Superwahljahr 2017: Wie sich Anleger positionieren
Kehrt 2017 die Krise zurück? Fakt ist: Die Populisten haben regen Zulauf, Griechenland und Brexit belasten. Anleger sollten aber einen kühlen Kopf bewahren.
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von Andreas Hohenadl, Euro am Sonntag
Die Anfänger erobern die Welt, und das freut mich, denn es sind die Profis, die diese Welt so zugerichtet haben." Beppe Grillo ist um eine Antwort nicht verlegen, wenn ihm und seinem MoVimento 5 Stelle (Fünf-Sterne-Bewegung) politische Ahnungslosigkeit vorgeworfen wird. Was der italienische Exkomiker als "Anfänger" bezeichnet, nennen andere "Populisten". Und die sind nicht nur in Italien auf dem Vormarsch. "Brexit und Trump sind Anzeichen für einen tiefgreifenden Wandel", erklärt Grillo in einem Interview.
Dass diese Aussage zutreffen könnte, ängstigt immer mehr Menschen. Denn in den kommenden Monaten könnte sich das politische Antlitz Europas radikal verändern. Diese Ungewissheit macht auch Anleger nervös, wie sich besonders an den Märkten für europäische Staatsanleihen zeigt. Nicht wenige fürchten eine Rückkehr der Eurokrise.
2017 ist ein Superwahljahr in Europa. In Deutschland, den Niederlanden und Frankreich wird ein neues Parlament gewählt. Die Franzosen bestimmen außerdem ihren neuen Präsidenten. Und in Italien sind vorgezogene Neuwahlen möglich. Überall könnten die Populisten massiven Zulauf erhalten.
Griechenland und Trump
Auch Griechenland trägt derzeit zur Verunsicherung bei. Denn der Internationale Währungsfonds (IWF) zeigt sich zögerlich, an einer weiteren Rettung des Landes mitzuwirken. Er favorisiert einen Schuldenschnitt, was die EU - insbesondere der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble - strikt ablehnt. Nun scheint in der CDU/CSU jedoch die Bereitschaft für einen Kurswechsel zu wachsen. Der Europapolitiker und CSU-Vize Manfred Weber plädiert dafür, nicht mehr auf einer Beteiligung des IWF zu beharren. "Europa kann jetzt auf eigenen Füßen stehen", sagte er in einem Zeitungsinterview.Damit reagiert die Politik auch auf die neuen Machtverhältnisse in den USA. Denn diese verfügen im IWF als größte Anteilseigner des Fonds über entscheidenden Einfluss. Doch die Kooperationsbereitschaft von US-Präsident Trump dürfte deutlich geringer sein als die seines Vorgängers Barack Obama.
Trump vertritt die Ansicht, dass die Europäische Union auseinanderfallen werde. Seine Bereitschaft ist groß, einen solchen Prozess aktiv zu befördern und Großbritannien in der Brexit-Situation als Hebel für eine Spaltung Europas zu benutzen. Demonstrativ lud er nach seiner Wahl die britische Regierungschefin Theresa May nach Washington ein und machte der Britin ein bilaterales Handelsabkommen schmackhaft.
Die Sorge um einen Frexit
Doch nicht nur von außen wirken Kräfte, die Europa spalten. Wie groß die Furcht ist, zeigte sich nach dem Wahlkampfauftritt von Marine Le Pen am ersten Februar-Wochenende in Lyon. Die Vorsitzende des rechtsextremen Front National kündigte für den Fall eines Sieges bei den Präsidentschaftswahlen unter anderem ein Referendum über den EU-Austritt Frankreichs und die Rückkehr zu einer nationalen Währung an.Im Grunde waren das keine neuen Aussagen, dennoch reagierten die Märkte schockiert. Schnell machte der Begriff "Frexit" die Runde, und die Risikoaufschläge zehnjähriger französischer Staatsanleihen schossen auf ein Vierjahreshoch (siehe Investor-Info). Die Nervosität der Investoren ist nicht unbegründet. Noch nie waren die Aussichten der Rechtsaußenpartei bei Präsidentschaftswahlen so gut wie jetzt. In Umfragen für den ersten Wahlgang am 23. April liegt der Front National mit etwa 25 Prozent in Führung und kann damit rechnen, in die entscheidende Stichwahl am 7. Mai zu kommen.
Regen Zulauf haben die Populisten auch in den Niederlanden. Dort wird bereits am 15. März ein neues Parlament gewählt, und laut aktuellen Umfragen kann die Partei für die Freiheit (PVV) unter dem Rechtspopulisten Geert Wilders mit starken Gewinnen rechnen. Sehr wahrscheinlich wird die PVV die stärkste Kraft im Parlament. Parteichef Wilders strebt vor allem eine "Entislamisierung" der Niederlande an. Und wie Le Pen will auch er, dass sein Land die Europäische Gemeinschaft verlässt.
Dass es dazu kommen wird, ist aus heutiger Sicht aber unwahrscheinlich. Denn selbst bei einem Wahlsieg hätte die PVV kaum Aussichten auf eine Regierungsbeteiligung, wäre die Partei mit prognostizierten 30 Sitzen im 150 Sitze fassenden Parlament doch weit von der absoluten Mehrheit entfernt. Wilders brauchte zwei oder mehr Koalitionspartner. Doch bisher haben alle größeren Parteien eine Zusammenarbeit mit der PVV deutlich abgelehnt.
So erwarten die meisten Beobachter die Bildung einer Vielparteienregierung im stark fragmentierten Abgeordnetenhaus, um Wilders zu verhindern. "Geht man von den durchschnittlichen Umfragewerten der vergangenen Wochen aus, sind für die Formierung einer Koalition ohne die PVV mindestens fünf Fraktionen notwendig", so Constantin Pyhel, Analyst bei der DZ Bank. Die Regierungsbildung könnte also mühsam werden. Trotzdem hält Pyhel dieses Szenario für das wahrscheinlichste.
Auch in Frankreich wird der Front National höchstwahrscheinlich nur einen Pyrrhussieg erringen. Konkret heißt das: Le Pen dürfte zwar die erste Runde der Präsidentschaftswahl gewinnen, doch in der folgenden Stichwahl sind ihre Chancen weitaus geringer. Der Grund ist, dass Le Pen bereits im ersten Wahlgang ihre Wähler mobilisieren kann, während sich die Anhänger aus dem gemäßigten Spektrum noch auf etliche Kandidaten verteilen. Das ändert sich in der finalen Runde der Wahl.
"Kommt es zum Äußersten, halten die demokratischen Kräfte in Frankreich in der Regel zusammen", sagt Daniel Hartmann, Analyst beim Anleihemanager Bantleon. Er erinnert an die Wahl 2002, als der konservative Jacques Chirac in der zweiten Runde von den Sozialisten unterstützt wurde und den Gründer des Front National, Jean-Marie Le Pen, klar besiegte. "Glaubt man den Umfragen, dürfte es dieses Mal bei der Tochter nicht anders aussehen."
Anleger tun also gut daran, die Nerven zu behalten. Zumal sich die Konjunktur in Europa stabil zeigt. "Es hat noch nie einen größeren Einbruch an den Börsen gegeben, wenn die Fundamentalfaktoren gut waren", beruhigt Martin Hüfner, Chefvolkswirt des Vermögensverwalters Assenagon. Und in Frankreich sieht er gute Chancen für eine positive Überraschung, wenn der reformfreudige Newcomer Emmanuel Macron die Wahl gewinnt. "Das könnte Frankreich und der europäischen Idee einen Schub nach vorn geben."
Investor-Info
Euro-Staatsanleihen
Spiegel der Krisenangst
Mit den näher rückenden Wahlen wächst auch die Sorge der Investoren. So sind die Risikoaufschläge zehnjähriger niederländischer, französischer und italienischer Staatsanleihen gegenüber Bundesanleihen seit Jahresanfang stark gestiegen. Die Zinsabstände sind zum Teil so groß wie im Krisenjahr 2012.
Italienische Neuwahlen
Harren auf einen Termin
In Italien finden 2017 zwar keine regulären Wahlen statt, aber es besteht die Möglichkeit vorgezogener Neuwahlen. Darauf drängen unter anderem der Ende vergangenen Jahres zurückgetretene Ministerpräsident Matteo Renzi und die populistische Fünf-Sterne-Bewegung unter Beppe Grillo. Die Verfassungsrichter in Rom haben zwar die Rechtmäßigkeit eines 2016 eingeführten Wahlgesetzes bestätigt, doch bringt der Richterspruch noch keinen Termin für Neuwahlen mit sich, sondern nimmt das Parlament in die Pflicht, das Gesetz zu überarbeiten. Das könnte sich nach Ansicht von Beobachtern bis Herbst hinziehen, da über 600 der fast 1.000 Abgeordneten und Senatoren erst am 15. September lange genug im Parlament sitzen werden, um ein Anrecht auf eine spätere Rente zu haben.
Kapital Plus
Investieren mit Bedacht
Für Anleger, die angesichts der ungewissen Aussichten etwas zurückhaltender investieren wollen, bietet sich der Mischfonds Kapital Plus an. Er investiert zu 70 Prozent in Anleihen und zu 30 Prozent in Aktien aus Europa, ohne jemals groß davon abzuweichen. Denn dieses Verhältnis hat sich langfristig als sehr effizienter Rendite-Risiko-Mix erwiesen.
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