Euro am Sonntag-Standpunkt

Mit 5G schneller zurück zur Normalität: Wozu Infrastruktur-Experte Schickel rät

25.07.20 23:21 Uhr

Mit 5G schneller zurück zur Normalität: Wozu Infrastruktur-Experte Schickel rät | finanzen.net
Dietmar Schickel

Die Einführung des Mobilfunk-Standards 5G wird in Deutschland auch durch fehlende Infrastruktur gebremst. Gastautor Dietmar Schickel stellt ein Geschäftsmodell vor, das in anderen Ländern wie den USA erfolgreich funktioniert.

von Dietmar Schickel, Gastautor von Euro am Sonntag

Das Wichtigste für Deutschland ist die Rückkehr zur Normalität. Unerlässlich ist es da, mögliche Gefahren schnell zu erkennen. Zum Beispiel: Infektionsketten frühzeitig zu unterbrechen, um eine zweite große Infektionswelle im Ansatz zu vermeiden. Dazu sollen Apps beitragen, die dem Nutzer mögliche Gefahren im Alltag sofort melden.

Doch ohne schnelle Ertüchtigung der Netze wird jede COVID-19-App nur zum Teil genaue Informationen liefern können. Je dichter das Netz - vor allem in den Ballungsräumen - desto präziser die Aussagekraft der getrackten Informationen. Will heißen: Jeder neue Mast auf einem Dach ist ein praktischer Schritt hin zur Normalität. Investitionen darin können schnell und effektiv geleistet werden. Private Investoren stehen bereit.

Wenn es genügend Standorte für neue Mobilfunkanlagen gäbe und sich die Genehmigungen nicht so lange hinzögen - im Schnitt dauern sie bis zu zwei Jahre -, würde das Digitalisierungstempo deutschlandweit auch wirklich zunehmen. Ein weiteres Problem sind die zum Teil irrationalen Ängste in der Bevölkerung. Immer noch werden trotz gegenteiliger Studienergebnisse Gesundheitsbeeinträchtigungen durch Strahlung der Funkmasten behauptet. Jeder will schnelle Netze, aber viele gehen auf die Barrikaden, wenn ein neuer Sendemast errichtet wird.

Ohne Kooperationen braucht es viel mehr Mobilfunkmasten

Als Berater für die Entwicklung und Umsetzung bedarfsgerechter Digitalisierung helfen meine Kollegen und ich unter anderem Wohnungsunternehmen bei der fairen Vermarktung ihrer Dach- und Gebäudeflächen sowie Mobilfunkanbietern bei der Bereitstellung von Glasfasernetzen und der Errichtung von Basic-Towern für eine schnellere Umsetzung von 5G-Angeboten.

Während es in den USA üblich ist, dass Mobilfunkkonzerne Sendeplätze auf den Türmen spezieller Betreiberfirmen mieten, besitzen hiesige Anbieter viele Masten selbst - oder sind zumindest noch an ihnen beteiligt. Nur ein Sechstel aller Mobilfunktürme in Europa gehört neutralen Eigentümern, hat die Beratungsfirma EY (Ernst & Young) ausgerechnet.

Dabei sind unabhängige Betreiber ziemlich effektiv: Im Schnitt nutzen 2,4 Netzbetreiber, also unterschiedliche Mobilfunkbetreiber, diese Masten, berichtet EY. Auf eigenen Türmen der Telekomkonzerne sitzen hingegen im Mittel nur 1,3 Anbieter - meist also der Netzbetreiber für sich allein. Ohne Kooperationen braucht ein Land also viel mehr Masten für eine gute Mobilfunkversorgung.

Doch aktuell ist Bewegung im Markt der Funk-Tower: Viele Telekommunikationskonzerne arbeiten daran, ihre Masten zumindest teilweise zu verkaufen oder wenigstens mehr Türme gemeinsam zu nutzen. Der Grund: Der notwendige Ausbau der Infrastruktur für die Umsetzung der 5G-Technologie.

Die Politik fordert von den Mobilfunkanbietern in den kommenden Jahren Milliarden an zusätzlichen Investitionen, um den neuen Mobilfunkstandard 5G endlich verfügbar zu machen. Auch die bislang schnellste Technik LTE ist hierzulande längst nicht überall angekommen. Die Mobilfunkbetreiber sind in einer Zwickmühle: Einerseits sollen sie schnell Funklöcher stopfen und anderseits gleichzeitig eine technisch völlig neue Infrastruktur für 5G aufbauen. Dabei stoßen die meisten an einen Mangel, und der ist nicht finanzieller Art. Wir beobachten derzeit im Kapitalmarkt eine starke Nachfrage nach passiver Mobilfunk-Infrastruktur.

Lösungsansatz: In den Vereinigten Staaten ist es üblich, dass Netzbetreiber neutralen Anbietern Aufträge für den Masten-Neubau geben und dann bei den Tower-Gesellschaften auch dort mieten. In Deutschland beauftragen die Netzbetreiber bislang lieber ihre eigenen Tower-Gesellschaften statt andere Marktteilnehmer. Die Folge: Scharfer Wettbewerb um die ohnehin zu knappen Flächen. Hinzu kommt: Weil die Mobilfunknetze in Deutschland unabhängig voneinander gewachsen sind, passt nicht jeder Standort eines Betreibers auch in die Netze der anderen.

Marktbeobachter wissen, dass in den kommenden Jahren Tausende (aber eben nicht Hunderttausende, wie derzeit Verschwörungstheorien im Internet behaupten) zusätzlicher Mobilfunkstandorte in Deutschland benötigt werden, um die wachsende Nachfrage zu erfüllen, gerade auch wegen der neuen 5G-Technik. Ohne auf die Investitionsbereitschaft neutraler Anbieter zurückzugreifen, wird es schnell zu neuen Engpässen kommen.

Zur Unterstützung haben wir zwischenzeitlich Kapital eingesammelt, um mit einem eigenen Unternehmen im 5G-Bereich aktiv werden zu können. Mit Glaas5, einer Gesellschaft für Glasfasernetze und 5G, sollen zumindest Wohnungsunternehmen und Mobilfunkanbieter in einen schnelleren Dialog eintreten können, um die weiteren Entwicklungen in Sachen 5G-Ausbau zu beschleunigen.

Bundeseigene Netze an Straßen sowie die Bahn für 5G nutzen

Türme gemeinsam zu nutzen ist auch deshalb sinnvoll, weil es in der Regel mehrere Monate dauert, bis man Verträge mit Grundstückseigentümern und Netzbetreibern abschließen kann und Baugenehmigungen erhält.

Schon heute funktioniert das Investment neutraler Anbieter. In dünn besiedelten oder technisch schwierigen Regionen, in denen sich der Ausbau für ein Unternehmen allein kaum rentiert, funktioniert es nur über Kooperationen mit neutralen Anbietern.

Entlang von Straßen, Schienen und Flüssen sowie in parallelen Strukturen wie den bundeseigenen Netzen an Autobahnen und den technischen Einrichtungen der Bahn wird daher künftig entschieden, wie schnell Deutschland beim Ausbau seiner digitalen Infrastruktur weiterkommt.

Ein möglicher Treiber für die schnellere Digitalisierung der deutschen Netzinfrastruktur ist die aktuelle Covid-19-Pandemie. Mit Aufklärung durch die Ergebnisse wissenschaftlicher Studien würden die diffusen Ängste vieler Bürger gegen neue Funkantennen reduziert. Unterhalb der gültigen Grenzwerte besteht keinerlei Gesundheitsgefahr - das haben Tausende Studien weltweit bewiesen. Wenn Technologie zudem noch helfen kann, die Folgen der Pandemie schneller abzumildern, werden diese Ängste nochmals abnehmen.


DSC Dietmar Schickel Consulting

Dietmar Schickel baute im Auftrag der Bertelsmann AG in Berlin eine der ersten regionalen Kabel-Servicegesellschaften in Deutschland auf. 1990 übernahm er für die Tele Columbus Holding die Geschäftsführung Marketing und Vertrieb der gesamten Gruppe. Nach seinem Ausscheiden nach 27 Jahren gründete er 2014 das Beratungsunternehmen DSC Dietmar Schickel Consulting.

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