Schattenflotte?

Finnland stoppt russischen Tanker - Sabotageverdacht

27.12.24 11:45 Uhr

Sabotageverdacht: Finnland hält russischen Tanker auf | finanzen.net

Nach Aussage von finnischen Behörden haben Spezialeinheiten der finnischen Küstenwache und Polizei einen mit russischem Öl beladenen Tanker festgesetzt.

Es besteht der Verdacht, dass das Schiff, das zur sogenannten Schattenflotte gehört und Russland beim Umgehen von Sanktionen helfen soll, am ersten Weihnachtsfeiertag Unterseekabel für Strom und Daten gekappt hat. Bewaffnete Eliteeinheiten seien von zwei Militärhubschraubern auf das Deck des Tankers "Eagle S" abgeseilt worden und hätten die Kontrolle über das Schiff übernommen, so die Behörden.

Die "Eagle S" habe die Kabelverbindungen zwischen Finnland und Estland gegen 12 Uhr mittags passiert, als diese ihren Dienst einstellten, teilten die finnischen Behörden mit. Laut der Schiffsverfolgungswebsite Marine Traffic verlangsamte der Tanker seine Fahrt, als er das Stromkabel Estlink 2 erreichte, verweilte dann über dem Kabel und setzte anschließend seine Reise fort.

Kurz nach Mitternacht stürmten finnische Spezialeinheiten das Schiff. Nach Angaben von Behörden leistete die Besatzung keinen Widerstand, als die Einsatzkräfte die Kontrolle übernahmen.

Vier Datenkabel - drei zwischen Finnland und Estland und eines zwischen Finnland und Deutschland - fielen gleichzeitig aus, wie die finnischen Behörden mitteilten. Eines davon, bekannt als C-Lion1, war bereits im vergangenen Monat bei einem ähnlichen Vorfall mit einem chinesischen Frachtschiff durchtrennt worden. Der Kabelbetreiber Cinia erklärte, man habe ein Reparaturteam entsandt, um das Kabel zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen zu reparieren.

Die finnische Regierung und private Telekommunikationsunternehmen versicherten, die Auswirkungen für die Verbraucher seien gering, da man auf Reservekabel zurückgreifen könne, um Daten- und Stromunterbrechungen zu vermeiden. Der Stromnetzbetreiber Fingrid warnte jedoch, die Reparatur der 650-Megawatt-Leitung könne Monate dauern und die Stromversorgung des Landes könnte gefährdet sein, sollten sich die Wetterbedingungen über einen längeren Zeitraum verschlechtern.

Die Regierungen Finnlands und Estlands berieten am Donnerstag in Notfallsitzungen über den Vorfall. Der estnische Außenminister Margus Tsahkna erklärte, die Häufigkeit der Vorfälle bedeute, dass sie als Angriffe und nicht als Unfälle betrachtet werden müssten. "Die Schattenflotte umgeht nicht nur Sanktionen, sondern stellt auch eine Bedrohung für die Sicherheit in der Ostsee dar, und wir können nicht einfach nur zusehen", sagte Tsahkna am Donnerstag.

Im vergangenen Jahr wurden mehrere Datenkabel und eine Pipeline, die Finnland und andere nordeuropäische Länder mit dem europäischen Festland verbinden, bei mutmaßlichen Ankerziehvorfällen durchtrennt. Keines der verdächtigen Schiffe wurde jedoch jemals von den Behörden aufgebracht, wie im Fall der "Eagle S".

Im vergangenen Monat kappte der chinesische Massengutfrachter "Yi Peng 3" zwei Datenkabel, darunter das C-Lion1, das nun am ersten Weihnachtsfeiertag erneut beschädigt wurde, indem er seinen Anker über den Ostseeboden schleifte. Anschließend wurde das Schiff nach Angaben mehrerer mit den Ermittlungen vertrauter Personen einen Monat lang von Schiffen der dänischen und deutschen Marine sowie der Polizei in internationalen Gewässern festgehalten. Nachdem ein multinationales Ermittlerteam unter chinesischer Leitung an Bord gegangen war und die Besatzung befragt hatte, durfte das Schiff seine Fahrt fortsetzen.

Nach internationalem Seerecht werden Schiffe in internationalen Gewässern de facto als Hoheitsgebiet des Landes behandelt, in dem sie registriert sind. China erlaubte der deutschen Polizei lediglich, die Besatzung zu befragen und Beweise zu sammeln. Dänische, schwedische und finnische Ermittler durften zwar an Bord, jedoch nur als Beobachter, so die mit den Ermittlungen vertrauten Personen.

Im Oktober vergangenen Jahres wurde ein weiteres chinesisches Frachtschiff, die "Newnew Polar Bear", beschuldigt, mit seinem Anker ein Datenkabel und eine Gaspipeline in der Ostsee gekappt zu haben. Die Behörden schafften es damals jedoch nicht, das Schiff zu stoppen, das Waren von einem russischen Hafen zum anderen transportierte.

Von Bojan Pancevski

DOW JONES

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