Wahl-Check: Was die Pläne der Parteien für Ihr Geld bedeuten
Wer die Regierung Deutschlands künftig führt, scheint festzustehen. Welche Richtung das Land nimmt, hängt stark vom Koalitionspartner ab. Was das Ihrem Geldbeutel bringt.
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von A. Zehbe und C. Platt, Euro am Sonntag
Was waren die Märkte nervös, als vor einigen Monaten in Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden neue Parlamente und Regierungschefs gewählt wurden. Die Renditen für europäische Anleihen legten plötzlich zu, weil ängstliche Investoren ihre Portfolios vorauseilend von unsicheren Papieren befreiten. Der Goldpreis, den europäische Wahlen in der Regel kalt lassen, zog an. Und der Euro ließ gegenüber dem Dollar Federn. Die Sorge davor, wohin Europa unter dem steigenden Rechtsdruck in vielen Ländern steuern würde, hatte Investoren weltweit im Griff.
Merkel als Beruhigungspille
Vor der Bundestagswahl herrscht an den Märkten indes schon fast andächtige Stille. Zwar wird auch in Deutschland mit der AfD höchstwahrscheinlich eine rechtspopulistische Partei ins Parlament einziehen. Dass diese jedoch ernsthaften Einfluss auf die Regierungsarbeit haben wird, darf bezweifelt werden. Als Beruhigungspille für Investoren wirkt vor allem eines: die Tatsache, dass CDU-Chefin Angela Merkel wohl weiterhin Kanzlerin bleiben wird - egal in welcher Koalition.
Dass die Märkte die Bundestagswahl aus diesem Grund als nicht weiter relevant einstufen, mag nachvollziehbar sein. Langfristig wird sich die Politik der kommenden vier Jahre aber auf die weitere Entwicklung des Landes und seiner Unternehmen auswirken.
Anleger sind darum gut damit beraten, zu prüfen, wo sie am 24. September ihr Kreuz auf dem Stimmzettel machen. Denn vor allem bei wirtschaftsrelevanten Fragen unterscheiden sich die Pläne der Parteien erheblich.
Wer die insgesamt 722 Seiten der Wahlprogramme von CDU/CSU, SPD, Linken, Grünen, FDP und AfD durchgelesen hat, weiß jedoch, dass bei einem Thema Einigkeit herrscht: Es soll mehr Geld ausgegeben werden - etwa für Bildung und Forschung, Verkehr, Gesundheit oder Digitalisierung. Wenn auch nur ein Teil der Pläne umgesetzt wird, könnte dies Ökonomen zufolge in den kommenden Jahren ein zusätzliches Plus beim Wirtschaftswachstum von bis zu einem Prozent bringen.
Positiv dürften sich zudem die Steuerpläne auswirken. Auch hier sind sich die Parteien weitestgehend einig, dass Steuererhöhungen ausbleiben sollen - zumindest für Normalverdiener. Niedrige Einkommen wollen die meisten Parteien gar entlasten, etwa durch höhere Grundfreibeträge oder eine Änderung bei der Struktur der Steuertarife. Dazu planen Union, SPD und FDP eine, wenn auch zum Teil eingeschränkte Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Die AfD will die Mehrwertsteuer um sieben Prozentpunkte reduzieren.
Bürger sollen entlastet werden
Für den Binnenkonsum dürften all diese Maßnahmen förderlich sein, bliebe den Deutschen bei Umsetzung der Pläne doch mehr Geld im Portemonnaie. Zur Finanzierung dieser Wahlgeschenke sollen Gut- und Spitzenverdiener mit höheren Abgaben belastet werden, zumindest wenn es nach der SPD sowie Linken und Grünen geht. Letztere beide Parteien planen zudem die Wiedereinführung einer Vermögensteuer. Angesichts der aktuellen Umfragewerte und Koalitionsmöglichkeiten ist es jedoch unwahrscheinlich, dass es dazu tatsächlich kommt.
Deutlich wahrscheinlicher ist die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Neben SPD, Grünen und Linken befürwortet selbst die Union mittlerweile eine Abgabe auf Börsengeschäfte. Nach Berechnungen des Deutschen Aktieninstituts würde dies Privatanleger und Unternehmen mit bis zu 7,3 Milliarden Euro im Jahr belasten. Einzig die Liberalen lehnen diese Steuer ab.
Auch bei der Abgeltungsteuer sehen die Parteien Handlungsbedarf. Für die Mehrheit der Anleger dürfte dies teuer werden: Statt der Besteuerung von Kapitalerträgen mit pauschal 25 Prozent soll - wenn es nach SPD, Grünen und Linken geht - die Abgeltungsteuer abgeschafft und der persönliche Einkommensteuertarif für Kapitalerträge herangezogen werden.
Anlegerfreundlicher sind die Pläne der FDP: Die Liberalen wollen die Abgeltungsteuer abschaffen und die steuerliche Vorbelastung der Gewinne auf Unternehmensebene berücksichtigen. Zudem soll der Sparerfreibetrag von heute 801 Euro auf 1.200 Euro erhöht werden und eine Spekulationsfrist von einem Jahr wieder eingeführt werden.
Politik für die Alten
Eines der zentralen Themen im Wahlkampf ist die Rente. Angesichts der Tatsache, dass mehr als jeder dritte Wahlberechtigte älter als 60 Jahre ist und diese Bevölkerungsgruppe mit knapp 80 Prozent auch noch die höchste Wahlbeteiligung aufweist, ist dies wenig überraschend. Entsprechend umgarnt werden die Älteren von den Parteien.
Konsens herrscht weitgehend darüber, dass das aktuelle Rentenniveau nicht abgesenkt wird. Lediglich die AfD würde eine Rentenverschlechterung einführen: Eine abschlagsfreie Altersrente soll erst nach 45 Beitragsjahren möglich sein, was vor allem bei Akademikern zu drastischen Rentenkürzungen führen würde.
Die meisten anderen Parteien versprechen hingegen großzügige Regelungen, etwa die Einführung einer Mindestrente (Linke und Grüne) oder einen früheren Renteneintritt ohne Abzüge (Linke).
Finanzierungsvorschläge fehlen in den meisten Wahlprogrammen allerdings. Lediglich die SPD lässt durchblicken, dass der Beitragssatz irgendwann steigen könnte - dann aber auf maximal 22 Prozent. Das wären 3,3 Prozentpunkte mehr als bislang. Für einen Arbeitnehmer mit einem Bruttoeinkommen in Höhe von 3.000 Euro bedeutet dies eine monatliche Mehrbelastung von 50 Euro. Und viele Experten gehen davon aus, dass eigentlich noch höhere Rentenbeiträge nötig wären, um die bald in den Ruhestand gehende Baby- Boomer-Generation zu versorgen.
Einer Schließung der absehbaren Rentenlücke mit Kapitalmarktprodukten in der staatlich geförderten Altersvorsorge stehen die Parteien auf Nachfrage des Deutschen Aktieninstituts unterschiedlich gegenüber. Während FDP und SPD die Möglichkeiten, in Aktien zu investieren, fördern wollen, lehnt die Linke dies kategorisch ab. Die Grünen wollen einen Bürgerfonds einrichten, AfD und CDU machen dazu keine konkreten Aussagen.
Ob und wie stark sich die einzelnen Parteien mit ihren Plänen durchsetzen können, entscheiden rund 60 Millionen Wahlberechtigte. Angesichts der aktuellen Umfragewerte und der Tatsache, dass alle Parteien eine Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen haben, scheinen rechnerisch nur wenige Koalitionen möglich. Für eine Regierung unter SPD-Führung - Rot-Rot-Grün oder Ampel - dürfte es kaum reichen. Neben der Fortführung der Großen Koalition wäre eine Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grünen denkbar. Auch für Schwarz-Gelb gibt es eine gewisse Restwahrscheinlichkeit, wenn beide Parteien noch etwas zulegen könnten. Allerdings warnen einzelne Ökonomen vor einer Regierungsbeteiligung der Liberalen, weil sie die Stabilität der Finanzmärkte gefährden.
Liberaler Finanzmarktschreck
Hinter dieser auf den ersten Blick kuriosen These steckt die geplante Europa- Politik der FDP. Abgesehen von der AfD verfolgt sie von allen Parteien die härteste Linie etwa gegenüber der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank oder bei den Defizitsündern des europäischen Stabilitätspakts. Sie fordert automatische Sanktionen bei Verstößen gegen die europäischen Finanzregeln, eine Vergemeinschaftung von Schulden lehnt sie ab und Finanzhilfen des Eurorettungsschirms soll es unter noch strengeren Auflagen und nur noch zeitlich begrenzt geben.
Zudem sollen geregelte Verfahren für Staatsinsolvenzen sowie den Austritt einzelner Länder aus der Eurozone entwickelt werden.
"Eine Koalition mit der FDP hätte wohl eine strengere Europa-Politik und damit einen langsameren Integrationsprozess zur Folge", schreiben die Ökonomen der Schweizer Großbank UBS in einer Studie zur Bundestagswahl und merken an, dass die Partei im Vergleich zu den Koalitionsverhandlungen 2009, als sie sich mit dem Außenministerium zufrieden gab, diesmal die Führung des Finanzministeriums fordern könnte.
Das würde vor allem die Anleihemärkte treffen. Bislang war der Ton der Großen Koalition vergleichsweise sanft, was die Verstöße gegen die Stabilitätsregeln anging. Dies hat unter anderem dazu beigetragen, dass die Renditen an den Anleihemärkten in den vergangenen Jahren gesunken sind. Wird der Ton jedoch schärfer, könnten die Risikoaufschläge für Papiere der Euro-Peripheriestaaten wieder anziehen. Vor allem hoch verschuldete Länder wie Italien oder Griechenland könnten dann unter Druck geraten, was im schlimmsten Fall ein Wiederaufflammen der Eurokrise befeuern könnte.
Regierungsarbeit wirkt langfristig
Gemunkelt wird darum, dass Angela Merkel der Fortsetzung einer Großen Koalition gar nicht so abgeneigt wäre, auch wenn sich Parteifreunde aus der Union und selbst die SPD dahingehend anders geäußert haben.
Für die Märkte wäre es vermutlich die Option, bei der die Erleichterung zumindest kurzfristig am größten wäre. Die Nachfrage nach den als sicher geltenden Bundesanleihen würde etwas sinken, deutsche Aktien hingegen würden wohl Kursgewinne verzeichnen. Seit 1998 hat der DAX in den ersten 50 Tagen nach einer Bundestagswahl im Schnitt sechs Prozent zugelegt (siehe Investor-Info unten).
Die Aktienmärkte, vor allem in Europa, haben sich angesichts der guten Konjunkturlage in den vergangenen Monaten bereits gut entwickelt. Die meisten Frühindikatoren sind nach wie vor positiv, und die Wachstumsdaten vieler Länder geben Anlass zur Hoffnung, dass der Aufschwung anhält.
Diese Entwicklung allein auf die aktuelle Politik zurückzuführen, ist falsch. "Wirtschaftspolitische Reformen brauchen lange, um sich zu entfalten", sagt Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Selbst CDU und FDP geständen heute ein, dass die Agenda 2010 gut für die Wirtschaft und insbesondere den Arbeitsmarkt war. "Und dieses Vorhaben wurde unter einer rot-grünen Regierung umgesetzt", so der Volkswirt.
Das zeigt, dass sich Mut zu Reformen und Bereitschaft für Investitionen langfristig auszahlen. Viele Ökonomen kritisieren darum, dass die Parteien dahingehend viel zu wenige Ideen und Pläne haben. Zwar wollen alle Geld in wichtige Bereiche wie Bildung oder Digitalisierung stecken - klare Visionen und Ziele fehlen aber.
Dabei wäre es genau das, was das Land und seine Unternehmen stärken und für den internationalen Wettbewerb fit machen würde. "Politische Börsen haben kurze Beine", besagt eine alte Investorenweisheit - die langfristige Entwicklung ihres Geldes ist für Anleger wesentlich wichtiger.
Ausgewählte Punkte - Die Pläne der Parteien im Vergleich (pdf)
Das Webinar zur Wahl mit Robert Halver und Stefan Riße vom Werthstein Institut verspricht markante und provokante Aussagen wie diese: "Die CDU verfrühstückt die Früchte der Agenda 2010, weil sie auf der schwarzen Null beharrt" (Robert Halver). Dazu beantworten die beiden Finanzexperten Ihre Fragen und stellen sich der Diskussion mit den Teilnehmern.
Am heutigen Donnerstag, 21. September um 12 Uhr. Anmeldung unter www.werthstein.com/wahl
Investor-Info
Politik und Börse
Kurse beruhigen sich
Die Grafik zeigt die Entwicklung des DAX in den ersten 50 Tagen nach der Bundestagswahl. Als Rot-Grün gewann (1998 und 2002), gab der Index in den ersten Tagen nach der Wahl deutlich nach. Bis Tag 50 hatte sich der deutsche Leitindex jedoch in allen Jahren ähnlich entwickelt und zwischen vier und neun Prozent zugelegt.
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Der DWS Aktien Strategie Deutschland hat mehr zu bieten als der DAX. Der Anteil an Small und Mid Caps beträgt regelmäßig rund 40 Prozent. Damit gelingt dem Fonds unter der Leitung von Tim Albrecht ein guter Spagat zwischen Standard- und Nebenwerten. Im Fokus stehen Unternehmen mit einem möglichst hohen Gewinnwachstum. Momentan sind die Sektoren Informationstechnologie und Industrie hoch gewichtet.
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