Expertenrunde

Die Tipps der Profis: Das Beste für 2013

aktualisiert 06.01.13 19:26 Uhr

Soll man jetzt Aktien kaufen? Und wenn ja, welche? Was ist von Anleihen zu halten und was muss ich steuerlich beachten? Bei unserer Telefonaktion stellten sich vier Experten den Fragen unserer Leser - und gaben exklusive Empfehlungen.

Anlagestrategie

Der DAX steht wieder nahe an der Marke von 8000 Punkten und ist damit nicht mehr weit entfernt von seinem Allzeithoch. Ist es ratsam, jetzt noch einzusteigen?
Robert Halver: Die Zutaten für eine Fortsetzung der Rally sind gut, der DAX kann im Lauf des nächsten Jahres durchaus 8500 Punkte erreichen. Denn konjunkturell sieht es weltweit gar nicht schlecht aus: Den Chinesen gelingt eine weiche Landung ihrer Wirtschaft, die Amerikaner werden die fiskalische Klippe so oder so umschiffen. In Europa wird die Konjunktur mit dem billigen Geld der Zentralbanken weiter stabilisiert. Da die Geldpolitik offensiv bleibt und die Zinsen niedrig, ist der Anlagenotstand entsprechend groß. Ich kenne viele Vermögensverwalter, die jetzt verstärkt in Substanzaktien investieren müssen.

Gottfried Heller: Ich sehe es ähnlich. Bei all der Liquidität, die im Markt ist, bei den niedrigen Zinsen und dem Anlagenotstand halte ich eine Baisse für kaum vorstellbar. Ich erwarte, dass der DAX das ­Potenzial hat, sein bisheriges Allzeithoch aus dem Jahr 2007 von 8152 Punkten zu knacken. Es ist aber gut denkbar, dass es immer wieder Schwankungen gibt.

Sind Aktien nicht zu spekulativ?
Gerd Häcker: Wer keine Aktien hat, ist auch ein Spekulant. Denn ohne Aktien spekuliert man darauf, dass das Finanzsystem weiter so fortgeführt wird wie bisher. Das ist ein Risiko. Darum ist es schon aus Risikoaspekten richtig, sich Aktien ins Depot zu holen. Früher hat man Aktien als Risikoinvestition gesehen. Das hat sich deutlich geändert.

Nach welchen Kriterien sollte ich Aktien auswählen?
Heller: Bei der Wertpapieranlage ist entscheidend, nicht zu teuer einzukaufen und Titel zu wählen, die günstig bewertet sind. Das hat mit der Höhe des Kurses erst einmal nichts zu tun. Es gibt Aktien, deren Kurs schon stark gestiegen ist, die aber trotzdem immer noch günstig bewertet sind. Die Messlatte sollte das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) sein oder das Kurs-Cashflow-Verhältnis. Eine gute Dividende sollte auch gezahlt werden. Das Zweite ist, dass man breit diversifiziert. Viele Anleger ­legen nicht breit genug an, konzentrieren sich zu sehr auf Deutschland, legen international zu wenig an. Gerade unter diesem Aspekt bieten sich günstige Indexfonds (ETF) an.

Soll ich im DAX eher auf die Gewinner oder auf die Verlierer setzen?
Halver: Ich könnte mir vorstellen, dass die Autowerte, die 2012 teils gut gelaufen sind, 2013 einen Gang zurückschalten werden. Auch wenn es in den USA gut läuft und die Asiaten weiter gern große Autos kaufen — in Europa wird der Wettbewerb noch ruinöser werden. Ich würde eher stärker auf die Verlierer wie die Stahlwerte schauen und generell auf Restrukturierungstitel, bei denen im Moment die Hausaufgaben gemacht werden.

Wann soll ich kaufen? Gleich im Januar oder besser noch abwarten?
Heller: Ich würde davon abraten, immer auf den günstigsten Zeitpunkt zu warten. Da warten Sie meist vergeblich und Sie verpassen so viele Chancen, dass Sie irgendwann das Handtuch werfen.

Halver: Es gab eine Jahresendrally, insofern steigt man auf hohem Niveau ein. Ich persönlich lege regelmäßig an, meistens einmal im Monat. So sinkt das Risiko, dass man den falschen Zeitpunkt erwischt. Wenn die Kurse fallen, hat man die Gewissheit, mehr Sachwerte für sein Geld zu bekommen.

Häcker: Sie sollten Ihr Geld nicht auf ­einmal, sondern Schritt für Schritt in gute Aktien investieren. Zusätzlich rate ich unbedingt, sich auch in anderen Bereichen zu engagieren. Ein kleiner Teil an Edelmetallen wie Gold, Silber und Platin ist emp­fehlenswert, da die Preise stark mit der Ausweitung der Bilanzsumme der Notenbanken korrelieren. Auch einen Anteil an ­guten Staatsanleihen sollten Sie halten, da diese in Stressphasen, wenn Märkte kollabieren, immer wieder einen Teil des Risikos abfangen konnten.

Sind Gold und Minenaktien interessant?
Heller: Mit Gold mehren Sie nicht Ihr Vermögen, Gold bringt weder Zinsen noch Dividende. Ich betrachte Gold wie das Aspirin im Nachtkastl, als kleine Sicherheit. Wer 1982 in Gold angelegt hat, hat erst einmal eine Durststrecke durchgemacht bis 2004, da ist Gold abwärts oder seitwärts gegangen. Erst durch den steilen Anstieg seit 2004 hat Gold wieder an Wert zugelegt. In den vergangenen 30 Jahren hat Gold gerade mal 3,5 Prozent an jährlicher Rendite gebracht.

Häcker: Goldminenbetreiber kämpfen häufig mit zurückgehenden Margen. Darum gibt es derzeit eine hohe Bewertungslücke zwischen dem Goldpreis und den Goldminenaktien. Wenn man sich strategisch und langfristig ausrichtet, sollte man Gold kaufen. Schließlich besteht hier — anders als bei den Minenkonzernen — keine Gefahr, dass die Kosten explodieren, das Geschäftsmodell kaputtgeht oder es politische Probleme gibt wie jetzt in Südafrika. Aus heutiger Sicht sind Goldminen­aktien jedoch durchaus interessant.

Welche Branchen bieten sich 2013 an?
Halver: Ich empfehle Ölwerte, Versorger oder Konsumwerte. Auch kleinere zyklische, also konjunktursensible Werte aus dem MDAX werden weiter gefragt sein, denn sie profitieren vom anhaltenden Wachstum in Schwellenländern.

Heller: Die Autoindustrie ist sehr konjunkturzyklisch. Da ist Vorsicht geboten. Generell würde ich die Technologie­branche untergewichten, die Großbanken ­meiden. Positiv sehe ich den Pharma- oder den zyklischen Chemiebereich. Wenn die Konjunktur im nächsten Jahr wieder etwas anzieht, dürfte es auch den zurückgebliebenen Öl- und Rohstoffwerten wieder etwas besser gehen. Auch die Versicherer, Allianz oder Munich Re, sind meiner Meinung nach durchaus attraktiv.

Versorger sind 2012 gar nicht gelaufen, sehen Sie hier Aufholpotenzial?
Halver: Dieser Sektor dürfte allmählich einen Boden gefunden haben. In den vergangenen Wochen wurde klar, dass die Bundesregierung national wichtige Unternehmen wie Versorger stützen möchte. Das könnte eine Überraschungsbranche für 2013 werden.

Heller: Versorger sind zu empfehlen. Das sind solide Werte und gute Dividendenzahler.

Meine Mutter ist 75 und hat eine sichere Rente. Sie hat nur Fest- und Termingeld, keine Aktien. Sollte sie in ihrem Alter noch in Aktien investieren?
Heller: Ihre Mutter hat immer noch zehn bis 15 Jahre Lebenserwartung. Ich würde zehn Prozent des Anlagebetrags in solide Aktien mit hohen Dividenden investieren oder in einen Mischfonds, da ich befürch- te, dass wir in zwei bis drei Jahren eine höhere Inflation bekommen.

Sollte man jetzt Bankaktien kaufen?
Heller: Von Bankaktien halte ich nicht viel. Den großen Geschäftsbanken werden die Flügel gestutzt durch die verschärften Eigenkapitalvorschriften. Banken werden künftig wesentliche Geschäftsfelder verlieren. Dann gibt es noch Altlasten, wie sie etwa bei der Deutschen Bank hochkommen. Von Großbanken würde ich deshalb die Finger lassen, da ist man vor bösen Überraschungen nicht sicher.

Was halten Sie von US-Aktien?
Halver: Für mich haben die USA das ­Potenzial, zum Überraschungsland 2013 zu werden. Amerika betreibt bereits Re­industrialisierung. Was hier enorm hilft, sind die niedrigen Energiepreise. In den USA wird für Gas nur ein Drittel dessen bezahlt, was in Europa fällig ist. Die USA geben zudem die Politik des starken Dollars auf, was für steigende Exporte spricht. Industriewerte, aber auch Aktien aus dem Hightech- oder Konsumbereich sind interessant. Sie profitieren vom weltwirtschaftlichen Aufschwung und dem weiteren Siegeszug des Markenbewusstseins.

Häcker: Bei der US-Konjunktur gibt es Lichtblicke. Nachdenklich macht mich ­allerdings, dass sich die Margen der Unternehmen auf einem historisch hohen Niveau befinden. Sobald die Margen wieder zum Mittelwert tendieren, hat der Aktienmarkt eigentlich kaum Potenzial. Allerdings sind die Preise für Aktien nicht mehr nur von Gewinnentwicklung und Margen abhängig, sondern auch von der notenbankgetriebenen Entwicklung. Die Bewertungen könnten darum weiter steigen. Interessant in den USA sind Infrastruktur­investments, denn diese werden in den nächsten Jahren ein großes Thema.

Eurokrise

Rechnen Sie damit, dass Deutschland aus dem Euro austritt?
Heller: Der Euro ist eine Fehlkonstruktion, und jetzt versucht man auf Biegen und Brechen, das Ganze zusammenzuhalten. Frau Merkel hat nächstes Jahr eine Wahl vor sich. Jetzt will sie mit allen Mitteln Unruhe verhindern. Die Märkte werden darauf keine Rücksicht nehmen. Außerdem sind wir von unsicheren Kanto­nisten umgeben: Griechenland, Italien, Spanien, Portugal usw. Das wird auch nächstes Jahr für große Schwankungen sorgen. Ich glaube aber nicht, dass Deutschland austreten wird. Ich glaube eher, dass Griechenland austreten wird.

Werden auch Länder wie Frankreich Probleme bekommen?
Heller: Frankreich steht ja überhaupt am schlechtesten da, weil das Land keine Reformen durchgeführt hat. Präsident Hollande hat im Wahlkampf das Blaue vom Himmel herunter versprochen und jetzt kommt er von seiner Rhetorik nicht mehr los. Frankreich möchte groß sein, am liebsten auf Kosten anderer.

Erwartet uns Deflation oder Inflation? Wie kann ich mein Portfolio in beide Richtungen ausrichten?
Häcker: Es ist schwer, sich derzeit fest­zulegen, ob eine Deflation oder Inflation bevorsteht. Es gibt bestimmte Investitionsmöglichkeiten, die letztendlich beides überstehen werden, zum Beispiel Qualitätsaktien. Dazu gehört Nestlé. Diese Firma kann Deflationen, aber auch Inflationen überstehen. Das Unternehmen verkauft kleinpreisige Güter und kann Preisänderungen relativ einfach weitergeben. Autobauer hätten da größere Probleme.

Die Verschuldung Griechenlands ist ­gigantisch. Kommt es zum Crash? Halver: Ab 2014 rechne ich mit einem Schuldenschnitt in Griechenland. Aber machen wir uns nichts vor: Auch Staaten wie Japan, die USA oder Deutschland ­können ihre Schulden nie und nimmer ­zurückzahlen. Das Worst-Case-Szenario wäre ein genereller Schuldenschnitt. Die Konsequenz wäre dann wohl eine Währungsreform. In diesem Fall würden zwar auch Aktien einbrechen — im Gegensatz zu Staatspapieren, die wertlos verfielen, wäre diese Form des Unternehmensvermögens aber noch da und würde beim Wiederanwerfen der Systeme auch erneut steigen. Selbst bei einem Währungsschnitt sieht man mit Sachkapital also gut aus.

Anleihen

Was halten Sie von südeuropäischen ­Anleihen, etwa aus Spanien oder Italien?
Halver: Da die EZB die Rettung der Euro­zone zur Chefsache gemacht hat, sind sie für den internationalen Anleger eine Überlegung wert. Ich hoffe, dass Silvio Berlusconi weiter seinen Ruhestand genießt. Investoren sollten sich aber ebenso Qualitätsaktien aus der südlichen Peripherie anschauen.

Wie ist das Chance-Risiko-Profil ­zwischen Anleihen und Aktien?
Häcker: Das Chance-Risiko-Profil zwischen Anleihen und Aktien hat sich massiv verschlechtert, weil fast im gesamten Anleihebereich die Preise rasant gestiegen sind. Viele Anleger wollen zudem die Staatsanleihen substituieren und kaufen gute Unternehmensanleihen. Meiner Meinung nach sind die Renditen zu niedrig für das Risiko. Von zehn emittierten Anleihen akzeptiere ich noch eine.

Was halten Sie von Mittelstandsanleihen?
Häcker: In dem Bereich hat es in den vergangenen anderthalb Jahren viele Platzierungen gegeben. Ich habe mir einige der Firmen angesehen, mich aber nur für zwei dieser Bonds entscheiden können. In vielen anderen Fällen war es meiner Ansicht nach so, dass sich die Banken von Risiken trennen wollten und versucht haben, den Firmen über den Weg von Anleiheemissio­nen den Zugang zum Kapitalmarkt zu erleichtern. Sie haben also Kredite in Form von Anleihen verpackt, allerdings sind viele dieser Produkte aus meiner Sicht sehr riskant. Einige Firmen sind mittlerweile pleite, und es werden noch andere folgen. Sie dürfen sich nie durch den Kupon blenden lassen. Die Höhe des Kupons entscheidet nie darüber, ob ich eine Anleihe kaufe oder nicht. Denn am Ende übernehmen Sie ein unternehmerisches Risiko. Bei Aktien riskieren Sie auch alles, aber Sie haben eine deutlich höhere Performance-Chance.

Was muss ich bei Unternehmens­anleihen denn grundsätzlich beachten?
Häcker: Sie müssen sich immer genau ansehen, was das Unternehmen macht, und sich nicht nur auf den bekannten Namen verlassen nach dem Motto: „Daimler kann nicht pleitegehen.“ Mit GM-Anleihen haben zum Beispiel viele Menschen Geld verloren. Sobald man unsicher ist, sollte man das Investment sein lassen.

Sollte ich einen Teil meines Geldes in Fremdwährungen investieren?
Häcker: Das ist ein strategisches Thema, und auch das gehört zu einem diversifizierten Portfolio. Es gibt nur wenige Währungen auf der Welt, die Vertrauen genießen, die Norwegische Krone zum Beispiel. Allerdings können auch starke Währungen Gegenwind bekommen. Gerade bei Rohstoffwährungen können Verluste entstehen, wenn diese abwerten, weil an den Rohstoffmärkten die Preise fallen. Das kann Ihnen zum Beispiel beim Australischen Dollar oder der Norwegischen Krone temporär passieren. Dennoch sind das Qualitätsinvestments. Man muss es aushalten können, wenn es Gegenwind gibt, und die langfristige Strategie im Auge haben. Fremdwährungen sind auch ein Baustein, um nicht langfristig von größeren Umwälzungen getroffen zu werden. Und ich bin überzeugt, wenn es eng wird und sich die Krise zuspitzen sollte, werden alle diese Qualitätsinvestments nachfragen. Deshalb ist es wichtig, dort bereits jetzt investiert zu sein.

Heller: Wenn Sie in norwegische, kanadische oder australische Anleihen investieren, dann bekommen Sie selbst bei einer Euroabwertung den Wert ausbezahlt, den diese Anleihe in der jeweiligen Währung hat. Egal in welcher Auslandswährung Sie investiert sind, wenn der Euro ­gegen diese Währung stark verliert, haben Sie ihren Anlagebetrag vor dem Euro­wertverlust geschützt.

Steuern

Verluste aus Aktien können seit Beginn der Abgeltungsteuer nicht mehr mit Gewinnen aus anderen Wertpapieren verrechnet werden. Kann man dagegen klagen oder sind bereits Klagen anhängig?
Birgit Hosemann: Einen Versuch wäre es wert, allerdings sind mir momentan keine Klagen bekannt. Es sieht so aus, als würden etliche Anleger auf Millionen aus Verlusten sitzen bleiben.

Wie lassen sich Altverluste aus der Zeit vor Einführung der Abgeltungsteuer mindern?
Hosemann: Anleger sollten sich sputen, denn wer seine Altverluste nicht bis Ende 2013 mit Gewinnen verrechnet hat, bleibt auf ihnen sitzen. Man sollte nach Produkten suchen, die einen sicheren Zinsanteil im Veräußerungserlös haben. Da die Zinsen allgemein niedrig sind, gibt es hohe Zinsen nur bei Anleihen, deren Kurswert einem hohen Risiko unterliegt. Man kauft eine Anleihe, und im Verkaufsmoment muss der Zinsanteil im Veräußerungserlös sehr hoch sein, und der Kursverlust darf die Zinssteigerung nicht aufgefressen haben. Diesen Gewinn kann man mit Altverlusten verrechnen lassen. Vorsicht: Dieser Gewinn sollte nicht von anderen, jüngeren Verlusten gemindert werden.

Kann ich für Kapitaleinkünfte Werbungs­kosten geltend machen? Und wenn ja, worauf muss ich achten?
Hosemann: Das geht seit der Abgeltungsteuer leider nicht mehr. Dafür wurde der Sparerpauschbetrag eingeführt. Allerdings sind Verfahren anhängig, und man kann unter Verweis auf diese Einspruch ein­legen (Finanzgericht Münster Az. 6 K 607/ 11 F, Finanzgericht Köln Az. 8 K 1937/11 und weitere). Wichtig ist, dass man „echte“ Werbungskosten hat. Diese sollten über dem Sparerpauschbetrag von 801 Euro für Alleinveranlagte und 1602 Euro für gemeinsam veranlagte Paare liegen.

Ist es möglich, die Verluste aus einem Gewerbe mit den Gewinnen aus ­Kapitaleinkünften zu verrechnen und auf diesem Weg Steuern zu sparen?
Hosemann: Das ist seit Einführung der Abgeltungssteuer grundsätzlich nicht mehr möglich. Es gibt aber eine Ausnahme: Wenn man eine Günstigerprüfung (siehe Anlage KAP) beantragt hat und das Finanzamt feststellt, dass man bei Veran­lagung der Kapitaleinkünfte zum persönlichen Steuersatz unter 25 Prozent liegen würde (nachdem man die gewerblichen oder selbstständigen Verluste abgezogen hat), dann kann man die Verluste ver­rechnen.

Wie kann es sein, dass das Finanzamt beim Finanzprodukt Xetra-Gold die ­Abgeltungsteuer abzieht, obwohl das ­Papier bereits im Herbst 2008 — also vor Einführung der Abgeltungsteuer — gekauft wurde? Lohnt es sich, gegen den Steuerbescheid Einspruch einzulegen?
Hosemann: Bei Aktien, Anleihen und Fonds für alle Papiere, die vor Ende 2008 gekauft wurden, gilt der Bestandsschutz. Also wenn man sie länger als ein Jahr gehalten hat und sie mit Gewinn verkauft, fallen keine Steuern an. Bei Zertifikaten, zu denen auch Xetra-Gold zählt, liegt die Sache anders: Wer etwa im zweiten Halbjahr 2008 gekauft und länger als ein Jahr gewartet hat, muss Abgeltungsteuer zahlen, wer binnen Jahresfrist verkauft hat, unterlag der Spekulationssteuer, also seinem persönlichen Steuersatz. Wer vor dem 30. Juni 2008 gekauft und das Papier länger als ein Jahr gehalten hat, bleibt steuerfrei, aber nur dann, wenn er sein Zertifikat bis zum 30. Juni 2009 verkauft hat. Ab dem 1. Juli 2009 unterliegen auch diese Anleger der Abgeltungsteuer. Keine Sorgen brauchen Anleger zu haben, die Zertifikate besitzen, die sie vor dem 14. März 2007 erworben haben: Sie genießen den Bestandsschutz ohne Wenn und Aber. Ein Einspruch wird sich für Anleger, die im Herbst 2008 gekauft und nach dem 1. Juli 2009 verkauft haben, also nicht lohnen.

Seit Jahren wirbt die Deutsche Börse ­damit, dass es mit dem von ihr heraus­gegebenen Xetra-Gold genauso sei wie mit physischem Gold und man das Papier nach einem Jahr abgeltungsteuerfrei verkaufen könne. Warum werden dann Abgeltungsteuer und Soli abgezogen?
Hosemann: An der Frage, ob es sich bei Xetra-Gold um ein abgeltungsteuerpflichtiges Wertpapier oder physisches Gold handelt, das man nach einem Jahr Spekulationsfrist steuerfrei verkaufen kann, scheiden sich die Geister. Ich denke, dass Xetra-Gold ein Wertpapier ist wie viele andere auch und daher der Abgeltungsteuer unterliegt. Es gibt jedoch ein Urteil des Bundesfinanzhofs (Az. IX R 62/10), in dem die Richter am Rande argumentieren, dass Xetra-Gold dadurch, dass der ­Inhaber des Papiers einen tatsächlichen Lieferanspruch auf Gold hat, wie physisches Gold zu behandeln sei. Es kann sich unter Umständen lohnen, mit Verweis auf dieses Urteil Einspruch einzulegen und/oder selbst eine Klage anzustrengen. Übrigens: Bei sogenannten Goldkonten, bei denen man physisches Gold tatsächlich erwirbt, gilt die einjährige Spekulationsfrist.

Was muss man steuerlich beachten, wenn man einen thesaurierenden, also nicht ausschüttenden Auslandsfonds kauft?
Hosemann: Thesaurierende Fonds, die nicht in Deutschland aufgelegt wurden, bereiten Anlegern schon immer einiges an Arbeit. Denn auch wenn man einen solchen Fonds im Depot bei einer deutschen Depotbank hat, kann die Bank erst dann Abgeltungsteuer abführen, wenn man den Fonds verkauft. Das heißt, der Anleger zahlt in diesem Moment Steuern auf alle Erträge, die bis dahin angelaufen sind. Wenn man aber alle bis dato aufgelaufenen Erträge ordnungsgemäß versteuert hat, kann man diese sogenannte Übermaß­besteuerung rückgängig machen. Dazu muss man bereits im Vorfeld in ­jedem Jahr, in dem man den Fonds gehalten hat, den Thesaurierungsbetrag — die Fondsgesellschaften veröffentlichen diese Summen pro Anteil im Internet (www.bundes­ ­anzeiger.de) — in die Anlage KAP eintragen und nachversteuern. Doch Vorsicht: Auch wenn man einen ausschüttenden Auslandsfonds gekauft hat, kann es sein, dass man beim Verkauf eine Überraschung erlebt. Denn ein Fonds kann, wenn es das Management für nötig erachtet, auch Beträge thesaurieren. Für Fonds, die man vor Einführung der Abgeltungsteuer gekauft hat, gilt übrigens der Bestandsschutz, es fallen also keine Steuern auf die Thesaurierungsbeträge an.

Wo muss man die Einkünfte versteuern, wenn man eine vermietete Ferienwohnung im Ausland hat?
Hosemann: Zunächst einmal gilt das Welteinkommensprinzip, das heißt, es müssen alle Einkünfte dort versteuert werden, wo man wohnt. Besteht jedoch zwischen dem Land, in dem man eine Ferienwohnung besitzt, und Deutschland ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), werden zunächst Steuern dort fällig, wo auch das Haus steht. Im Fachjargon heißt das Belegenheitsprinzip. Auf der Internetseite des Bundeszentralamts für Steuern (www.bzst.de) erfahren Sie, ob ein DBA mit dem Land besteht, in dem die Immobilie liegt. Nun gibt es zwei Möglichkeiten, wie besteuert wird. Erstens das Anrechnungsverfahren: Hier wird die deutsche Steuer um die bereits im Ausland gezahlte Steuer verringert. Und zweitens das Freistellungsverfahren: Hier wird keine Steuer fällig. Eingetragen wird das Ganze in die Anlage AUS. Doch Vorsicht: Diese steuerfreie Einkunft erhöht durch den Progressionsvorbehalt den Steuersatz.

Kurzvitas der Experten

Gottfried Heller
Der 77-Jährige hat 1971 in München zusammen mit dem 1999 verstor­benen Börsenaltmeister André Kostolany die Vermögensverwaltung Fiduka gegründet. Früher verwaltete der gelernte Wirtschaftsingenieur Depots privater und institutioneller Anleger sowie Aktien- und Rentenfonds. Heute beschränkt er sich auf seine Rolle als Ratgeber und Autor.

Gerd Häcker
Der Leiter des Asset-Managements der Vermögensverwaltung Huber, Reuss & Kollegen beschäftigt sich bereits seit mehr als 25 Jahren mit Wertpapiergeschäften. Zuvor war Häcker bei einer deutschen Großbank für die Asset Allocation ­verantwortlich. Sein Anlagestil ist konservativ und zeichnet sich durch ein konsequentes Risiko­management aus.

Robert Halver Der Leiter der Kapitalmarktanalyse der Baader Bank arbeitete nach betriebswirtschaftlichem Studium als Analyst und Aktienstratege bei der Privatbank Delbrück & Co in Frankfurt. 2001 wechselte Halver zur Schweizer Privatbank Vontobel und verantwortete die Anlagestrategie in Deutschland. Seit 2008 übt er seine jetzige Funktion aus.

Birgit Hosemann Die gebürtige Münchnerin ist Di­plom­Kauffrau und hat sich im Jahr 2000 nach erfolgreicher Prüfung als Steuerberaterin selbstständig gemacht. Von Anfang an hat sich Hosemann auf die Besteuerung von Kapital­anlagen spezialisiert. Seit 2002 darf sie sich zusätzlich zertifizierte Finanzplanerin nennen.