Euro am Sonntag-Titel

Geldanlage in der Eurokrise: Angriff auf Ihr Erspartes

15.11.12 03:00 Uhr

Niedrige Zinsen und Inflation vernichten das Vermögen vieler Sparer. Warum das so bleiben wird, welche Alternativen Sie beim Schutz Ihres Geldes haben. "Sparen ist freiwillige Enteignung" — diese bittere Erkenntnis sprach Peter Bosek vor einigen Tagen zum Weltspartag aus.

von Peter Gewalt und Markus Hinterberger, Euro am Sonntag

Ungewohnt offen thematisierte der Vorstand für Privatkunden der Ersten Bank in Österreich die Lage an der Zinsfront: Wer klassisch spart, dessen Vermögen verliert an Kaufkraft.

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So viel Offenheit würde auch deutschen Sparkassen- und Bankenbossen gut zu Gesicht stehen. Schließlich ist die Situation in Deutschland für Anleger genauso mies wie im Nachbarland. Seit die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Leitzins auf ein Rekordniveau gesenkt hat und gleichzeitig die Teuerung am Ersparten nagt, wird das bei Finanzinstituten geparkte Vermögen Stück für Stück aufgezehrt — und nicht, wie eigentlich erwünscht, vermehrt.

Auf Sparbüchern bunkern die Deutschen rund 550 Milliarden Euro. Hier sorgt die Differenz zwischen durchschnittlichem Zins (0,5 Prozent) und aktueller Teuerung (zwei Prozent) für Kaufkraftverluste von über acht Milliarden Euro im Jahr. Bei einem Geldvermögen von 4,7 Billionen, wovon drei Billionen in verzinslichen Anlagen stecken, summiert sich das Minus für deutsche Sparer und Anleihebesitzer auf 40 Milliarden Euro — allein für 2012.

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Doch damit nicht genug: Neben der freiwilligen droht nun auch die unfreiwillige Enteignung. Längst kämpfen die angeschlagenen Staaten der Eurozone für eine Bank­en­union, in der deutsche Einlagensicherungsgelder auch für Kreditinstitute anderer Staaten herangezogen werden dürfen. Bei Pleiten südeuropäischer Banken müssten dann auch deutsche Sparer für die dort entstehenden Verluste geradestehen. Die möglichen milliardenschweren Zusatzbelastungen müssten die Banken über höhere Gebühren dann bei ihren Kunden einsammeln.

Während die Pläne zur Einlagensicherung noch Zukunftsmusik sind, ist der Vermögensverlust bei Mickerzinsen bereits Wirklichkeit. Die Situation spielt den hoch verschuldeten Staaten in die Hände. Mithilfe der Notenbanken halten die Regierungen ihre Finanzierungskosten künstlich niedrig — zulasten von Anlegern und Sparern. „Die Anleger müssen verstehen, dass sie in einer Phase der finanziellen Repression leben“, sagt Andreas Utermann, Anlagechef bei Allianz Global Investors.

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Es wird noch weniger
Und ein Ende des Schröpfens ist nicht abzusehen. Schon in den kommenden Monaten wird die EZB den Leitzins wohl von 0,75 auf 0,5 Prozentpunkte senken. Dies wird die ohnehin mickrige Verzinsung der Spar- und Tagesgeldkonten weiter drücken. „Es gibt noch Luft nach unten“, sagt Max Herbst, Inhaber der FMH-Finanz­beratung. Er beobachtet seit 20 Jahren die Entwicklung von Sparzinsen. In den vergangenen drei Jahren lag der durchschnitt­liche Tagesgeldzins meist nur knapp über dem Leitzins. Derzeit beträgt der Abstand aber 0,4 Prozentpunk- te. „Cash ist damit keineswegs eine risikolose, sicher aber eine rendite­arme Geld­anlage“, erklärt Dirk Klee, Deutschland-Chef des Vermögensverwalters BlackRock.

Angesichts der schwachen wirtschaftlichen Entwicklung und der angehäuften Schuldenberge könnte die Phase der finanziellen Repression Experten zufolge bis zu 20 Jahre dauern. Dass davon nicht nur Normalsparer betroffen sind, zeigen die wachsenden Probleme der Lebensversicherer, die ebenfalls mit niedrigen Zinsen auf dem Kapitalmarkt zu kämpfen haben.

Für Politiker hat der Schuldenabbau via Sparer einen großen Vorteil: Die Finanzsituation des Staats verbessert sich, ohne dass sie direkte Steuern anheben müssen. Letzteres wird in der Regel vom Wähler bestraft. Dass diese Strategie der indirekten Steuererhöhung auf Sparguthaben funktioniert, zeigen die USA, die nach dem Zweiten Weltkrieg ihre sehr hohen Verbindlichkeiten in zwei Jahrzehnten mit Niedrigzinsen und Inflation abgebaut haben.

Auch hierzulande wird eine erhöhte Teuerung angestrebt. Im Frühjahr hat selbst die früher als Hort der Geldstabilität gerühmte Bundesbank eingeräumt, dass Deutschland in den kommenden Jahren Teuerungsraten erleben wird, die über dem Durchschnitt im Euroraum liegen. Und in der Währungsunion gelten zwei Prozent Teuerungsplus als Richtwert. Selbst Wolfgang Schäuble sagt, wohin die Reise geht. Der deutsche Finanzminister hält drei Prozent Inflation in Deutschland für durchaus akzeptabel. Und sollte es doch ein wenig mehr werden, dann wird es richtig teuer. Klaffen Zinsen und Teuerung um drei Prozent auseinander, sinkt die Kaufkraft von 100.000 Euro in 25 Jahren auf 47 761 Euro. Altersvorsorge sieht anders aus.

Die Alternativen
Trotz der widrigen Umstände fallen die sparwütigen Deutschen aber nur langsam vom Glauben ab. So steckten sie im Jahr 2011 knapp 68 Milliarden Euro in Girokonten, Spareinlagen und Sparbriefe. In Aktien wurden hingegen nur 17 Milliarden Euro investiert.

Keine gute Strategie, meint BlackRock-Manager Klee. „Portfolios für den langfristigen Vermögensaufbau sollten über verschiedene Anlageklassen und Märkte gestreut sein, das verringert das Verlustrisiko“, sagt er. Neben Direktinvestments in Aktien, Anleihen und Immobilien bieten sich hier auch Fondslösungen an. Sparer müssen aber wissen: Selbst wer mit Fonds nur etwas mehr als die Inflation ausgleichen will, muss zwischenzeitliche Verluste verkraften können. Wer aber weiter auf Zinsen setzen will, muss die aktuellen Angebote genau prüfen. Denn wenige Angebote kommen über die aktuelle Inflationsrate von zwei Prozent und bieten so realen Werterhalt.

Die Moneyou aus den Niederlanden schlägt die Teuerungsrate mit 2,1 Prozent aufs Tagesgeld. Unter den Angeboten mit erweiterter deutscher Einlagensicherung liegt die AKBank, ein Institut mit türkischen Wurzeln, mit 2,05 Prozent ganz vorn. Abzüglich 26,375 Prozent Abgeltungsteuer und Solidaritätszuschlag steht schnell ein kleines Minus unterm Strich.

Wer mit Festgeld der Inflation trotzen will, muss sich mindestens ein Jahr binden. Mehr gibt es nur, wenn Sparer sich auf zwei Jahre oder länger binden. Doch auch hier darf nichts schiefgehen, und die Inflationsrate muss gleich bleiben oder besser noch sinken, damit sich das Geschäft lohnt.

Echte Alternativen gibt es kaum. Die VTB-Direktbank bietet bei ihrem Duo-Konto drei Prozent Zinsen. Der Clou: 80 Prozent des Geldes liegen fest, 20 Prozent des Geldes sind jederzeit frei verfügbar. Für Max Herbst eine gute Kombination für alle, die sich einen hohen Zins sichern und flüssig bleiben wollen. Doch zwei Wermutstropfen sind zu schlucken: Zum einen erhalten die drei Prozent nur Kunden, die drei Jahre am Ball bleiben, und andererseits greift im Ernstfall nur die österreichische Einlagensicherung. Gleiches gilt für das Kombigeld der NIBC direct. Hier greift, wenn es brenzlig wird, nur die niederländische Einlagensicherung, die maximal 100.000 Euro pro Sparer ersetzt. Dafür gibt es ab zwei Jahren Anlagehorizont 2,4 Prozent, und die Hälfte des angelegten Geldes kann jederzeit abgehoben werden.

Die Versicherung Cosmos Direkt bietet den Flexiblen Vorsorgeplan. Bei diesem Zwitter zwischen Sparbuch und Rentenversicherung erhält man zum Start 1,75 Prozent Zinsen, im zweiten Jahr 2,25 Prozent und ab dem dritten Jahr 3,8 Prozent. Das Geld bleibt jederzeit verfügbar.

Schreckgespenst Bankenunion
Neben der Entwertung droht deutschen Sparern auch von politischer Seite Ungemach. Unter dem Namen Bankenunion sollen die Institute Europas eine einheitliche Aufsicht bekommen. Das klingt wichtig und ist sinnvoll, um Schieflagen wie die einiger spanischer Sparkassen rechtzeitig zu entgegnen. Doch die EU-Kommission denkt noch weiter. Neben der Aufsicht und einer Möglichkeit, Pleitebanken nach einem einheitlichen Schema abzuwickeln, soll es auch eine einheitliche Einlagensicherung geben. Dagegen laufen vor allem deutsche Volksbanken und Sparkassen Sturm. Grund: Durch eine gemeinsame Einlagensicherung aller europäischen Banken müssen auch deutsche Banken und somit auch deutsche Sparer für die Versäumnisse und Schieflagen spanischer Institute zahlen. Bislang erfolgt dieser Ausgleich nur national.

Hierzulande sind Bankeinlagen, also Girokonten, Tagesgeld- und Festgeldkonten sowie Sparbücher von Privatbanken, durch die Entschädigungseinrichtung deutscher Banken (EdB) geschützt. Hinter diesem Namen verbirgt sich nichts anderes als ein Notfallfonds, in den alle deutsche Privatbanken einzahlen und der angezapft wird, wenn eine der Einzahlerbanken pleitegeht. Die deutschen Genossenschaftsbanken und Sparkassen sichern sich gegenseitig ab und konnten Pleiten einzelner Sparkassen oder Genossenschaftsbanken vermeiden. In einigen Ländern wie etwa Italien zahlt die Finanzwirtschaft erst dann, wenn eine Bank pleite ist und die Kunden gemäß der EU-weit geltenden gesetzlichen Obergrenze der Einlagensicherung von 100.000 Euro entschädigt werden müssen.

Nun wird befürchtet, dass die gemeinsame europäische Einlagensicherung nichts anderes als ein Griff der Südländer nach dem deutschen Rettungstopf ist. Diplomatischer ausgedrückt klingt das so: „Ein gemeinsamer Haftungsverbund für die Einlagensicherung steht nicht zur Debatte“, sagt Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbands. Zunächst müsse eine Einigung auf die europäische Einlagensicherungsrichtlinie herbeigeführt werden. Die sieht vor, die nationalen Systeme zu erhalten.

Mario Draghi hat die deutschen Bedenken fürs Erste zerstreut: Er könne sich eine Bankenunion auch ohne gemeinsame Einlagensicherung vorstellen. Doch der EZB-Präsident entscheidet das nicht allein. 2013 will die EU-Kommission das Thema wieder auf die Tagesordnung setzen. Ob dann der Kampf gegen deutsche Sparbücher in die nächste Runde geht, könnte schon bis zum kommenden Weltspartag entschieden sein.

Investor-Info

Fonds
Attraktive Alternativen
Wer sein Kapital abzüglich Inflation vermehren will, muss sich vom Sparbuch ab- und anderen Investments zuwenden. Dass dies nicht gleich mit hohen Risiken einhergeht, zeigen von €uro am Sonntag ausgewählte Produkte. So investiert der Dachfonds Ariqon Konservativ T je nach Marktlage in verschiedene Staats- und Unternehmensanleiheportfolios. In den vergangenen fünf Jahren kam der Fonds auf ein Plus von über 28 Prozent, bei einem Maximalverlust von 1,9 Prozent im ­Einjahreszeitraum. Dass Anleger auch mit ­Aktien ruhig schlafen können, zeigt der BSF European Absolute Return. Fondsmanager Vincent Devlin erzielt Gewinne unabhängig von der Marktlage und darf die Cashquote flexibel ­erhöhen. Offensiver geht der Global Absolute Return Strategies zu Werk, der in Aktien, Anleihen, Rohstoffe, Währungen und Zinsentwicklungen investiert.

Ariqon Konservativ T: ISIN AT 000 061 583 6
BSF European Absolute Return Bond: ISIN LU 041 170 441 3
Global Absolute Return Strategies: ISIN LU 054 815 310 4

Festgeld
Geduld lohnt sich kaum
In Sachen Festgeld sind Banken mit deutscher Einlagensicherung recht knausrig, sodass lediglich die IKB direkt und die Creditplus Bank in unserer Bestenliste vertreten sind. Wer etwa sein Geld bei einer Bank mit erweiterter Einlagensicherung für ein halbes Jahr anlegen will bekommt bei GE Capital direkt lediglich 1,85 Prozent. Bei dreijährigem Festgeld kommt die IKB direkt mit 2,7 Prozent am nächsten an die Wettbewerber aus dem Ausland heran. Langfristig gibt es kaum mehr. Festgeld auf fünf oder zehn Jahre bringt zwischen 3,3 und 3,8 Prozent. Zudem laufen Anleger hier Gefahr, nicht dabei zu sein, wenn die Zinsen trotz Notenbankpolitik doch wieder steigen sollten.

Tagesgeld
Nur wenige schlagen die Teuerungsrate
Mindestens zwei Prozent Zinsen sollte ein ­Tagesgeldkonto abwerfen, um das angelegte Geld zumindest nominal zu erhalten. Das leisten nur neun Angebote. Vier davon haben eine erhöhte deutsche Einlagensicherung. Bei den übrigen fünf handelt es sich um Auslandsbanken. Hier sind im Pleitefall nur 100 000 Euro abgesichert. Einige Banken wie Cortal Consors bieten spezielle Offerten. Die Onlinebank zahlt vier Prozent aufs Tagesgeld. Allerdings gilt dies nur für Kunden, die auch mit ihrem Depot zur Direktbank umziehen.

Einlagensicherung
Das gilt für Ihr Geld
Alle in Deutschland eigenständig tätigen Privatbanken und Bausparkassen müssen der gesetzlichen Entschädigungseinrichtung deutscher Banken (EdB) angehören. Eine Liste der teilnehmenden Institute gibt es im Internet unter www.edb-banken.de.

Die EdB sichert 100.000 Euro pro Anleger und Bank ab, wie es die EU seit Jahresbeginn 2011 fordert. Diese Obergrenze gilt in allen EU-Mitgliedsstaaten, also bekommen etwa deutsche Kunden einer niederländischen Bank im Pleitefall auch maximal 100.000 Euro von der dortigen Einlagensicherung ersetzt.

Zurück nach Deutschland: Friert die Bafin im Ernstfall alle Konten einer Bank ein, haben betroffene Kunden einen Rechtsanspruch auf Entschädigung. Spätestens 20 Arbeitstage nachdem die Ansprüche angemeldet sind, muss Geld fließen. Dazu gehören auch die Zinsen, die bis zur Pleite angelaufen sind. Ausnahmen gibt es bei Fremdwährungskonten. Sie werden nur berücksichtigt, wenn die Einlagen auf die Währung eines EU-Mitglieds lauten.

Die meisten privaten Banken haben sich zusätzlich dem Einlagensicherungsfonds des Bundesverbands deutscher Banken (BdB) angeschlossen. Er übernimmt die Einlagenteile, die über die 100.000-Euro-Grenze hinausreichen, bis zur je­weiligen Sicherungsgrenze. Diese ist von Institut zu Institut verschieden und entspricht 30 Prozent des haftenden Eigenkapitals der jeweiligen Bank, mindestens aber 1,5 Millionen Euro. In den Jahren 2015 bis 2025 soll die Quote, nach der sich die Ein­lagensicherung berechnet, schrittweise auf 8,75 Prozent sinken. 2025 wird die Mindestsicherungsgrenze des BdB-Fonds 437.500 Euro betragen. Die Mitgliederliste steht im Internet unter www.bdb.de.

Anders als bei der EdB gibt es beim Fonds des Bankenverbands keine Frist, binnen derer Betroffene ihr Geld zurückbekommen müssen. Bislang hatten die Kunden stets innerhalb von zwei Monaten ihr Geld zurück. Der Fonds schützt auch Einlagen in allen Fremdwährungen. Ein Rechtsanspruch auf Entschädigung durch den Fonds besteht aber nicht.

Banken stützen sich gegenseitig
Einen anderen Weg haben die Sparkassen sowie die Raiffeisen- und ­Genossenschaftsbanken gewählt. Sie sind nicht Mitglieder im EdB, ­sondern setzen auf die Institutssicherung. Will heißen, die jeweilige Gemeinschaft (Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken oder Deutscher Sparkassen- und Giroverband) unterstützt Institute, sobald diese schwächeln. So wollen die Verbände Insolvenzen vermeiden, Probleme wie gesperrte Konten treten erst gar nicht auf. Mehr Informationen gibt es unter www.dsgv.de und www.bvr.de.

Versicherungsgesellschaften garantieren das Geld ihrer Kunden nach einem ähnlichen Prinzip. Hier gibt es die Auffanggesellschaft Protektor. Sie übernimmt die Geschäfte von Versicherern, die allein nicht mehr weiterwirtschaften können. Das Geld dafür stellen die übrigen Versicherer zur Verfügung. Mehr dazu unter www.protektor-ag.de. Das ist die Theorie. Geht eine Großbank mit Millionen Kunden pleite, werden die Sicherungsverbünde wohl an ihre Grenzen stoßen. Dann wäre der Bund gefordert. Ob es je so weit kommen wird, ist fraglich. Vorher würde der Staat, wie bei der Commerzbank und Hypo Real Estate, Anteile der Bank kaufen, um sie zu stützen — darauf müssen Sparer vertrauen, und so ähnlich würde es wohl auch laufen, wenn einst alle Banken Europas in einer Bankenunion zusammengefasst sind.