Wirtschaftsnobelpreis: Nudge ist Quatsch!
Der diesjährige Preisträger, Richard Thaler, erklärt Ökonomie verhaltenstheoretisch - und glaubt, man müsse Menschen lenken.
von Frank-B. Werner, Herausgeber €uro am Sonntag
Immer wenn die Königliche Akademie der Wissenschaften in Stockholm einen Nobelpreisträger kürt, gibt sie eine Presseerklärung heraus. Dort verweist sie auf ihre Webseite, wo man sich zum Preisträger und seiner Arbeit schlau machen kann. In der Regel ist das dringend nötig, denn nur die wenigsten Preisträger sind der Öffentlichkeit bekannt. Als besonderen Service findet man dort dann jeweils ein Dokument für "Fortgeschrittene" und eines für den Normalbürger - "popular information".
Beim diesjährigen Träger des Wirtschaftsnobelpreises, dem 72-jährigen, an der Universität von Chicago lehrenden Amerikaner Richard Thaler, wäre das ausnahmsweise nicht nötig gewesen. Denn zumindest eifrigen Kinogängern ist der Präsident der American Economic Association kein Unbekannter. In dem 2015 auf den Leinwänden in aller Welt erfolgreichen Film "The Big Short" spielte sich Thaler in einer kurzen Szene selbst und erklärte - zusammen mit Selena Gomez am Spieltisch eines Casinos sitzend -, wie das Geschäft mit den sogenannten "Collateralized Debt Obligations" funktionierte. Diese Zusammenfassung und Verbriefung risikoreicher Hausfinanzierungen hatte die Finanzkrise mit ausgelöst und schlussendlich zum Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 geführt. Der Film feiert die härtesten Jungs der Wall Street, die rechtzeitig gegen den Mainstream gewettet hatten.
Taxifahrer-Paradoxon
Thaler gewann die Auszeichnung für seine Beiträge zur Integration von Psychologie und Ökonomie. Die "popular information" nennt ein Beispiel: So fand Thaler heraus, dass viele Taxifahrer ihre tägliche Fahrzeit am Erreichen eines Umsatzziels ausrichten. Sie machen Schluss, wenn das Ziel erreicht ist, und kümmern sich dann um ihre Hobbys oder die Familie. Dieses Verhalten scheint vernünftig, führt jedoch dazu, dass die Taxifahrer an Tagen mit hoher Nachfrage früher aufhören (und das Angebot weiter verknappen) und an Tagen mit niedriger Nachfrage länger fahren. Folgten die Chauffeure einer anderen Regel (beispielsweise so lange fahren, bis der Stundenverdienst eine bestimmte Marke unterschreitet), könnten sie aufs Jahr gesehen mehr verdienen, müssten weniger arbeiten und in den Städten wären mehr Taxis unterwegs, wenn sie gebraucht werden.
Thaler ist nicht unumstritten. In seinem wirkmächtigsten, zusammen mit Cass Sunstein verfassten Buch "Nudge" predigt er einen "sanften Paternalismus" - Menschen mit "mehr Wissen" sollten Menschen mit "weniger Wissen" zu "klugen" Verhaltensweisen anschubsen (nudge). Auch im Kanzleramt gibt es eine solche Abteilung. Wahren Liberalen sträuben sich die Haare, dass die theoretische Fundierung der Bevormundung nun mit einem Nobelpreis ausgezeichnet wird.
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Bildquellen: Anne Ryan/University of Chicago