privatofferte bei qualifizierten Anlegern platziert. Der Finanzdienstleister, zu dessen Töchtern der Maklerpool Jung, DMS & Cie. gehört, will das Geld für weiteres Wachstum und insbesondere für Akquisitionen nutzen.
Viele neue Kaufempfehlungen
Abermals gab es zahlreiche Einstiegsempfehlungen für Scale-Unternehmen, von SMC Research etwa für mVISE, artec Technologies, Nanogate und die Naga Group. GBC rät bei der Fintech Group, HELMA und der JDC Group zum Kauf.
Der IT-Dienstleister mVISE (WKN 620458) ist dem Münsteraner Analysehaus SMC Research zufolge im ersten Halbjahr sehr dynamisch gewachsen, habe dabei aber vor allem von einem Zukauf profitiert, im zweiten Halbjahr werde das Produktgeschäft an Tempo gewinnen. SMC rechnet mit einem sehr kräftigen Gewinnsprung und nennt ein Kursziel von 7 Euro, weit über dem aktuellen Kurs (4,37 Euro). artec technologies (WKN 520958) ist laut SMC auf gutem Weg, die hohen Erwartungen für das Gesamtjahr zu erreichen, besonders angetan sind die Analysten von der Gewinnentwicklung. Vorerst bleiben sie aber beim Kursziel von 8,40 Euro (aktuell 4,98) sowie dem Rating "Speculative Buy".
SMC sieht Nanogate (WKN A0JKHC) nach Vorlage der Halbjahreszahlen auf gutem Weg, um die Erwartungen für das Gesamtjahr zu treffen. Der Oberflächenspezialist dürfte seine eigenen Prognosen erneut übertreffen, die Nanogate-Aktie habe weiter viel Potenzial. Das Kursziel liegt bei 64,10 Euro (aktuell 37,20). Laut GBC hat die JDC Group (WKN A0B9N3) im ersten Halbjahr den positiven Trend der vorangegangenen Berichtsperioden fortgesetzt und Umsatz sowie die wichtigsten Ergebniskennziffern gesteigert. Die Analysten reduzieren ihr Kursziel leicht von 12,40 auf 12,10 Euro (aktuell 8,60) und bleiben bei ihrem "Kaufen"-Votum.
Kursziele weit über aktuellen Notierungen
HELMA Eigenheimbau (WKN A0EQ57) hat GBC zufolge in den ersten sechs Monaten des Geschäftsjahres 2018 trotz Umsatzrückgang den Vorsteuergewinn und den Gewinn vor Steuern und Zinsen deutlich gesteigert. In der Folge erhöhen die Analysten ihr Kursziel von 53 auf 57,70 Euro (aktuell 36,55) und bestätigen das Kaufvotum. Durchaus positiv sieht SMC auch die NAGA Group (WKN A161NR), die Aktie hatte sich nach deutlichen Kursverlusten zuletzt etwas erholt. Die Naga Group habe sehr gute Zahlen für 2017 geliefert, auch wenn das Unternehmen nicht in allen Bereichen so schnell wie erwartet vorankomme. Die Analysten gehen aber davon aus, dass die Gesellschaft nun die Skalierung der eingeführten Plattformen vorantreiben wird. Der faire Wert liegt mit 6,70 Euro je Aktie weit über dem aktuellen Kurs (Stand heute 2,69 Euro), wegen des Prognoserisikos aufgrund des frühen Stadiums der Geschäftsentwicklung heißt das Urteil aber "Speculative Buy".
Die FinTech Group (WKN FTG111) wird laut GBC AG im Geschäftsjahr 2018 weiter wachsen und ihren Umsatz auf 120 Millionen Euro und den Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen deutlich auf 40 Millionen Euro steigern. In der Folge heben die Analysten das Kursziel bei unverändert positivem Votum von 35 auf 41,70 Euro (aktuell 27,50) an.
Analysten sehen nicht überall Potenzial
Nur auf "Halten" gestuft wird von GBC unterdessen Deutsche Grundstücksauktionen (WKN 553340). GBC zufolge ist das erste Halbjahr 2018 für das Unternehmen sehr positiv verlaufen, allerdings hatten die Analysten mit einer besseren Performance der Tochtergesellschaften gerechnet. Daher reduzieren sie das Kursziel leicht von 18,85 auf 18,70 Euro (aktuell 17) und votieren nun mit "Halten" statt "Kaufen".
Das Düsseldorfer Analysehaus GSC Research ("German Small Caps") setzt außerdem die EQS Group (WKN 549416), spezialisiert auf Softwarelösungen und Unternehmenskommunikation, auf "Halten". EQS habe im ersten Halbjahr aufgrund von Sondereffekten zwar ein positives Ergebnis nach Anteilen Dritter erzielt, die operativen Ergebniskennzahlen seien investitionsbedingt aber negativ ausgefallen. In der Folge belassen die Analysten das Kursziel bei 80 Euro (aktuell 70) und das Votum bei "Halten".
Anleihen halten sich weiter gut
Im Scale-Anleihesegment gibt es wenig Bewegung. Sämtliche Anleihen notieren weiter über Pari, besonders deutlich die Papiere des Fußballclubs Gelsenkirchen Schalke 04 (WKN A2AA04), der Karlsberg Brauerei (WKN A2AATX), Neue ZWL Zahnradwerk Leipzig (WKN A13SA), Hoermann Industries (WKN A2AAZG) und Eyemaxx Real Estate (WKN A12T37). Scale ging im März 2017 an den Start und hat den Vorgänger Entry Standard abgelöst.
Das Segment bietet Zugang zu Aktien und Anleihen kleiner und mittlerer Unternehmen. Unternehmen, die sich in Scale listen lassen wollen, müssen schon zwei Jahre existieren und 30 Millionen Euro Marktkapitalisierung aufweisen. Des Weiteren wurden fünf Kriterien angesetzt, von denen jedes Unternehmen drei erfüllen muss: ein Mindestumsatz von zehn Millionen Euro, ein positives Jahresergebnis, ein positives bilanzielles Eigenkapital, eine Mindestmitarbeiterzahl von 20 Personen und mindestens fünf Millionen Euro Eigenkapital. Und: Es gibt verpflichtende Research Reports durch die beiden Analysehäuser Morningstar und Edison Investment Research, die von der Deutschen Börse - und nicht von den Unternehmen selbst - in Auftrag gegeben werden. Dennoch richtet sich das Segment nur an gut informierte Anleger.
von: Anna-Maria Borse 18. September 2018, © Deutsche Börse AG
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