Euro am Sonntag-Spezial

USA: Wen die Wall Street wählt

06.11.18 08:06 Uhr

USA: Wen die Wall Street wählt | finanzen.net

Die Amerikaner entscheiden am Dienstag über neue Abgeordnete und Senatoren. Wie das Rennen voraussichtlich ausgehen wird, welche Folgen für Anleger zu erwarten sind.

Werte in diesem Artikel

von Christoph Platt, Euro am Sonntag

Versprechen gegeben, Versprechen gehalten - dieser Slogan begleitet Donald Trump auf allen Wahlkampfveranstaltungen. Auch bei seinem Auftritt auf dem Flugfeld der Kleinstadt Murphysboro im Bundesstaat Illinois prangt "Promises made, promises kept" über den Köpfen seiner Anhänger, die den US-Präsidenten frenetisch feiern.



Nach Illinois ist Trump gekommen, um den republikanischen Kongressabgeordneten Mike Bost zu unterstützen. Der liefert sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem Demokraten Brendan Kelly um den Einzug ins US-Repräsentantenhaus. Dessen 435 Sitze werden am 6. November neu vergeben, ebenso 33 der 100 Senatssitze. Midterm Elections nennen die Amerikaner diese Wahlen, die zur Halbzeit einer Präsidentschaft stattfinden.

Repräsentantenhaus und Senat sind die beiden Kammern des Kongresses, des Gesetzgebungsorgans der Vereinigten Staaten. Das Repräsentantenhaus wird alle zwei Jahre vollständig neu gewählt, beim Senat wird alle zwei Jahre nur über ein Drittel der Sitze abgestimmt, da die Amtszeit eines Senators sechs Jahre beträgt.


Die Wall Street blickt gebannt auf die Wahl. Der Ausgang des Votums kann Auswirkungen auf Trumps Politik haben und bewegt damit Unternehmen wie Finanzmärkte gleichermaßen.

Zurzeit kann der US-Präsident mit vielen seiner Vorhaben durchregieren, da beide Kammern des Kongresses mehrheitlich mit Republikanern besetzt sind. Dass dies so bleibt, ist unwahrscheinlich. Umfragen sagen Zugewinne für die Demokraten voraus. Vermutlich werden sie das Repräsentantenhaus erobern, der Senat dürfte dagegen in den Händen der Republikaner bleiben.


Die Mehrheitsverhältnisse sind aktuell zwar im Senat wesentlich knapper (51 Sitze für Republikaner, 47 für Demokraten, zwei unabhängige Senatoren) als im Repräsentantenhaus. Von den 33 neu zu vergebenden Sitzen im Senat sind jedoch 24 momentan von Demokraten besetzt. Diese müssten also nicht nur ihre Sitze behalten, sondern den Republikanern auch noch zusätzliche Posten abluchsen. Das gilt nach den jüngsten Umfragen als unwahrscheinlich.

Im Repräsentantenhaus haben die Republikaner zwar derzeit eine komfortable Mehrheit von 55 Prozent, doch hier wird ein Wechsel erwartet. Oft büßt die Partei, die den Präsidenten stellt, bei den Midterm Elections Stimmen ein - eine Art Denkzettel. Da die Beliebtheitswerte von Trump verglichen mit jenen seiner Vorgänger besonders niedrig sind, dürfte es dieses Mal nicht anders sein. Alle Prognosen deuten darauf hin.

Geteilte Macht

Das wahrscheinlichste Szenario ist demnach ein geteilter Kongress. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass das aus Anlegersicht nicht negativ sein muss, im Gegenteil. "Historisch gesehen hat sich der US-Aktienmarkt stets gut gehalten, wenn sich zwei Parteien die Macht im Kongress teilten", sagt Scott Krauthamer, oberster Stratege für die globalen Aktienmärkte beim Vermögensverwalter Alliance Bernstein. Daten der Bank of America Merrill Lynch zeigen, dass sich der Leitindex S & P 500 sowohl unter republikanischen als auch unter demokratischen Präsidenten dann am besten entwickelt hat, wenn der Kongress geteilt war. "Daher besteht Grund zu der Annahme, dass die Märkte auf­atmen würden, wenn die Wahl zu einem gespaltenen Kongress führen sollte."

Weniger wahrscheinlich, aber umso folgenschwerer wäre ein Sieg der Demokraten in beiden Kammern des Kongresses. Die Partei könnte dann personelle Entscheidungen und Gesetze des Präsidenten blockieren. "Außerdem würde eine demokratische Mehrheit im Senat und im Repräsentantenhaus die Chancen erhöhen, dass 2020 ein demokratischer Kandidat ins Weiße Haus einzieht", meint Krauthamer. Das könne ­einige Schlüsselelemente der Steuer­reform gefährden, vor allem die Senkung der Unternehmensteuern. Diese hatte die Gewinne vieler US-Unternehmen erhöht und deren Aktienkurse - zumindest vor der Korrektur im Oktober - beflügelt. "Wir erwarten daher, dass ein solches Ergebnis zu höherer Volatilität am US-Aktienmarkt führt", sagt er.

Sollte es den Republikanern gelingen, beide Kammern zu halten, wäre die Wall Street hocherfreut. "Ein unerwarteter Sieg der Republikaner würde aller Voraussicht nach zu einer Rally an den Märkten führen, da die Möglichkeit weiterer Steuersenkungen und einer stärkeren Deregulierung bestünde", sagt Christopher Smart, Chefanalyst für Makro­ökonomie und Geopolitik beim Finanzdienstleister Barings.

Dass die Midterm Elections einen ­positiven Einfluss auf den Handelsstreit mit China haben werden, dürfen Anleger aber nicht hoffen. Zum einen sind die Demokraten keine strikten Gegner dieser Politik. Zum anderen ist die Ausgestaltung der Wirtschaftspolitik Sache der Exekutive und damit des Präsidenten, der Kongress kann wenig Einfluss nehmen. "Der Ausgang der Wahlen dürfte kaum einen mäßigenden Einfluss auf die Handels- und Außenpolitik des Präsidenten haben", schätzt David Kohl, Chefvolkswirt Deutschland der Bank Julius Bär.

Immerhin gibt es einen Lichtblick: ­Einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge will Trump bei einem Treffen mit Chinas Staatschef Xi Jinping beim G-20-Gipfel in Argentinien Ende des Monats eine Lösung des Streits erreichen. Trump habe deswegen wichtige Regierungsvertreter gebeten, einen Entwurf für ein Handelsabkommen vorzubereiten. Erst am Dienstag hatte der US-Präsident eine Ausweitung der Zölle auf sämtliche Einfuhren aus China angedroht. Zurzeit belegen die USA etwa die Hälfte der Waren aus dem Reich der Mitte mit Strafzöllen.

Die bekannten Treiber für Wirtschaft und Börse - Handelsstreit auf der einen, starke Unternehmenszahlen auf der ­anderen Seite - werden uns also auch nach der Wahl erhalten bleiben.

Investor-Info

iShares Core S & P 500
Basisinvestment für Amerika

Der jüngste Rücksetzer am Aktienmarkt war heftig, doch die Zahlen der Unternehmen sowie die Arbeitsmarkt- und Verbraucherdaten sind hervorragend. Breit gestreut auf den US-Markt setzen Anleger mit einem ETF auf den Leitindex S & P 500, der die 500 wichtigsten Aktien der Vereinigten Staaten enthält.

Lyxor FTSE USA Core Infrastr.
Profiteur der Einigkeit

Ausbau und Erneuerung von Infrastruktur ist ein Thema, über dessen Notwendigkeit sich Republikaner und Demokraten einig sind. Die Branche dürfte in den USA von Anstrengungen in diese Richtung profitieren. Risiko­bereite Anleger mischen den Sektor ihrem Depot mit einem speziellen ETF von Lyxor bei.





_________________________

Bildquellen: Win McNamee/Getty Images, SunnyS / Shutterstock.com